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Spekulation auf die US-Zinswende treibt den USD - Faktencheck

05.08.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0870 (07.58 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0851 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 124.34. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.15. EUR-CHF oszilliert bei 1.0635.

Während die Eurozone immer wieder mit unerwartet positiven Daten Akzente setzt und Wachstumsprognosen nach oben korrigiert werden müssen, erleben wir genau das Gegenteil bezüglich der US-Wirtschaft.

Die Erwartungen bezüglich der US-Konjunktur werden enttäuscht. Mit diesem Phänomen sind wir seit der Beendigung der quantitativen Maßnahmen im Herbst letzten Jahres konfrontiert. Alle BIP-Prognosen des Mainstreams wurden beispielsweise seit diesem Zeitpunkt zum Teil deutlich verfehlt.

Mehr noch basiert dieses US-Wachstum auf einer Alimentierung durch öffentliche Defizite in Höhe von voraussichtlich 4,7% -5,0% des BIP per Kalenderjahr 2015. Die Eurozone wird mit circa 2,0% - 2,3% wesentlich besser abschneiden. In wie weit ist die US-Konjunktur von selbsttragenden Kräften geprägt, die eine Zinswende in nachhaltiger Form erlauben würde?

Vor diesem Hintergrund wäre es angemessen über eine Beendigung der QE-Maßnahmen der EZB zu spekulieren!

Ist es sachlich angemessen in dieser Zeitspanne von zehn Monaten, über eine USZinswende latent und lautstark zu räsonieren? Handelt es sich nicht um eine Verbalakrobatik ohne fundamentalen Unterleib? Gestern lieferte Dennis Lockhart, seines Zeichens Gouverneur der Federal Reserve Atlanta, verbale Kunst zu diesem Thema.

Lockhart betonte seine Bereitschaft, im September eine Erhöhung der US-Leitzinsen mitzutragen. O-Ton: "Es müsse schon eine deutliche Verschlechterung der Lage in der USWirtschaft eintreten, damit er einen solchen Schritt nicht unterstütze." Ja, Herr Lockhart, wir haben auch heute fundamentale US-Analyse, die vielleicht auf ersten Blick Ihrer Verbalakrobatik entspricht.Der zweite Blick auf diese Daten fällt jedoch prekär aus und steht im diametralen Widerspruch zu der Notwendigkeit der von Ihnen unterstützten US-Zinswende.

Der erste Blick: Der Auftragseingang nahm in den USA per Berichtsmonat den Erwartungen entsprechend im Monatsvergleich um 1,8% zu, nachdem es im Vormonat zu einem Rückgang um -1,1% (revidiert von -1,0%) gekommen ist. Ohne den volatilen Transportsektor war es ein Anstieg um 0,5% nach zuvor -0,1% (revidiert von +0,1%).

Genießen wir diese Daten visuell via Chart:

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Losgelöst von den Monatsveränderungen wird deutlich, dass das Niveau der USAuftragseingänge sich auf dem Level des Jahres 2012 bewegt. "Food for thought!"

Damit kommen wir zum zweiten Blick: Im Jahresvergleich ergibt sich ein Bild, das von latenter und ausgeprägter Schwäche geprägt ist. Eine solche Phalanx von acht Rückgängen am Stück auf Jahresbasis hat es in der Vergangenheit nur in Phasen einer Rezession in den USA gegeben.

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Nun könnte Herr Lockhart darauf verweisen, dass der produzierende Sektor in den USA (circa 12% der Gesamtwirtschaft) im Vergleich zur Eurozone eine untergeordnete Rolle spielt.

Die USA haben doch eine vom Konsum getriebene Ökonomie. Letzte Daten sagen aus, dass 76% des US-BIP mit dem Konsum in Verbindung stehen.

Wir nehmen diesen fiktiven Einwand ernst und bedienen uns zur Klärung dieses Komplexes nicht offizieller US-Daten, sondern der Daten des Gallup-Instituts bezüglich der privaten Ausgaben der US-Haushalte.

Gegenüber den offiziellen US-Daten haben wir hier zunehmend Vorbehalte ob der saisonalen Anpassungen oder Erfassungsmethoden, die unseres Erachten zumindest in Teilen nach Notwendigkeiten des Marketing und nicht den realen Gegebenheiten gestaltet sind.

Der Chart der Gallup-Daten zeichnet in der blauen Linie das Niveau der Ausgaben an (linke Skala) und liefert mit den roten und grünen Balken den Vergleich zum Vorjahr. Saldiert man den Jahresvergleich von Januar bis Juli kam es zu einem Rückgang bei Privatausgaben im Jahresvergleich in Höhe von 11 Mrd. USD.

Sehr geehrter Herr Lockhart ist das Wachstum oder Kontraktion?

Um bei Ihrer Diktion zu bleiben, wie viel schwächer muss die US-Wirtschaft noch werden, um die Zinswende in den USA zu verhindern?

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Aus Gründen der Aktualität nehmen wir nachfolgenden Teil des gestrigen Reports an dieser Stelle noch einmal auf, denn wenn das fundamentale Bild keine Grundlage für die Forcierung der Zinswende in den USA ist, muss es eine andere Maßgabe dafür geben. Kann es sich um eine geopolitische Agenda der US-Regierung handeln?

Mangels belastbarer konjunktureller Grundlagen für eine Zinswende in den USA drängt sich ein anderes zunächst rein theoretisches Thema auf:

Soll durch eine US-Zinswende der Sektor der aufstrebenden Länder mit ihren neuen Strukturen der AIIB und der New Development Bank destabilisiert werden, solange es noch eine Abhängigkeit dieser Länder (USD-Kredite) von der US-Leitwährung gibt?

In welchem Zusammenhang steht dazu die Baisse an den US-Rohstoffbörsen, die von wenigen US-Banken in der Preisfindung (Futures) bestimmt sind? Wird dafür auch konjunktureller Schaden in den USA in Kauf genommen?

Wir haben noch keine Antworten auf diese Fragestellungen. Die Fragen sind bezüglich der aktuellen geopolitischen Auseinandersetzungen jedoch zu stellen.

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0800 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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