Goldkäufe der Chinesischen Zentralbank: Fakten vs. Spekulation
22.05.2015 | Jan Nieuwenhuijs
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Bemerkenswert ist, dass genau am selben Tag, als Reuters Wangs Aussage veröffentlichte, die chinesische Nachrichtenagentur Caixin einen Bericht über Gold veröffentlichte, der vom Hedgefonds-Manager Li Sheng verfasst wurde (26. März 2015): “Gold macht nur 1,6 Prozent der Devisenreserven Chinas aus. Das ist nur ein Bruchteil jener Zahlen, die für die Vereinigten Staaten und viele andere entwickelte Länder gelten. Sollte China jemals diesen Anteil auf 5% erhöhen, hätte das enorme Auswirkungen auf die globale Goldnachfrage.“
Es ist schon komisch, dass Li exakt dieselben Zahlen nennt wie Wang von World Gold Council am selben Tag: 1,6% und 5% der gesamten Devisenreserven. Würde China nun verkünden, man hätte 5% der eigenen Reserven in Gold angelegt, dann entspräche das einer Menge von knapp 5.000 Tonnen.
6) Jeremy East, globaler Geschäftsführer für den Bereich Metallhandel bei der Standard Chartered Bank (am 25. Juni 2014):
“Ich selbst war Ende Mai auf dem Shanghai Derivatives Forum; dort hielt auch ein Vertreter der [chinesischen] Gold Association eine Rede. Er vermittelte uns einen recht interessanten Eindruck davon, was in strategischer Hinsicht gerade in China passiert. Er redete unter anderem auch darüber, dass China den Plan habe, das Format der globalen Goldmärkte zu verändern. Er redetet darüber, dass China eine starke Währung haben sollte und dass diese Währung goldgedeckt sein sollte - wie der US-Dollar.
Er sprach davon, dass Menschen mehr Gold besitzen und rief zudem dazu auf, dass noch mehr Menschen Gold besitzen sollten. Es ging nicht nur um Privatpersonen, sondern auch um die Zentralbank. So betrachtet, bringt auch sie Gold ins Land, indem sie einerseits die Binnenproduktion fördert und andererseits in internationale Bergbaufirmen investiert und ihnen dann die Produkte abnimmt. China hat eine sehr freundliche Goldstrategie.“
Ich schließe nicht aus, dass die PBOC auch Gold von ausländischen Bergbauoperationen aufkauft. (Übrigens plant China nicht, die Landeswährung durch Gold “zu decken“, viel wahrscheinlicher ist es, dass China die eigene Währung mit Gold “unterstützen“ möchte - ohne festgeschriebenes Verhältnis.)
Viele dieser Hinweise haben eines gemeinsam: Sie deuten an, dass die PBOC ca. 500 Tonnen pro Jahr ankauft und die offiziellen Reserven daher bei ungefähr 3.500 t liegen müssten. Leider lässt sich das nicht mit Sicherheit sagen. Wir werden noch solange warten müssen, bis sich die chinesische Regierung entscheidet, eine Zahl zu veröffentlichen, die ihr passend erscheint; und diese Zahl könnte geringer sein als die eigentlichen Bestände.
Fakten und Spekulation
Wollen wir also einige Rechenbeispiele anstellen, um Fakten von Spekulation zu trennen. Im ersten Chart unten habe ich eine konservative Schätzung für die oberirdischen Gesamtreserven im chinesischen Festland grafisch dargestellt - nach Stand vom 31. März 2015.
Diese Schätzung gründet auf der Annahme, dass die PBOC überhaupt kein Gold seit 2009 angekauft hat. Der Startpunkt ist das Jahr 1994, als der chinesische Goldmarkt noch nicht liberalisiert war. Schätzungen von Precious Metals Insights (PMI) zufolge existierten 1994 auf dem chinesischen Festland - verteilt unter der Bevölkerung - ca. 2.500 t Gold. Im Chart sind sie als die dunkelgraue Schmuckbasis dargestellt.
Laut PBOC lagen die offiziellen Reserven der Zentralbank im Jahr 1994 bei 394 Tonnen. Seitdem steht China im Ruf, ein Goldimporteur zu sein, was nahelegt, dass das vor 1994 produzierte Gold exportiert worden sein könnte. Im nächsten Screenshot aus dem China Gold Market Report von 2010 lesen wir die Anmerkung: “Seit den 1990er [1994] Jahren ist China Goldimporteur.“
Zu Stützung der Theorie, dass China erst vor einigen Jahren ernsthaft Gold zu importieren begann (nicht aber schon in den 80er Jahren), schauen Sie sich bitte den folgenden Chart an, der den Goldhandel zwischen Hongkong und China darstellt. Ab 2010 beginnen die Nettoimporte deutlich in die Höhe zu schnellen.