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Italiens Bevölkerung solidarisch! - Ist sich "Berlin" der Tragweite von Worten bewusst?

14.12.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.52 Uhr) bei 1.3025, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im US-Handel bei 1.3010 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.00. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.55, während EUR-CHF bei 1.2310 oszilliert.

Gestern waren positive Meldungen aus der Eurozone rar. Dennoch gibt es positive Meldungen. Die Italiener glauben offenbar an sich und an ihre Chance, die Schuldenkrise zu überwinden. Massiv beteiligten sich Anleger am "Staatsanleihen-Tag" am Montag, an dem sie Staatspapiere kaufen konnten, ohne den Banken Provisionen zu zahlen. Das Finanzministerium sammelte acht Milliarden Euro am Kapitalmarkt ein. Die Nachfrage überstieg deutlich das Angebot (aus Handelsblatt Financer Today).

Für unsere Freunde in London und NY spielen solche Fakten keine Rolle. Wer die im Vergleich zu USA, Japan und UK entspannten Neuverschuldungs- und Gesamtverschuldungsdaten der Eurozone oder die Gesundungsdaten aus den Leistungsbilanzen Griechenlands, Portugals, Spaniens und darüber hinaus beispielsweise die Reformerfolge in Irland erfolgreich ignorieren kann, stößt sich auch nicht daran, diese Meldung sportlich zu übergehen.

Reuters: Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hat erneut vor einer Herabstufung von Staaten und Banken in Europa gewarnt. Auf der Liste für ein potenzielles Downgrade stünden inzwischen 25 staatliche Schuldner (= gesamte EU außer Griechenland und Zypern und die sind schon "Junk") und 42 Banken aus Europa, erklärte die S&P-Analystin Diane Vazza am Dienstag. S&P hatte in der vergangenen Woche gedroht, vor dem Hintergrund der Schuldenkrise fast alle Mitglieder der Eurozone herabzustufen, darunter Deutschland. Je besser die Bonitätsnote ist, desto billiger kann sich ein Land in der Regel Geld von Investoren leihen. Hintergrund der drohenden Herabstufungen ist die Schuldenkrise in der Eurozone.

Hintergrund ist also die Schuldenkrise in Europa. Ja, die ist an den Märkten gegeben und Europa ist das Paradepferd der Reformen und der Stabilität. Danke Standard & Poors! Eine fortgesetzte Ignoranz von augenfälligen Fakten impliziert eine politische Agenda - mehr nicht, weniger auch nicht!

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Quelle: NVS IWF WEO 09/2011


Die Rolle Großbritanniens in der EU steht zur Disposition. Ja, Wales und Schottland sind nicht „amused“ und kritisieren Cameron heftig. Das ändert nichts am großen Bild. Der Zug in England fährt nicht in die kontinentaleuropäische Richtung. Eigentlich fuhr er auch noch nie dort hin. Reuters: Die britischen Konservativen befinden sich nach dem Nein von Premierminister David Cameron zu einem neuen EU-Vertrag in einem Umfragehoch. Zum ersten Mal in diesem Jahr überholte die Partei von Cameron einer am Mittwoch veröffentlichten Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge die oppositionelle Labour-Partei. Die Unterstützung für die Konservativen stieg um sieben Prozentpunkte auf 41 Prozent.

Die Mitte-Links-Partei Labour verlor hingegen in der Wählergunst zwei Prozentpunkte auf 39 Prozent. Der Junior-Partner in der Regierungskoalition, die europafreundlichen Liberalen, kamen auf elf Prozent und damit einen Punkt weniger als bei der letzten Umfrage. Reuters/Ipsos befragten zwischen dem 10. und 12. Dezember 1000 Briten. Wir schließen nicht aus, dass es demnächst "Good bye UK" heißen wird, auch wenn Herr Cameron das bisher ausschließt. Hinsichtlich der These, dass die Angriffe auf Kontinentaleuropa maßgeblich aus dem Finanzplatz London kommen, mag ein Abschied des UK aus der EU nicht zu sehr überraschen. England sollte sich aber auch fragen, woher Potenz bei mittlerweile tendenziell ausgehendem Nordseeöl kommen soll … manchmal tut Demut gut!

