Edelmetalle Aktuell
09.05.2011 | Wolfgang Wrzesniok-Roßbach
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Dies führte dazu, dass Anfang Mai alleine an der New Yorker Terminbörse und bei den ETFs mit fast 25.000 Tonnen weit mehr als eine Weltjahresproduktion (22.900 t) in den Händen von Anlegern und Spekulanten lagen. Hinzu kommt noch eine immens hohe Menge, die von Anlegern in Form von Barren und Münzen direkt physisch gehalten wird, sowie Guthaben von Kontosilber bei den Banken. Diese Mengen können nur grob geschätzt werden, aber sie werden sicherlich die Summe der Futures und ETFs noch einmal weit übersteigen. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der Situation von 1980 ist, dass die Investmentpositionen in der heutigen Haussephase viel breiter gestreut sind. Auf der anderen Seite gibt es dadurch aber auch mehr rein opportunistisch agierende Anleger, die ihre Positionen bei einem ansehnlichen Kursgewinn schnell wieder auflösen. So geschah es in der letzten Woche schon bei den Futures, als 1.700 Tonnen Silber in die steigenden Preise hinein abverkauft wurden und diese Entwicklung setzte sich diese Woche bei den ETFs fort. Alleine gestern wurden die Bestände beim größten Silber-ETF um über 520 Tonnen reduziert.
Es waren diese kombinierten Abgaben, die den Silberpreis in letzter Sekunde daran hinderten, den 1980er Rekord von 50,35 $ zu überspringen. Am Ende reichte es am 28. April "nur" für ein neues 31-Jahreshoch in Höhe von 49,60 $ je Unze. Den Bullen bleibt vorerst der Trost, dass es zwar insgesamt keinen neuen Rekordpreis gab, dass aber letzte Woche wenigstens beim Londoner Fixing (21.1.1980: 49,45 $) ein neues Allzeithoch erreicht worden ist.
Was hatte die sich daran anschließenden Verkäufe konkret ausgelöst? Neben der Bekanntgabe von Investmentlegende George Soros, dass er Teile seiner Gold– und Silberpositionen aufgelöst habe, war es vermutlich vor allem der Umstand, dass die COMEX in New York in der letzten Woche die geforderten Einschusszahlungen zweimal innerhalb von nur einer Woche (und von November bis heute insgesamt sogar 10mal) angehoben hat. Das dürfte bei dem einen oder anderen Spekulanten unangenehme Erinnerungen an das Jahr 1980 geweckt und Gewinnmitnahmen angestachelt haben.
Eine Rolle spielte sicher auch die Ausschaltung Bin Ladens, die dazu führte, dass in einer ersten Reaktion die vermeintlichen "Krisenmetalle" Gold und Silber verkauft wurden. Insbesondere beim Silber war der Einbruch am frühen Montagmorgen in dem dünnen asiatischen Markt extrem ausgeprägt, die Notierung fiel dabei von 48 $ auf unter 43 $ je Unze.
Nach einer deutlichen, aber kurzlebigen Gegenreaktion fiel das Metall bis heute weiter und mit Kursen von weniger als 36 $ je Unze liegt es heute Abend über 25 Prozent unter dem Höchststand vom letzten Donnerstag und auf dem tiefsten Stand seit über einem Monat.
Kurzfristig wären wir nicht überrascht, wenn die Notierung nach dem Einbruch wieder etwas zulegen könnte, 38,00 $ wären da ein mögliches Kursziel. Gesichert ist das aber keineswegs und langfristig bleiben wir bei der Einschätzung, dass die Bewertung noch immer überzogen ist und wären auch über Preise von weit unter 30 $ nicht überrascht.
Von den Preisen zu den Quellen: Die großen Silberproduzenten Fresnillo und Hochschild berichteten in den letzten drei Wochen über eine rückläufige Produktion (siehe Links), sie wollen allerdings Schritte unternehmen, dies im weiteren Verlauf des Jahres wieder zu ändern.
Dem zumindest bei diesen Produzenten leicht rückläufigen Angebot steht aber auch eine rückläufige Nachfrage gegenüber, im physischen Bericht sank die Investmentnachfrage bei Notierung von fast 50 $ je Unze genauso gegen Null, wie die über das notwendigste hinausgehenden Käufe von industriellen Endabnehmern. Details dazu, wie sehr industrielle Abnehmer mit den hohen Silberpreisen hadern, gab es Ende April von Kodak und können unter dem dazugehörigen Link nachgelesen werden.
- Platin
Der Höhenflug bei Gold und Silber hinterließ auch bei den beiden wichtigsten Vertretern der Platinmetalle seine Spuren.
Allerdings war die Entwicklung bei Platin und Palladium dabei keineswegs so gradlinig, wie bei den anderen beiden Metallen. Dass lag sicher auch daran, dass Investoren einen potentiellen Rückgang der industriellen Metallnachfrage in Europa (durch geringere Autoverkäufe in den schuldengeplagten Ländern), in Japan (durch die Folgen des Erdbebens) und in den USA (durch den hohen Ölpreis) nicht ausschließen und deshalb vorsichtiger agierten.
Das Platin fiel in diesem Umfeld zunächst bis zum 20. April auf 1.758 $ je Unze zurück, bevor es sich doch noch an den Goldpreis ankoppeln und bis zum letzten Wochenende wieder auf 1.884 $ zulegen konnte. Der anschließende Einbruch bei Gold und Silber brachte dann aber auch dem Platin wieder kräftige Verluste. Es verlor bis zum heutigen Nachmittag fast $ 130 an Wert und fiel auf den tiefsten Stand seit Ende März zurück.
Die unerwartet schlechten Arbeitsmarktzahlen in den USA, die heute Nachmittag deutscher Zeit veröffentlich wurden (Erstanträge auf Arbeitslosengeld so hoch wie seit acht Monaten nicht), trugen sicher ihren Teil zu der Verunsicherung der Anleger bei Industrierohstoffen, zu denen ja auch Platin gehört, bei.
Zum Handelsschluss in New York liegt die Notierung nun wieder etwas erholt über dem Tiefstkurs und nachdem die Konjunktursorgen jetzt ein Stück weit eingepreist sind, wird in den nächsten Tagen der Fokus der Platinhändler und der Investoren eher wieder auf die Entwicklung bei Gold und Silber gerichtet sein. Da wir hier jetzt erst einmal eine Beruhigung erwarten, ist es sicher nicht undenkbar, dass sich auch die Platinnotierung wieder etwas erholt.
Eine erste, eher psychologische Hürde stellt die Marke von 1.800 $ dar, diese dürfte noch zu überspringen sein. Schwerer zu knacken wird dann schon die nächste, diesmal charttechnische Hürde bei 1.820 $ je Unze sein.