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Asymmetrie der Wahrnehmung - Sorgen um China erhöhen Risikoaversion

19.08.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1055 (07.55 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1019 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 124.32. In der Folge notiert EUR-JPY bei 137.45. EUR-CHF oszilliert bei 1.0795.

Positive Nachrichten aus der Eurozone fallen an den Finanzmärkten weiter der asymmetrischen Wahrnehmung zum Opfer. Identisches passiert bei negativen Daten aus den USA, wie beispielsweise bei dem dramatischen Einbruch des NY-Fed Manufacturing Index. Positive US-Daten (siehe unten), auch wenn nur marginal besser als erwartet, haben dagegen volle Traktion am Devisenmarkt. „Chapeau!“

Hinsichtlich der Situation in China ist der Finanzmarkt voll sensibilisiert. In der Tat kam es in den ersten drei Werktagen dieser Woche an Chinas Börsen wieder zu einem Ausverkauf. Die Kurse einiger Indices brachen um circa 10% ein.

Der Finanzmarkt reagiert auf diese Daten so, als hätte der chinesische Aktienmarkt, der gar nicht in voller Breite fällt oder in voller Breite überbewertet ist, dieselbe makroökonomische Wirkung wie der Aktienmarkt in den USA.

Dabei gibt es jedoch einen markanten Unterschied, den die Finanzmarktteilnehmer ausblenden: In China sind wir mit einer vom Einkommen getriebenen Ökonomie konfrontiert, ganz anders als in den USA, wo wir mit einer „Asset-driven Economy“ konfrontiert sind.

In dem Modell der USA ist die Wechselwirkung zwischen der Bewertung der Aktien- und Immobilienmärkte mit der Gesamtkonjunktur ausgeprägt, in China dagegen nicht. Damit soll das Problem in China nicht klein geredet werden, es soll aber Sachlichkeit forciert werden. Die undifferenzierte Art der Bewertung durch die Finanzmärkte bedarf einer kritischen Würdigung. Um die Komplexität des chinesischen Aktienmarkts zu erfassen, erlauben wir uns die unterschiedlichen Indices nachfolgend darzustellen.

Achten Sie auf die letzten drei Spalten mit KGV, Dividendenrendite und die prozentuale Veränderung seit Jahresbeginn:

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Zu Ihrer Kenntnisnahme verweisen wir darauf, dass die Kurs Gewinn Verhältnisse des Dow Jones derzeit bei 16 und des Nasdaq bei 28 liegen.

Im Gegensatz zu den USA mit einem voraussichtlichen Wachstum von unter 2%, wächst China mit mehr als 6,5%. Länder mit hohem Wachstum haben grundsätzlich auch höhere KGVs. Aus unserer Sichtweise, ist es gesund, dass die Überbewertungen, die in einigen Indices gegeben sind, abgebaut werden. Es ist richtig, dass auch Lernkurven bei Margin Debt erzwungen werden. Es ist auch richtig, dass die Anpassung schmerzt. Nur dann gibt es Lernkurven bei den Akteuren. Machen Sie sich bitte Ihre eigenen Gedanken.


Wir freuen uns über die Nachrichtenlage aus der Eurozone:

Der alte Aristoteles (Strukturreformen und ihre konjunkturellen und haushaltstechnischen Folgen), auf den wir hier mehrmals verwiesen, lächelt freundlich vom Olymp. Spanien bestätigt seine Thesen eindrucksvoll. Spaniens Notenbankchef Linde erwartet weitere Fortschritte auf dem Arbeitsmarkt. Im 4. Quartal könnte die Erwerbslosenquote auf rund 20% sinken. Spaniens Wirtschaft hatte zuletzt so kräftig zugelegt wie seit Anfang 2007 nicht mehr.

Auch die Nachrichtenlage aus Griechenland weckt mindestens ein wenig Hoffnung. Als Reaktion auf das Hilfspaket hat die Agentur Fitch die Bonität Griechenlands um eine Stufe auf jetzt CCC von bisher CC heraufgestuft. Die griechische Regierung hat die Kapitalverkehrskontrollen leicht gelockert. So sind nun Auslandsüberweisungen bis zu 500 Euro pro Monat möglich. Hinsichtlich einer verbesserten Liquiditätslage der griechischen Banken hat die EZB den Rahmen der ELA-Mittel von bisher 91 Mrd. auf 89,7 Mrd. Euro reduziert. Das Parlament Spaniens stimmte gestern dem Hilfspaket für Griechenland mit sehr hoher Mehrheit zu.


Werfen wir einen Blick über den Atlantik:


Konsequenzen des festen USD: Exporte auf Containerbasis sanken per Juli auf Monatsbasis um 5,8%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Rückgang um 29%. Dahinter steht aber nicht nur der feste USD, sondern auch eine Abschwächung der Wachstumsdynamik in den USA, seitdem das QE-Programm eingestellt wurde. Wir sind irritiert, dass diese wesentlichen Daten und Zusammenhänge offensichtlich in dem Offenmarktausschuss ebenso wenig sachlich diskontiert werden, wie am Finanzmarkt.

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Die US-Neubaubeginne setzten gestern bezüglich der Erwartungshaltung positive Akzente. Per Juli kam es zu einem Anstieg von 1.204.000 (revidiert von 1.174.000) auf 1.206.000 Objekte in der annualisierten Darstellung. Die Prognose lag bei 1.190.000 Objekten. Real (=nicht annualisiert) lag die Outperformance gegenüber der Prognose damit bei circa
1.100 Objekten gegenüber der Prognose.

In der Berichterstattung sprach man in der Analyse von einem Boom in diesem Sektor der US-Wirtschaft. Nachfolgender Chart belegt alles andere als einen Boom. Es handelt sich immer noch um eine historisch völlig unterproportionale Entwicklung insbesondere vor dem Hintergrund einer wachsenden Bevölkerung.

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© Reuters


Das gilt um so mehr, als dass die Baugenehmigungen sportlich um 16,3% kollabierten. Hier wurden alle Prognosen verfehlt. Es kam in der annualisierten Darstellung zu einem Rückgang von 1.337.000 auf 1.119.0000 Baugenehmigungen. Die Prognose war bei 1.232.000 Genehmigungen angesiedelt. Bezüglich der Interpretation ist hier jdoch Vorsicht geboten. Es gab in einigen Bundesstaaten Steueranreize, die ausliefen. Entsprechend waren die Genehmigungen in den Vorperioden untypisch hoch.

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© Reuters


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0800 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank


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