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Der Weg Europas

24.06.2011  |  Robert Rethfeld
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Die Deutschen wollen den Führungsanspruch nicht, aber er drängt sich ihnen auf. Merkel will nicht, aber sie muss. Der "historische Zwang" des Weges von kleineren zu größeren Einheiten ist offenbar so stark, dass sich auch eine Bundeskanzlerin nicht dagegen wehren kann.

Wie also dürfte - wenn die historische Entwicklung unvermeidbar erscheint - der Weg Europas aussehen? Es ist nicht wahrscheinlich, dass ein Staat, der einen anderen Staat finanziell unterstützt, das Kapital ohne Gegenleistung transferiert. Die Gegenleistung für die gewaltigen Summen, die von West- nach Ostdeutschland flossen und noch fließen, war die Aufgabe der Souveränität der DDR.

Wahrscheinlich ist eine andere Entwicklung. Trichet hat sie mit dem Vorschlag eines europäischen Finanzministeriums vorgezeichnet. Griechenland, Portugal und Irland dürften einen Großteil ihrer Souveränität auf Dauer verloren haben. Spanien und Italien dürften bald folgen. Die Souveränität fließt nicht nach Berlin, sondern nach Brüssel ab. Das ist der Unterschied zu antiken Rom oder Athen. Brüssel ist der befriedete Punkt, die freiwillig aus der Taufe gehobene Hauptstadt der europäischen Union. Dies ist ganz im Sinne Merkels. Wer in Brüssel regiert, ist eine andere Frage. Hier kommen die Franzosen ins Spiel, die einen politischen Führungsanspruch in der EU besitzen. Und so kommt es, dass die Rolle der "Führungsmacht" kleiner ist, als sie es in früheren Hochkulturen war. Aber sie ist nicht null, sie ist auch nicht gering, sie ist nur kleiner als üblich.

Also wird Brüssel zunehmend mehr Souveränität über Europa gewinnen. Auch über Deutschland, denn Deutschland lässt dies zu. Die Führung eines Staatengebildes erfordert eine gemeinsame Währung. Diese ist entwicklungshistorisch zu früh eingeführt worden. Aber über kurz oder lang wäre es - aufgrund der Dynamik zu größeren Einheiten - sowieso dazu gekommen.

Wie bereits im Buch Weltsichten - Weitsichten (Erscheinungsjahr 2004) beschrieben, bedeutet der "Universalstaat" üblicherweise die letzte Stufe vor dem Zerfall einer Hochkultur. Ein Universalstaat existiert üblicherweise mehrere hundert Jahre. Die Finanzkrise scheint als Beschleuniger hin zum Universalstaat zu wirken.

Die Regierungsform eines Universalstaates ist "elitär". Die Demokratie funktioniert in Brüssel nicht, sie hat nie funktioniert. Europa ist viel zu groß. Noch sind es die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten, die die wichtigen Entscheidungen treffen. Aber mehr und mehr wird die Brüsseler Bürokratie Vorschläge erarbeiten. Die schon jetzt vorhandenen molochartigen Strukturen in Brüssel werden sich weiter verfestigen, je mehr Aufgaben nach Brüssel übertragen werden. Und langsam aber sicher werden sich in Brüssel Positionen und Personen herausbilden, die de facto die europäischen Regierungen führen werden. Der Euro ist die Grundlage einer solchen Konstruktion. Deshalb bleibt er. Auch die Einführung von Eurobonds wäre eine logische Folge dieser Entwicklung.

Das Leben unter der Ägide einer stärker werdenden Brüsseler Elite wird eine demokratische Mitbestimmung mehr und mehr vermissen lassen. Aber ob der Verlust der aktuellen Art der Demokratie tatsächlich betrauert werden wird, kann man getrost bezweifeln.

Irgendwann - nach historischem Vorbild wohl erst in einigen hundert Jahren - wird der Zerfall Europas einsetzen, so wie das römische Reich einige Jahrhunderte nach Augustus zerfiel. Bis dahin dürfte sich das politische Leben auf die europäische Ebene einerseits und auf die kommunale Ebene andererseits konzentrieren. Die Zwischenebenen Bund und Land dürften an Bedeutung verlieren. Verfolgen Sie die Entwicklung der Finanzmärkte in unserer handelstäglichen Frühausgabe.


Das Buch "Weltsichten/Weitsichten" wird seitens des Finanzbuch-Verlages neuerdings als E-Book angeboten. Das Wort "Finanzkrise" erschien uns schon damals als wichtiger Schlüsselbegriff. Das Werk ist sieben Jahre alt (die E-Book-Version ist unverändert). Da ich immer mal wieder Nachfragen nach dem Buch negativ beantworten musste, weise ich hiermit auf die E-Book-Möglichkeit hin: www.e-bono.de.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



P.S.: Wir schauen hinter die Märkte und betrachten diese mit exklusiven Charts! Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.






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