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Kein Ausstieg aus dem Euro

05.07.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Das zeigt sich zum Beispiel in der zunehmenden Angleichung der Geldpolitiken unter den Vorgaben der US-Zentralbank, die sich ausrichtet an den Bedürfnissen des Banksystems, das sich unter dem US-Dollar internationalisiert hat.

Der Weg zur Vereinheitlichung duldet kein Ausscheren, kein Abweichen, kein furchtsames Zurückweichen. Nationale Politiken werden dem monetären Vereinheitlichungsbestreben untergeordnet.

Die Griechen haben zwar vielfach unter Beweis gestellt, dass sie für manche Überraschung gut sind, und dass gerade ihre Unberechenbarkeit es nicht ratsam erscheinen lässt, konkrete Prognosen anzustellen.

Doch vor dem Hintergrund des voranstehend Gesagten drängt sich doch die Schlussfolgerung auf, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass die Griechen im Euroraum verbleiben, egal wie das Referendum am 5. Juli 2015 ausfällt.


Meinungsführende US-Ökonomen üben Druck aus

Wie Amerika den Umgang mit der Griechenland-Krise beeinflusst

Eine Rolle regierungsnaher Ökonomen ist es, politischen Vorhaben eine ökonomische Legitimation zu geben. Der ehemalige US-Finanzminister und Starökonom Laurence H. Summers geißelt bei seinem Besuch in Europa am 29. Juni 2015 den Umgang mit der Griechenlandkrise. Er zeichnet ein Schreckensszenario: "Ich fürchte, dass wir in fünf Jahren den Juni 2015 so sehen werden wie wir heute den Juli 1914 sehen."

Sein Plädoyer: Die Weltwirtschaft kann sich nicht leisten, dass Griechenland den Euroraum verlässt. Ebenfalls am 29. Juni 2015 veröffentlicht Joseph E. Stieglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger im Jahr 2001, einen Aufsatz in der englischen Zeitung The Guardian (mit dem Titel "How I would vote in the Greek referendum"). Die von der Staatengemeinschaft eingeforderte Sparpolitik führe, so Stieglitz, Griechenland in eine Depression, in das schlimmste Szenario also, das (Hauptstrom-)Ökonomen an die Wand malen können.

Stieglitz sagt dem Leser zwar nicht, wie er im Referendum am 5. Juli wählen würde. Man ahnt es jedoch: Er würde vermutlich "Nein" sagen, denn das wäre ein Weg, der es Griechenland erlauben könnte, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Mit oder ohne Euro? Dieser entscheidenden Frage geht Stieglitz in seinem Artikel jedoch nicht nach.

Es wäre blauäugig zu meinen, dass derartige Politikforderungen wirkungslos verhallen im unablässigen Strom der Nachrichten. Schließlich stammen sie von angesehenen und "praxiserfahrenen" Ökonomen, die über die Interessen und Wünsche der Mächtigen sehr wohl wissen. Das wissen natürlich auch alle, die im Politikapparat mitwirken. Zwei namhafte US-Ökonomen haben den Regierenden in Europa also eine klare Botschaft überbracht.

Gibt es Gegenargumente? Hier und da gibt es Verteidigungen der bisher verfolgten Politik. Aber sie haben bei Weitem nicht die Durchschlagskraft wie die Botschaft der Amerikaner. Vor allem aber haben die Regierenden in Europa jetzt die nötige intellektuelle Unterstützung, um der ohnehin schon immer ungeliebten Regeltreue, der einengenden Haushaltsdisziplin ein Ende zu setzen.

Hält man Griechenland im Euro, wird man bald vieles tun können, was derzeit noch Tabu ist: mehr Schulden machen, mehr Geld drucken. Der Anreiz für die Regierenden, Griechenland im Euro zu halten, ist größer denn je.


Griechische Zentralbank hält griechische Banken zahlungsfähig

Open in new windowDie Bilanz des griechischen Bankensektors ist seit Juni 2010 von 544,7 Mrd. Euro auf nunmehr 391,6 Mrd. Euro im Mai 2015 (letzte verfügbare Zahl) geschmolzen. Dies lag vor allem an den gesunkenen Bankeinlagen. Sie nahmen von 228,8 Mrd. Euro auf 138,6 Mrd. Euro ab - vermutlich vor allem durch Barabhebungen, aber auch durch Transfers von Guthaben in das Ausland.

Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank (EZB) die griechischen Banken mit "Notkrediten" (man bezeichnet sie auch als "Emergency Liquidity Asisstance" oder kurz "ELA") über Wasser gehalten. Im Mai 2015 hatte die Bank von Griechenland Kreditforderungen gegenüber griechischen Banken in Höhe von 116,4 Mrd. Euro - im Vergleich zu 94,2 Mrd. Euro im Juni 2010.

Am Sonntag, den 28. Juni 2015, hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen, die "Notkredite", die den griechischen Banken gewährt werden, auf dem aktuellen Stand (das heißt bei etwa 90 Mrd. Euro) "einzufrieren".

Die bestehende Kreditlinie wurde nicht gekürzt, sie wurde aber auch nicht ausgeweitet; griechischen Banken wird aktuell also keine unbegrenzte Liquidität mehr gewährt.

Die EZB hat es in der Hand, ob die griechischen Banken zahlungsfähig bleiben oder nicht. Der Rat der EZB ist damit die eigentliche Machtzentrale geworden, die über die Zukunft Griechenlands befindet - und nicht nur über Griechenlands Zukunft, sondern auch aller anderen Staaten und Banken im Euroraum. Denn mittlerweile sind viele Staaten und Banken mehr denn je abhängig von billigem Geld, dass die EZB verleiht.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Siehe hierzu unseren Artikel "Mausefallenwährung", Degussa Marktreport.




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