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Ukraine, Sezession und Liberalismus

11.05.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Mises als Klassisch-Liberaler stellte folglich das Selbstbestimmungsrecht eines jeden über das geltende Staatsrecht. Der einzelne Bürger, eine Gruppe von Menschen, hat das natürliche Recht, aus einem Staatenbund auszutreten, wenn er will, beziehungsweise sie will.

Aus Sicht des Liberalismus ist eine Sezession wie in der Ukraine (oder in anderen Teilen der Welt) daher eine Entwicklung, die durch Anwendung von Zwang nicht verhindert werden darf.

Bei einer Sezession wäre natürlich sicherzustellen, dass sie friedlich, und zwar unter strenger Achtung der Eigentumsrechte aller Beteiligten verläuft, und dass die Kosten der "Scheidung" einvernehmlich und "fair" zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden.


Klein- versus Großstaaterei

Die Geschehnisse auf der Krim und in der Ost- und Südukraine könnten, sollten sie in erfolgreichen Sezessionen münden, durchaus "Breitenwirkung" entfalten. Schließlich gibt es in vielen Teilen der Welt Sezessionsbestrebungen, die aber bislang meist nicht zum Erfolg geführt haben.

Mit Blick auf Europa ist etwa zu denken an die Abtrennungsbestrebungen der Schotten von Großbritannien; der Bretagne von Frankreich; das Zerlegen Belgiens in flämische und wallonische Teile; und nicht zuletzt wollen die Katalanen aus dem spanischen Nationalstaatkorsett heraus.

Erfolgreiche Sezessionen geben Anreize, es anderswo gleich zu tun. Gerade in Europa, in dem zusehends die wirtschaftlichen und politischen Fehlentwicklungen zu Tage treten, die das Zentralisierungsbestreben, das Schaffen immer größerer Einheiten zu Lasten kleiner Einheiten, mit sich gebracht hat.

Dass große Einheiten Probleme verursachen, ist eine Erkenntnis, die der österreichische Politikwissenschaftler und Philosoph Leopold Kohr (1909 - 1994) früh erkannt hatte. Kohrs Erkenntnis lässt sich in die Kurzformel bringen: "Klein ist wunderschön!" (oder: "Small is beautiful!")

Bei kleinen politischen Einheiten kann der Bürger erkennen, so Kohr, wer für welche Handlungen verantwortlich ist. Fehlentwicklungen - wie Amtsanmaßung oder Korruption - kann so wirksam Einhalt geboten werden.

Auch sind kleine politische Einheiten "marktfreundlich": Weil sie klein sind, müssen sie auf Arbeitsteilung und Handel setzen, können sich nicht vom internationalen Handel abschotten, können nicht durch hohe Steuern die Unternehmen und Arbeitnehmer übergebührlich auspressen.

Eine Gefahr, die die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine befördern, ist, dass eskalationsfreudige Kräfte die Sezession in ein schlechtes Licht tauchen. Dass sie aus ihr einen ungeordneten, gewalttätigen und damit unerwünschten Prozess machen; dass die Sezession in der Öffentlichkeit nicht als das erkannt wird, was sie wirklich ist: ein produktives, ein unverzichtbares Recht, das politischen Fehlentwicklungen entgegenwirkt.

Denn haben die Menschen ein Recht auf Sezession, gibt es gewaltige Anreize für Politiker und Regierungen, sich für die Interessen der Bürger einzusetzen, anstatt Zielen nachzueifern, die gegen die Interessen der Bürger verstoßen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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