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Wirtschaftspolitischer Kommentar: Wichtige Entscheidungen für die Schweizer

09.05.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Für die Schweizer gibt es gute Gründe, den Franken-Wechselkurs freizugeben und die Negativzinspolitik zu beenden.

Die Schweiz zählt zu den reichsten Ländern der Welt. Der Erfolg hat viele Gründe. Die Schweizer haben sich nicht in die katastrophalen Kriege des 20. Jahrhunderts hineinziehen lassen, die sozialistischen Experimente gemieden, sich der politischen Zentralisierung stärker erwehrt als andere Länder. Vor allem aber haben die Schweizer auf verlässliches Geld gesetzt. Ist das Geld verlässlich, ist seine Kaufkraft der politischen Manipulation entzogen, gedeiht das freie Unternehmertum, werden die produktiven Kräfte des Gemeinwesens gefördert.


Begrenzte Staatsmacht

Verlässliches Geld setzt zudem dem Auswucherungsdrang des Staates Grenzen. Kann der Staat die Geldmenge nicht beliebig vermehren, muss er sich die Mittel bei den Steuerbürgern holen. Die aber lassen sich das nicht ohne Weiteres gefallen und zahlen nur widerwillig. Wird der Staat dank begrenzter Finanzkraft kleingehalten, so dient das ebenfalls dem Erhalt der Freiheit von Bürgern und Unternehmern - und fördert das wirtschaftliche Wohl des Gemeinwesens.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz mit einem «chronisch» aufwertenden Franken-Außenwert einhergegangen ist. Seit den frühen 1970er Jahren ist der Franken gegenüber dem US-Dollar um etwa 72 Prozent in realer, inflationsbereinigter Rechnung gestiegen. Gegenüber den heutigen Euro-Ländern legte der Franken sogar um 78 Prozent zu: Mussten die Schweizer Anfang der 1970er Jahre noch 1 Franken zum Kauf von Gütern in den Euro-Ländern bezahlen, sind es heute nur noch 0,44 Franken.


Desaströse EZB-Politik

Seit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise befindet sich die Schweiz jedoch auf Abwegen. Die Schweizer Nationalbank (SNB) «bekämpft» seither die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro. Das Anlegervertrauen in die Euro-Einheitswährung ist im Sinkflug. Immer deutlicher tritt zutage, dass diese nicht das Produkt ökonomischer Vernunft, sondern Ergebnis politischer Allmachtfantasie ist. Um das Euro-Projekt vor dem Zusammenbruch zu bewahren, kauft die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt Euro-Schulden in großem Stil auf und bezahlt die Käufe mit neu geschaffenen Euro.

Sparer und Investoren versuchen, einer befürchteten Euro-Entwertung zu entkommen. Etwa indem sie ihre Euro in Franken tauschen. Will die SNB die daraus resultierende Franken-Aufwertung wirksam verhindern, müsste sie die desaströse Politik der EZB nachahmen: Sie müsste die Kaufkraft des Franken so stark schwächen, dass der Franken aus Sicht der Euro-Halter nicht mehr die bessere Alternative ist. Davor schreckt die SNB jedoch zurück. Das zeigt ihre Entscheidung vom 15. Januar 2015, mit der sie ihre Mindestkurspolitik beendet hat.


Schädliche Negativzinsen

Die SNB scheint sich zwar auch noch nach dem 15. Januar der Franken-Aufwertung durch Euro-Käufe entgegenstemmen zu wollen. Aber das ist wohl nicht mehr als ein «Rückzugsgefecht», das allenfalls die Geschwindigkeit der Franken-Aufwertung bremsen, aber nicht abwenden wird. Der neuerdings eingeführte Negativzins für Frankenguthaben (er beträgt derzeit -0,75 Prozent) wird daran wohl auch nichts ändern. Gleichwohl hat diese Maßnahme schädliche Nebenwirkungen.

Wer sein Geld zu einem Negativzins anlegt, macht Verluste. Sparen lohnt sich also nicht mehr. Die verzerrten Zinssignale sorgen für Fehlentwicklungen auf breiter Front: Kapitalfehlleitung und Blasenbildung auf den Aktien- und Immobilienmärkten, die in Finanz- und Wirtschaftskrisen münden. Die Negativzinspolitik ist lebensbedrohlich für das Bank- und Lebensversicherungsgeschäft. Allerdings lässt sich - den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten sei Dank - solch eine Politik nicht dauerhaft durchführen.


Absehbarer Crash

Investoren halten ein Schuldpapier mit einer negativen Verzinsung nur dann, wenn sie erwarten, dass sie dafür durch Kursgewinne entschädigt werden: dass also die Verzinsung weiter in den Negativbereich fällt und die Wertpapierkurse weiter steigen. Es ist jedoch absehbar, dass das irgendwann einen Endpunkt finden muss und es dann zu einem «Crash» auf den Kreditmärkten und der gesamten Volkswirtschaft kommt. Deshalb wird auch die Negativzinspolitik der SNB früher oder später zu Ende gehen - genauso wie die Mindestkurspolitik ein Ende gefunden hat.

Dass eine Franken-Aufwertung nicht allen gefällt, ist nicht verwunderlich. Exporteure und die heimische Tourismusbranche beklagen einen starken Franken-Außenwert, Importeure begrüssen ihn. Die Schweizer Bürger sollten sich vom Gewirr der unterschiedlichen Meinungen jedoch nicht verrückt machen lassen und zuversichtlich bleiben. Ihre Wirtschaft wird mit einer Franken-Aufwertung zurechtkommen. So, wie sie damit auch in den letzten Jahrzehnten fertig geworden ist. Der Markt sorgt dafür, wenn man ihn nur lässt.

Die Unternehmen werden beispielsweise ihre Absatzpreise senken, sollte das erforderlich sein, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Löhne werden abgesenkt, ohne dass die Arbeitnehmer dabei reale Einkommenseinbußen erleiden - weil ja die Kaufkraft ihrer Franken im Ausland steigt. Schweizer Bürger profitieren von niedrigeren Güterpreisen. Sie können sich mehr leisten. Das Beenden der Negativzinspolitik macht Sparen wieder lohnend, und die Inflation in den Immobilienmärkten wird gemildert, Wohnraum wird wieder bezahlbarer.



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