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Griechenland - (K)ein Sommermärchen

16.07.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0922 (07.51 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0912 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 123.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.30. EUR-CHF oszilliert bei 1.0426.

Eine schwierige Geburt war es. Aber am Ende hat es dann doch ein weniger knappes Ergebnis als befürchtet bei der Abstimmung im griechischen Parlament über das dritte Hilfspaket gegeben.

Während vor dem Parlamentsgebäude 12.000 Griechen lautstark und teilweise mit Gewalt demonstrierten und auch innerhalb des Plenums die Fetzen flogen, kam ein Ergebnis von 229 Ja-Stimmen zu 64 Nein-Stimmen zu Stande. Damit ist beurkundet, dass das Hilfspaket formell angenommen ist.

Die Äußerungen der Beteiligten dokumentieren chaotische und stark irritierende Wahrnehmungsverzerrungen. Tsipras und auch der neue Finanzminister votieren somit für ein deutlich strengeres Paket als zuvor, sprechen aber gleichzeitig von Erpressung und Misserfolg. Warum dann die Ja-Stimmen?

Trotz oxi-Votums der Bevölkerung vor einer Woche stimmt das Parlament nun anders.

Kein Wunder, dass in diesem Chaos ein Auseinanderbrechen der Regierung im Raum steht. Eine so geschwächte Minderheitsregierung ist nur schwer in der Lage die angekündigten Reformen durchzuführen.

Der Ball liegt inzwischen aber nicht mehr in Griechenland. Jetzt ist der Bundestag an der Reihe. Trotz diverser Abweichler ist aber keine Überraschung zu erwarten. Auch in den anderen Parlamenten ist der Vorgang kein Selbstläufer, aber von grundsätzlicher Zustimmung zu Rettungspaket Nr. 3 auszugehen.

Eine Brückenfinanzierung muss jetzt super kurzfristig auf die Beine gestellt werden, schon Montag stehen neue Anleihefälligkeiten auf der Agenda, die Griechenland besser nicht ausfallen lassen wird. Die Mittel aus dem Rettungsschirm stehen (noch) nicht zur Verfügung. Hier müssen erst noch Winkelzüge unternommen werden, bevor diese Mittel aktiviert werden können.

Auf der später anstehenden EZB-Pressekonferenz (ab 14.30 Uhr) werden Hinweise zu dem Thema ELA-Hilfen erwartet. Weitet die EZB nun die Hilfen von knapp 89 Milliarden Euro aus, um den griechischen Banken wieder Luft zum Atmen zu geben und diese wieder öffnen zu lassen? Ohne eine Ausweitung der Mittel werden die Banken nicht öffnen können und es bleibt dunkel an vielen Geldautomaten.

Trotz der Nachrichten aus Griechenland geht der Euro heute Morgen zurück gen 1,09-Marke. Zurück zu führen ist dies auf Aussagen der US-Notenbankchefin Janet Yellen. Sie sieht die Chance, dass sich die heimische Wirtschaft nach dem schwachen ersten Quartal deutlich schneller erholen könne und die niedrigen Energiekosten den wichtigen Konsum befeuern würden, so Yellen. Damit sei die Zinswende in 2015 möglich.

Die Klaviatur der weichen Töne wurde damit vor dem Finanzausschuss des Kongresses ein weiteres Mal gespielt. Trotzdem reagieren die Devisenmärkte erneut auf diese Töne. Zwar ist mit einer erstmaligen Erhöhung der Zinsen erstmals im September (30% Wahrscheinlichkeit), noch eher im Dezember (60%) zu rechnen. Eine Erhöhung wird kommen, da stimmen wir zu. Aber weder weil der Arbeitsmarkt so positive Entwicklungen zeigt, noch weil die Wirtschaft brummt. Nein, vielmehr weil die FED seit Monaten eine ebensolche in Aussicht stellt.

  • Wo ist der wirtschaftliche Aufschwung?
  • Wie ist die qualitative Entwicklung am Arbeitsmarkt?
  • Warum sollte der (schuldenfinanzierte) Konsum anspringen?
  • Wer soll die steigenden Zinsen bezahlen können?
  • Wie entwickeln sich zuletzt die Energiepreise?
  • Was machen andere Notenbanken? Kanada?

All diese Fragen und noch andere Punkte stellen den angekündigten Zinspfad deutlich in Frage. Die Einlassungen von Frau Yellen zeigen vielmehr, dass die FED den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung so weit wie eben möglich in die Zukunft verschieben möchte, in der Hoffnung auf wirtschaftliche Stabilisierung (die von außen kommen soll?). Auch wenn das zweite Quartal deutlich stärker ausfallen sollte als das erste, ist die Konjunktur nicht von selbsttragenden Kräften geprägt, die eine Zinswende finanzierbar machen.

Vielmehr ist die FED in die Bredouille geraten und muss früher - oder später - endlich liefern. Dabei gehen wir aber von ein oder zwei Erhöhungen ab Ende 2015 / Anfang 2016 aus, bevor das Rad zurück gedreht werden muss oder sogar über ein weiteres QE-Programm nachgedacht werden könnte.

Neben Zukunftsaussichten spielt aber auch das Jetzt eine Rolle, deshalb noch ein Blick auf die Fundamentaldaten von Gestern:

Eine schwache Zahl lieferte die das verarbeitende Gewerbe in den USA, die ihre Produktion im Juni nicht gesteigert hat. Unter anderem die bisher starken Automobilbauer konnten die Pace des Vormonats nicht halten und stellten 3,7 Prozent weniger Fahrzeuge her als zuletzt. Ohne den deutlich rückläufigen KFZ-Sektor hätte der Wert 0,3 Prozent betragen.

Die gesamte Industrie (besteht aus verarbeitendem Gewerbe, Energiesektor und Bergbau) konnte den zweiten Monat in Folge leicht um 0,3 Prozent zulegen.

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Stärker als erwartet sind die Produzentenpreise in Amerika gestiegen. Mit einem Anstieg von 0,4 Prozent lag die Entwicklung über der Konsensprognose von 0,2 Prozent. Im Mai lag der Wert mit 0,5 Prozent sogar noch darüber, wie der Chart verdeutlicht. Der Aufwärtstrend der Energiepreise hat sich mit 2,4 Prozent im Gegensatz zum Mai (+6 Prozent) zwar verlangsamt, bleibt aber weiterhin aktiv. Alleine zwischen März und Mai hat die US-Ölsorte WTI um 20 Prozent zugelegt. Aber auch der größte Anstieg der Kernrate in diesem Jahr (Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel) mit 0,4 Prozent überraschte.

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Deutlicher als prognostiziert legte das verarbeitende Gewerbe im Bezirk der New Yorker FED zu. Es wurde mit einer Zunahme von -1,98 Punkte auf 3 Zähler gerechnet, tatsächlich wurde der Juliwert bei 3,86 Punkten festgestellt. Damit stehen die Zeichen in dem Großraum New York wieder auf (geringes) Wachstum.

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Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0800 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



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