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Ukraine, Sezession und Liberalismus

11.05.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Aus Sicht des Liberalismus ist Sezession ein produktives, unverzichtbares Recht, das auch politischen Fehlentwicklungen entgegenwirkt.

Die Geschehnisse in der Ukraine geben Anlass zur Sorge über die weiteren wirtschaftlichen und politischen Folgewirkungen. Vor allem ein Auseinanderbrechen der Ukraine wird vielfach befürchtet.

Denn dies wird als möglicher Sprengsatz für andere Vielvölkerstaaten gese-hen. Dabei scheint jedoch ein Aspekt zusehends aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu geraten: Die guten Gründe für Sezession.

Der Begriff Sezession bezeichnet die Ab- oder Heraustrennung eines Landes- und Bevölkerungsteiles aus einem bestehenden Staatsgebiet. Durch Sezession soll ein eigener, souveräner Staat geschaffen werden.


Recht

Bei Staats- und Völkerrechtsgelehrten ist umstritten, ob das Selbstbestimmungsrecht der Völker - wie es etwa in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist - das Recht von Bevölkerungsminderheiten beinhaltet, aus einem Staat(sverbund) auszutreten. Das mag unter anderem daran liegen, dass viele Verfassungen eine Sezession nicht ausdrücklich vorsehen, und damit auch das internationale Völkerrecht nicht.

Im Fall der Krim sind einige Völkerrechtler der Meinung, es handele sich um einen völkerrechtlichen Verstoß: Das Völkerrecht verbiete es, dass ein Staat (hier Russland) einen Bevölkerungsteil eines anderen Staates (hier die Krim-Bewohner) nutzt, um ein Teilgebiet des anderen Staates herauszulösen.

Eine andere Argumentation lautet, die Ukraine sei ein Einheitsstaat, und die Krim habe keinen Gliedstaat-, sondern einen Autonomiestatus. Sie könne daher nicht über Fragen entscheiden, die den territorialen Bestand der Ukraine betreffen. Eine Abspaltung der Krim durch ein Krim-Referendum sei völkerrechtswidrig.

Was auf der Krim geschah, war jedoch keine "Annexion", sondern eine Sezession: Die Krim-Bewohner erklärten mehrheitlich ihre Unabhängigkeit, getragen von einem Referendum, in dem sie sich für eine Abspaltung von der Ukraine und einer Hinwendung zu Russland entschieden: Sezession, Referendum und Beitritt schließen Annexion aus.


Liberalismus

An dieser Stelle soll es jedoch nicht um Rechtsstreitigkeiten gehen. Vielmehr soll der klassische Liberalismus befragt werden: Was hat er über Sezession zu sagen? Wie ist Sezession aus ökonomischer Sicht zu bewerten?

Der große liberale Denker Ludwig von Mises (1881 - 1973) sah in der Sezession geradezu ein Grundrecht. Er argumentiert, dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen (natur)gegeben ist, und das schließt die Sezession mit ein, denn nur so können sich die Anpassungen des herrschenden Staats- und Politiksystems an den Willen der Bürger ohne Aggression vollziehen.

Mises formuliert das wie folgt:

"Das Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf die Frage der Zugehörigkeit zum Staate bedeutet also: wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflußt vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht in dem Verband jenes Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbstständigen Staat bilden wollen oder einem anderen Staate zuzugehören wünschen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam verhindern." (Liberalismus, 1927, S. 95)

Mises schreibt weiter:

"Einem Staate angehören zu müssen, dem man nicht anzugehören wünscht, ist nicht weniger arg, wenn man in diese Lage durch das Ergebnis einer Abstimmung gelangt ist, als wenn man es als Folge einer militärischen Eroberung tragen muß." (Liberalismus, 1927, S. 105)




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