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Die Fakten und Hebel sind auf dem Tisch - Was nun Spekulation?

27.10.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.45 Uhr) bei 1.3995, nachdem im frühen europäischen Geschäft Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3999 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 75.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 106.20, während EUR-CHF bei 1.2250 oszilliert.


Die Politik in Europa hat geliefert. Berücksichtigt man den Verlauf der Sitzung, die bis 4 Uhr heute morgen andauerte, zeigt sich zweierlei:
  • Das private Finanzgewerbe war im Nehmen 2008/2009 zügig und schnell, im Geben zeigt man sich jedoch eher zögerlich. Aber schlussendlich wurde geliefert. Ob das Verhalten der Großfinanz dem christlichen Gebot entspricht, dass Geben seliger denn Nehmen ist, sei dahin gestellt ☺.

  • Die Politik in der Eurozone zeigt sich handlungs- und lernfähig. Das ist die zweite Erkenntnis.

Es gibt mit den aktuellen Beschlüssen eine qualitative und quantitative Neuausrichtung:
  • Die Politik läuft nicht mehr dem Markt hinterher. Dieser Politikansatz führte in den vergangenen 18 Monaten dazu, dass die Traktion der spät getroffenen Maßnahmen unterproportional ausfiel. Jetzt ergibt sich ein Ansatz, der den Begriff Prophylaxe erlaubt. Die Politik der Eurozone baut vor. Das entspricht sachlich dem Ansatz der globalen Intervention 2008/2009. Homogenität und Überdimensionierung waren Kernstücke, die den Erfolg bis zu diesem Frühjahr eröffneten.

  • Die quantitative Ausstattung mit circa 1 Billion Volumen wird erfolgreiche Spekulation mindestens sehr erschweren. Hinsichtlich der Tatsache, dass die bisher erfolgte Positionierung gegen die Eurozone als erheblich zu klassifizieren ist, mag sich dort nun verstärkte Nervosität einstellen. Das ist auch sachlich geboten.

Werfen wir einen Blick auf die getroffenen Maßnahmen:
  • 50% Schuldenschnitt für Griechenland mit einer Entschuldung um 100 Mrd. Euro durch private Finanzwirtschaft (Banken und Versicherungen, nicht EZB etc!). Neue Anleihen mit längeren Laufzeiten und niedrigerem Zins unter einer Garantie des EFSF über 30 Mrd. Euro auf den Restwert von 100 Mrd. Euro sind die Spezifikationen. Der Tausch soll Anfang 2012 umgesetzt werden.

  • Auflegung eines zweiten Hilfsprogramm für Griechenland in einem Volumen von 100 Mrd. Euro mit einer Laufzeit bis 2014.

  • Die Kernkapitalquote für Europas systemrelevante Banken (91 Institute) muss per Ende Juni 2012 bei 9% liegen nach bisher nur 4%, um Risikopuffer aufzubauen. Das geschätzte Volumen der Rekapitalisierung liegt bei circa 106 Mrd. Euro laut der Europäischen Bankenaufsicht.

  • Hebelung des EFSF um das 4-5 fache auf circa 1 Billion Euro. Die Details werden im November von den Finanzministern der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

  • Italien hat zugesagt den öffentlichen Schuldenstand Italiens innerhalb der nächsten drei Jahre von 120% des BIP auf 113% zurückzuführen (Italien trat mit 114% der Eurozone bei).

Man kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht garantieren, dass diese Maßnahmen die Spekulation gegen die Eurozone zu einer sachlicheren Gangart veranlassen werden. Wir haben an dieser Stelle häufig genug auf die Reformerfolge als auch auf die unterschiedliche Qualität bezüglich Neu- und Gesamtverschuldung der Eurozone im Vergleich zu USA, Japan und UK hingewiesen. Feststellen lässt sich, dass die Chancen für eine größere Sachlichkeit seit Ausbruch der Defizitkrise bezüglich des Politikansatzes nie größer waren. Ergo ist Zuversicht vertretbar und angemessen!

Es ist aber nicht nur Europas Politik, die markante Interventionsansätze offeriert. Auch in Asien werden Maßnahmen getroffen, die das Ziel einer Stabilisierung verfolgen. Damit bewegen wir uns verstärkt in einem homogenen Umfeld auf internationaler Basis. Das ist viel versprechend und erinnert an der Erfolg der Maßnahmen aus den Jahren 2008/2009.
  • Die Bank of Japan hat den Leitzins erwartungsgemäß in der Bandbreite zwischen 0,00% - 0,10% belassen. Die Geldpolitik wurde weiter gelockert. Das Ankaufprogramm für Vermögenswerte wurde von 15 Billionen JPY auf 20 Billionen JPY ausgeweitet (August von 10 auf 15 Billionen …)

  • Der chinesische Premier Wen sagte, dass die Wirtschaftspolitik nach den aktuellen Erfordernissen feingesteuert werde. Man erwägt stimulative Politikansätze für kleinere Unternehmen vor dem Hintergrund der globalen Dynamikverluste der Konjunktur

Damit nicht genug. In den USA ergeben sich verstärkt Anzeichen, dass öffentliche Maßnahmen zur Subventionierung des Wohnimmobilienmarktes ins Auge gefasst werden. Auch steht das Thema QE3 auf der Agenda, wenn auch nur auf leisen Sohlen.

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob man sich zu "Tode" intervenieren soll. Dazu gibt es hier eine klare Stellungnahme.

Schulden und Interventionen sind nicht "per se" schlecht. Die Frage ist, wozu sie dienen?
  • Wenn sie konsumtiv verpuffen, sind sie sinnlos und verschärfen Probleme. Das gilt für die Politik der USA der letzten 12 Jahre!

  • Sind derartige Maßnahmen jedoch auf Investitionen oder die Finanzierung von markanten Reformen kalibriert, sind sie Ziel führend. Hier reden wir über Europa ab 4. Quartal 2009.

Ob Ratingagenturen sich diesen Erkenntnissen öffnen können, ist mehr als fragwürdig. Die durchscheinende politische Agenda ist zu augenfällig. Für wirkliche Profis am Finanzmarkt mag diese Betrachtungsweise durchaus ansprechend sein, oder?

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3700 - 30 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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