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Auch an Chaos kann man sich gewöhnen und das ist auch besser so …

01.07.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1125 (08.01 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1112 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 122.70. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136.45. EUR-CHF oszilliert bei 1.0415.

Der Scherbenhaufen in und um Athen wird immer größer. Griechenland ziert jetzt die "Würde" erste Industrienation zu sein, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Keine Frage war das im höchsten Maße demokratisch legitimiert. "Chapeau"!

Das Hilfsprogramm ist ausgelaufen. Neue Verhandlungen sollen laut Frau Merkel erst nach dem Referendum stattfinden. Das erscheint eine rationale Vorgehensweise zu sein. Dagegen will Frankreichs Finanzminister Sapin noch vor dem Referendum eine Lösung anstreben. Dieser Vorschlag irritiert eher und mag der innenpolitischen Auseinandersetzung mit Frau Le Pen geschuldet sein, deren Ziel bekanntlich ein Frexit ist.

Sapin bemerkt, dass gerade die kleinen Länder einen harten Kurs gegen Athen forderten. Das mag verständlich sein, da diese kleinen Länder Regeln befolgten und Anstand und Würde zeigten (ein Gentleman zahlt seine Schulden, bei Halunken ist das seltener der Fall), weil sie verstanden, dass Fehlentwicklungen nicht durch eine Fortsetzung von Fehlentwicklungen geheilt werden können. So far, so bad …

Die Finanzmärkte haben nach einer moderaten Bewertungsanpassung vornehmlich am Aktienmarkt und bei den Kapitalmarktrenditen eine nüchterne und eher sachliche Haltung eingenommen. Das ist vor dem Hintergund der Faktenlage auch nicht zu beanstanden, sondern mehr als geboten.

An das griechische Chaos sind wir seit fünf Monaten gewöhnt. Das tragische Drama ist leider nicht beendet.

Der zweite Akt, den manche (auch wir!) mit der Hoffnung begleiteten, dass er der letzte Akt sein möge, endete ein wenig furios.

Der dritte Akt wird am Sonntag mit dem Referendum eröffnet. Unter Insidern wird gemunkelt, dass der Produzent des tragischen Dramas sogar Pläne für vierte und fünfte Akte aus der Hosentasche zaubern könne.

Die Geldgeber dieser Aufführung sind noch in der Meinungsfindung, in wie weit das Budget und die Linien gestreckt werden können, um auch das (noch) zu ermöglichen. Positiv ist anzumerken, dass nachhaltige Ansteckungseffekte in die Eurozone nicht vorliegen. Das Griechendrama findet zwar innerhalb der Eurozone statt. Es ist aber ein sehr eigenes "würdevolles" Drama, das zunehmend als isoliertes Phänomen Bewertung erfährt.

Die Konsequenzen trägt Griechenland. Zinsen steigen dynamisch, Ratings werden herabgesetzt. Sofern die Börse mal wieder öffnet, wird sie kaum fester als vorher notieren. Die Menschen verlieren vor Ort weiter ihre Jobs. Finanzmittel für den täglichen Bedarf werden kontingentiert. Der Tourismus bricht weg, nachdem unter der Regierung Samarras letztes Jahr der Tourismus ein Spitzenjahr lieferte.

Manch ein Grieche sollte sich sachlich fragen, ob die Situation vor Tsipras nicht vielleicht doch deutlich besser war …

Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Griechen. Wir haben Respekt vor der Demokratie. Griechen müssen dann aber auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen würdevoll ertragen, könnte man sagen, aber das machen wir hier heute nicht …

Außerhalb Griechenlands läuft die Eurozone mit dem höchsten Wachtumstempo seit 2011. Der strukturellen Gesundung der öffentlichen Haushalte folgt jetzt die konjunkturelle Gesundung der öffentlichen Haushalte.

Vor diesem Hintergrund ist es sehr wahrschinlich, dass das Thema Griechenland mehr und mehr an Destabilisierungspotential an den Finanzmärkten verlieren wird. Was es kosten kann, ist bekannt, wer es zu zahlen hätte, ist auch bekannt. Fraglos wäre es teuer, aber es ist definitiv nicht dramatisch.

Fakt ist, dass sich die Welt weiter dreht, dass 7,2 Mrd Menschen in ihren Grundbedürfnissen befriedigt werden müssen und dass die Weltwirtschaft den höchsten Wachstumsclip seit 2011 verzeichnet.

Mehr noch wartet der Aufbau der Infrastruktur als größtes Wachtumsprojekt seit Bau der chinesischen Mauer vor der Tür. Ach ja, Daimler geht nach Russland und Airbus baut ein weiteres Werk in China ...

Vor diesem Hintergrund beispielsweise Top Daxwerte (alles global Player) bei einem KGV unterhalb der historischen Norm (12) und einer Dividendenrendite von circa 2,7% wegen des isolierten Griechendramas zu verkaufen, könnte ambitioniert sein …

Ja, Chinas Frühindikatoren waren zuletzt ermutigend, Japans Tankan Report setzt positive Akzente, US-Wirtschaftsdaten konnten jüngst auch überzeugen.

Die US-Wirtschaft macht nach Einschätzung des Fed-Vizechefs Fisher Fortschritte und schafft damit die Voraussetzung für eine baldige Zinswende. Im zweiten Quartal sei die Wirtschaft womöglich wieder mit einer aufs Jahr hochgerechneten Rate von 2,5% gewachsen. Auf dem Arbeitsmarkt rücke Vollbeschäftigung näher.

Ja, Herr Fisher, wir widersprechen bei den aktuellen Konjunkturdaten nicht.

Fakt ist, dass Sie vor dem Hintergrund von Prognosen des BIP-Wachstums um 3% per 2015 die Zinswende propagierten. Fakt ist, dass die Wachstumsprognose von der Fed selbst auf circa 2% per 2015 reduziert wurde und das das schwächste Wachstum seit 2011 droht. Sind die Parameter, die Sie hier anlegen nicht ein wenig opportunistisch?

Beziehen sie sich nicht hier auf Wetterdaten (zyklische Indikatoren), wenn Sie als Zentralbanker nicht besser bei Zinspolitik auf Klimadaten (Strukturdaten) achten sollten …. Wiederholen Sie damit nicht genau den Fehler der vergangenen 15 Jahre?


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