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Über die Kosten der Rettungspolitiken

08.03.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Kosten der "Euro-Rettungspolitik" sind gewaltig. Sie zeigen sich vor allem in einer Form, die nicht unmittelbar von den Bürgern erkennbar ist.

Nehmen wir an, Sie erwerben einen Pullover für 100 Euro. Frage: Was kostet Sie der Pullover? Sie geben zwar 100 Euro aus, um den Pullover zu erlangen. Aber dabei entstehen Ihnen nicht Kosten von 100 Euro. Die Kosten, die Ihnen entstehen, bestehen im entgangenen Nutzen beziehungsweise im entgangenen Ertrag, den Sie bei einer anderen Verwendung der 100 Euro erzielt hätten.

Beispielsweise hätten Sie für die 100 Euro Ihren Kindern ein Sprachlexikon kaufen können, und der damit verbundene Lernerfolg hätte Ihnen die Ausgaben (in Höhe von zum Beispiel 400 Euro) für den Nachhilfeunterricht eingespart. Oder Sie hätten anstelle des Pullovers eine Aktie eines erfolgreichen Unternehmens kaufen können, die Ihr Portfolio um 10 Prozent pro Jahr hätte ansteigen lassen.

Mit anderen Worten: Der Geldbetrag, den Sie für eine bestimmte Sache zahlen, ist nicht gleichzusetzen mit den Kosten, die Ihnen dabei entstehen. Die Kosten sind vielmehr der entgangene Nutzen beziehungsweise nicht realisierte Ertrag, den Sie hätten erzielen können, wäre der Geldbetrag für eine andere Sache ausgegeben worden. Diese ökonomische Einsicht sollte Ihnen helfen, die Kosten der sogenannten "Euro-Rettungspolitiken" besser verstehen zu können.

Man denke etwa an die Kredite, die die Bundesregierung im Namen der deutschen Steuerbürger an Griechenland vergeben hat. Die Kredite bewirken, dass knappe Ressourcen an den griechischen Staat übertragen werden und für Ausgaben daheim nicht verfügbar sind. Es können nun beispielsweise keine Reparaturen mehr an der heimischen Infrastruktur vorgenommen werden.

Entweder fallen Neuinvestitionen aus, oder Ersatzinvestitionen müssen unterbleiben. Die Kosten der Kreditvergabe an Griechenland bestünden in diesem Falle in einer Verschlechterung der heimischen Infrastruktur, die wiederum zu einer Verkehrs- und Lärmbelastung führt, die stärker ausfällt, als sie ausgefallen worden wäre, wenn die Investitionen stattgefunden hätten.

Ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen mit Blick auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus ("ESM"). Er verfügt bekanntlich über ein Stammkapital von etwa 705 Mrd. Euro (80,5 Mrd. Euro einzuzahlendes Kapital und eine "Sicherheitsreserve" von 624,3 Mrd. Euro).(1) Deutschland hat 21,7 Mrd. Euro einzuzahlen, hinzukommen "abrufbare" 168,3 Mrd. Euro.

Die bereits eingezahlten 21,7 Mrd. Euro können nicht für beispielsweise Bildung, Erziehung oder Steuersenkungen eingesetzt werden.(2) Damit entfallen unter anderem die Erträge, die sich zum Beispiel aus Steuersenkungen ergeben hätten: Erhöhte Investitionstätigkeit, erhöhte Beschäftigung und verbesserte Güterausstattung.

Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten erkennt man das Problem: Das, was durch die (sogenannte) "Euro-Rettungspolitik" verhindert wird, was durch sie nicht entstehen kann, lässt sich nicht direkt beobachten und zweifelsfrei in Zahlen fassen. Deshalb läuft sich auch der Widerstand, der sich gegen die "Euro-Rettungspolitiken" erhebt, meist ins Leere.

Gleichzeitig haben die Befürworter der Rettungspolitiken meist keinerlei Hemmungen, den Erfolg ihrer Politiken zu benennen: etwa dass ein Auseinanderbrechen des Euro verhindert wird; dass der Frieden in Europa erhalten bleibe; dass die deutsche Exportwirtschaft und ihre Arbeitsplätze vor dem Absturz bewahrt werden.


Niedrigzins

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Euro-Zinsen stark abgesenkt. Das soll die Euro-Wirtschaft unterstützen. Diese Politik trifft verschiedene Marktakteure unterschiedlich. Schuldner können sich freuen: Die Zinsrechnung von Staaten, Banken und Unternehmern sowie auch die von verschuldeten Haushalten sinkt. Auch Aktionäre, die Anteil von verschuldeten Unternehmen halten, profitieren: Die Unternehmensdividende fällt nun höher aus. Diejenigen jedoch, die in fest-verzinslichen Anlagen sparen, haben das Nachsehen: Der Ertrag ihrer Wiederan-lage wird geschmälert. Auch Unternehmen, die Pensionsverbindlichkeiten aus-weisen, gehören zu den Verlierern: Ihre barwertigen Verbindlichkeiten steigen, senken das Eigenkapital der Firma ab, verringern also den Firmenwert.



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