Unsere Kanzlerin Frau Dr. Merkel versetzte gestern dem Euro und dem internationalen Aktienmarkt einen Dolchstoß und löste global erhöhte Risikoaversion aus. Bundeskanzlerin Merkel lehnt laut Aussagen aus der Regierungskoalition eine Aufstockung des ESM über das aktuelle Limit von 500 Mrd. EUR ab. Diese Position ist durchaus vertretbar, es ist aber die Frage, wie sie kommuniziert wird.

Die richtige Antwort wäre gewesen, dass dieses Thema nicht aktuell ist, da weder der EFSF noch der zukünftige ESM ansatzweise ausgeschöpft seien und alles unternommen würde, um die Integrität der Eurozone und die Zukunftsfähigkeit im Rahmen einer Stabilitätsunion zu gewährleisten. Dann kann man sportlich auf die bisherigen Erfolge der Eurozone in der Reformpolitik und der NVS und GVS verweisen und Misserfolge der USA und Japans thematisieren und das Thema ist sachlich angemessen beordnet!

"Chapeau Frau Dr. Merkel - sie haben sich gegenüber Europa und der Welt einmal mehr im höchsten Maße "solidarisch" gezeigt. Sie haben damit die Reformländer nicht unterstützt, sondern die Umsetzung der Reformen gefährdet. Wenn so etwas einmal vorkommt, ist es verzeihlich.

Wenn derartiges Verhalten zur Norm avanciert, wirft es die Frage nach der Agenda auf!

Die deutsche Bundesregierung ermutigt durch ihr Verhalten die Spekulation gegen Europa und die Eurozone. Sie erschwert die Reformprozesse in den europäischen Ländern, da die Spekulation Kapitalzuflüsse in die Reformländer stört, Investitionsbereitschaft hemmt und global die Dynamik der Weltwirtschaft belastet und damit den globalen fiskalischen Gesundungsprozess unterminiert.

Seit mehr als 18 Monaten steht Deutschland für eine Politik, latent die schwersten Waffen in der Verteidigung des Euros, der Eurozone und der EU im Vorwege auszuschließen. Nichts kann eine Spekulation, die alle Mittel und damit alle Waffen (derivativ, Hebeleffekte) nutzt, mehr ermutigen, die Spekulation zu verschärfen. Fakt ist, dass die Krise sich durch dieses Verhalten latent ausweitete (Wir warnen seit 18 Monaten vor genau dieser Entwicklung!) und mittlerweile Frankreich erreicht hat.

Deutschland bürgt für viele Länder der Eurozone und sorgt über die aktuellen Politikansätze gleichzeitig für einen Bonitätsverlust dieser Länder. Wir sind ob der deutschen Agenda irritiert!


Werfen wir einen kurzen Blick auf die gestrigen Veröffentlichungen:
  • Der ZEW Sentimentindex legte per Dezember von zuvor -55,2 auf -53,8 Punkte zu. die Prognose lag bei -56,5 Zählern. Es kam zum ersten Anstieg seit neuen Monaten.

  • Der ZEW-Index, der Auskunft über die aktuelle Lage gibt sank von 34,2 auf 26,8 Punkte. Hier stellte sich die Prognose auf 31,0 Zähler.

  • Die US-Einzelhandelsumsätze verzeichneten per November einen Anstieg im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,6%) nach zuvor 0,6% (revidiert von 0,5%).

  • Die US-Lagerbestände nahmen per Oktober im Monatsvergleich um 0,8% (Prognose 0,9%) nach einem unveränderten Ergebnis im Vormonat zu.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.3410-40 neutralisiert den negativen Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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