Der Mark-Twain-Effekt
15.10.2014 | Robert Rethfeld
"Oktober. Dies ist einer der besonders gefährlichen Monate, um am Aktienmarkt zu spekulieren. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August, und Februar." (Mark Twain, aus Pudd’nhead Wilson, 1894)
Dieses Zitat legte Mark Twain vor 120 Jahren seinem Protagonisten David Wilson in seinem Roman "Pudd’nhead Wilson" in den Mund. In dem Buch - es spielt in den Südstaaten - verliert die Sklavin Roxy ihre Ersparnisse, weil eine Bank zusammengebrochen ist. Twain lässt die Handlung zwar in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielen, dürfte aber massiv von zeitgenössischen Ereignissen beeinflusst worden sein.
Denn im Jahr vor dem Erscheinen des Buches kam es zur Panik von 1893. Diese fand nun ausgerechnet nicht im Oktober (wie beispielsweise 1873) sondern in den Monaten Januar bis Juli statt (siehe Pfeil folgender Chart).
Dieses Geschehen dürfte Twain dazu veranlasst haben, nicht nur den Oktober, sondern auch alle anderen Monate als börsentechnisch gefährlich zu bezeichnen. Twain erlebte mit, wie in der damaligen Panik 500 Banken zusammenbrachen. Die Arbeitslosenquote stieg deutlich. In New York erreichte sie 35 Prozent. Jetzt ist klar, warum Aktienmarkt-Historiker fallende Kurse im Oktober auch gern als "Mark-Twain-Effekt" bezeichnen.
Diese Oktober-Erfahrung hat sich seither nicht verändert. Der saisonale Durchschnittsverlauf des Dow Jones Index über die vergangenen 116 Jahre weist eine deutliche September/Oktober-Schwäche auf (siehe Pfeil folgender Chart).
Ende Oktober dreht sich das saisonale Bild, genauer gesagt um "Halloween" herum. Der negative Mark-Twain-Effekt weicht dem positiven Halloween-Effekt. Diese positive Bewegung hält üblicherweise bis in den Januar hinein an. Die Monate November, Dezember und Januar bilden die Periode mit der besten Dreimonats-Performance. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass in den USA alle zwei Jahre Anfang November eine Wahl stattfindet. Die Marktteilnehmer beginnen regelmäßig einige Tage vor der Wahl damit, in ein "Buy-the-Dip"-Kaufmodus zu verfallen.