Suche
 
Folgen Sie uns auf:

US-Zinswende verspätet sich - EZB will keine Aufwertung des Euros?

27.08.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1350 (07.54 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1292 im US- Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 119.98. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136.15. EUR-CHF oszilliert bei 1.0813.

US-Zinswende verspätet sich …

Der Chef der NY Fed Dudley hält eine Anhebung der Zinsen im September wegen der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten für weniger angemessen. "Das scheint für mich weniger zwingend zu sein als noch vor ein paar Wochen. Das weltweite Beben an den Finanzmärkten habe die Risiken für die US-Wirtschaft erhöht.“ Dudley will vor einer Entscheidung über den Zeitpunkt des Zinsschrittes weitere US-Konjunkturdaten sehen.

Lieber Herr Dudley,

Bei Ansicht der US-Konjunkturdaten seit Ende des QE-Programms dürfte es Ihnen auffallen, dass die Prognosen der Federal Reserve schlicht weg und ergreifend zu rosig waren. Wenn Sie sich auch noch die Mühe machten, die US-Strukturdaten in Ihre zyklische Betrachtung einzubeziehen, da die Struktur die zukünftige Zyklik bestimmt, müssten Sie nicht auf Verwerfungen seitens der internationalen Finanzmärkte verweisen, um die seit 18 Monaten überfällige Zinswende weiter zu verschieben.

Dudley betonte jedoch, dass man noch sehr weit von einer neuen Runde QE entfernt sei.

Wir sprachen im Jahresausblick 2015 davon, dass wir im 4. Quartal 2015 mindestens über QE4 reden werden. Das war eine Fehlprognose, die ich zu entschuldigen bitte. Wir sind bereits im 3. Quartal 2015 so weit. Wir nehmen den Begriff "noch" mit einem Lächeln um die Mundwinkel zur Kenntnis.

Fakt ist, dass bezüglich der Bedeutung der NY Fed eine Zinswende per September im höchsten Maße unwahrscheinlich geworden ist. Es stellt sich die Frage, ob eine echte Zinswende bezüglich der Strukturdefizite in den USA überhaupt möglich ist?

Der EZB-Chefvolkswirt löste gestern Euroschwäche aus! - "Chapeau"

EZB-Chefvolkswirt Praet sieht verstärkte Risiken bezüglich des Erreichens des Inflationsziels der EZB. O-Ton: "Die jüngsten Entwicklungen in der Weltwirtschaft und auf den Rohstoff-Märkten haben das Abwärtsrisiko erhöht, einen nachhaltigen Inflationspfad in Richtung 2% zu erreichen".

Der Rat der EZB werde alle Informationen genau beobachten. Die EZB sei willens und auch fähig zu handeln, falls dies nötig sein sollte. Zweifel sollten an der Entschlossenheit der EZB nicht aufkommen. Mit anderen Worten drohte Herr Praet mit der Bazooka II. So hat der der Devisenmarkt reagiert, der Euro verlor von mehr als 1.1450 auf zutiefst 1.1292. Das nehmen wir zur Kenntnis Herr Praet.


Reden wir über Inflation und Preisinflation:

Inflation ist grundsätzlich ein monetäres Phänomen. Die Preisinflation oder die Preisdeflation ist lediglich die daraus resultierende Funktion. Das wissen auch Zentralbanker … Mehr noch gibt es Inflations/Deflationsentwicklungen aus der eigenen Wirtschaft und Struktur (endogene Einflüsse), auf die die Politik einer Zentralbank Einfluss hat.

Es gibt aber auch exogene Faktoren, beispielsweise die Entwicklung der internationalen Rohstoffpreise, die nicht ansatzweise von einer nationalen Zentralbank beeinflusst werden können, es sei denn sie hat ein direktes oder indirektes Mandat an den internationalen Future-Märkten … Wenn Rohstoffpreise fallen, allen voran Energiepreise, ist das eine Wohltat für Verbraucher und Industrie.

Die Verbraucher erhalten Raum die dadurch frei werdenden Mittel für andere Zwecke zu verwenden (Konsum) oder ihre Bilanz zu verstärken (Struktur). Unternehmen optimieren damit ihre Profitabilität und Wachstumschancen mit positiven Impulsen für Beschäftigung. Damit ergeben sich daraus volkswirtschaftlich relevante Lohnsummeneffekte.

Sind diese Zusammenhänge dem EZB-Rat ausreichend bewusst? Analysiert die EZB Preisinflation nur nach Quantität oder auch Qualität (endogene versus exogene Effekte)? Oder geht es nur darum, den Euro auf dem ermäßigten Niveau zu binden?


Resümme:

Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit, das Thema des Abwertungswettlaufs (unter anderem deswegen 1929/32 von der Rezession in die Depression) an den internationalen Devisenmärkten in aggressiver Art und Weise zu belegen. Es mehren sich aber die expliziten als auch impliziten Indizien einer solchen Entwicklung. Das nehmen wir besorgt zur Kenntnis.

Fakt ist, dass in den letzten zwei Jahren zwischen dem Westen und den aufstrebenden Ländern durch die westliche Geopolitik massive Mauern aufgebaut wurden. Fakt ist, dass damit dem Thema Entglobalisierung die Hand gereicht wurde und wird.

Eine solche Entglobalisierung senkt das zukünftige Potentialwachstum, es erhöht die globalen Sicherheitsrisiken, es verschärft Krisenrisiken und setzt tendenziell deflationäre Impulse. War die Zusammenarbeit in der Krise 2008/2009 länderübergreifend homogen und aus diesem Grunde erfolgreich, ergibt sich jetzt eine andere Ausgangsposition, die bezüglich des internationalen Krisenmanagements mehr Instabilität verspricht.

Damit nähert man sich der Ausgangssituation vor 1929/32. Wehret den Anfängen! Politische und geopolitische Naivität könnten extrem teuer werden. Das gilt vor allen Dingen für starke Exportnationen!


Aus den USA erreichten uns auf den ersten Blick positive Konjunkturdaten:

Die Auftragseingänge für langlebige Wirtschaftsgüter legten per Berichtsmonat Juli im Monatsvergleich um 2,0% zu. Die Prognose lag bei -0,4%. Mehr noch wurde der Vormonatswert von +3,4% auf +4,1% revidiert.

Der Blick auf nachfolgenden Chart verdeutlicht jedoch losgelöst von den letzten beiden positiven Monatsergebnissen, dass das Niveau des Auftrageingangs im bisherigen Jahresverlauf dem des Jahres 2014 bestenfalls entspricht. Wachstum sieht anders aus.

Open in new window

Werfen wir einen Blick auf die Jahresvergleichsraten!

1. Nicht saisonal bereinigte Fassung:

Open in new window

2. Im nächsten Chart wird der volatile Transportsektor ausgeblendet:

Open in new window

Herr Dudley, das ist ernüchternd!

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1170 - 1.1200 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!



Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"