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Absurditäten …

11.09.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1292 (07.53 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1172 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 120.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 136.35. EUR-CHF oszilliert bei 1.0986.

Zum Wochenausklang widmen wir uns den Absurditäten, die uns tagtäglich begleiten:

Bei diesem Thema sind wir förmlich gezwungen, die EZB-Politik und die EZB-Verbalakrobatik einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Herr Draghi und seine Gefolgschaft haben auf der letzten EZB-Ratssitzung deutlich gemacht, dass das monetäre Gaspedal mehr im Fokus ist, als die gesamte Bremsanlage. Man thematisierte einmal mehr Risiken für den Konjunkturverlauf und sprach von einem wackeligen Fundament der konjunkturellen Expansion. Der Faktencheck, sehr geehrter Herr Draghi, sieht deutlich anders aus.

Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage. Demnach steht Deutschland vor einem Boom, Irland ist Powerhouse der Eurozone und Spanien übertrifft dynamisch alle Erwartungen.

Das von uns sehr geschätzte Institut für Weltwirtschaft sieht Deutschland auf dem Weg zur Hochkonjunktur. O-Ton: "Die deutsche Wirtschaft expandiert nach und nach in die Hochkonjunktur." Das IfW rechnet per 2016 mit einem Anstieg des BIP um 2,1%.

Nach guten Konjunkturdaten erhöhte die irische Regierung die Wachstumsprognose per 2015 deutlich von 4% auf circa 6%. "Natürlich wächst die Wirtschaft im dritten Quartal sehr stark", betonte Finanzminister Noonan. Unter dem Strich werde im Gesamtjahr ein Plus von etwas über oder unter 6% übrig bleiben. Die Regierung rechnet nun damit, dass die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft bis Ende des Jahres unter die Marke von 100 Prozent des BIP fallen.

Die spanischen Unternehmen steigerten die Produktion per Juli zum Vorjahresmonat um 5,2%. Die Prognose lag bei nur 4,3%. Damit wurde der höchste Anstieg seit 15 Jahren markiert. Die Hersteller von Maschinen, Anlagen und anderen Investitionsgütern sowie die Energieversorger schafften sogar ein Wachstum von circa 10%.
Sorry, Herr Draghi, aber die jüngsten Einlassungen auf der EZB-Ratssitzung sind vor diesem Hintergrund absurd.

Noch absurder wird es, wenn man den Verlauf des Wachstums der Eurozone seit 2013 betrachtet, der latent von der EZB unterschätzt wurde. Fakt ist, dass es jüngst zu Revisionen des BIP per 2015 kam, die dazu führten, dass der Wachstumspfad im 1. Halbjahr deutlich höher als prognostiziert ausfiel.

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Die Frühindikatoren der OECD für die Eurozone sprechen ganz im Gegensatz zu den USA und dem UK eine eindeutige Sprache, oder fallen diese Daten der asymmetrischen Wahrnehmnung der Anaylseabteilung der EZB zum Opfer?

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Diese Datenlage, Herr Draghi, erlaubt (faktisch erzwingt) eine Diskussion über eine vorzeitige Beendigung der quantitativen Maßnahmen, auch weil mit der QE-Politik Marktfunktionen und Strukturen (u.a. LV, Geschäftsmodelle der volkswirtschaftlich verantwortlich agierenden Finanzinstitute, z.B. Sparkassen und Volksbanken) untergraben werden und damit potentielle systemische Unfallrisiken erhöht werden.

Man ist sich offensichtlich nicht der Risiken, die im Beipackzettel dieser monetären Medizin eindeutig definiert sind, im Klaren oder man agiert fahrlässig.

Bezüglich der Faktenlage sollte nicht die Diskussion über die absurde US-Zinswende geführt werden, sondern eine sachliche und begründete Debatte über ein vorzeitiges Ende der QEPolitik! Meine persönliche durchgängige Loyalität gegenüber der EZB-Politik bis zur Einführung der Nullzinspolitik und der QE-Maßnahmen, erfährt zunehmend eine nicht unerhebliche Erschütterung!

Damit kommen wir zum nächsten Akt der Absurdität, der US-Zinswende: Es ist schon zu bewundern, wie der anstehende Ausstieg der US-Zentralbank aus einer "echten Zinswende (2017 fed funds höher als 2,5%)" politisch und medial organisiert wird. Dabei wird das strukturelle und partiell konjunkturelle Dilemma der USA ausgeblendet und die Rolle der verantwortungsvollen Führungsmacht bezüglich der Verwerfungen der aufstrebenden Länder in den Vordergrund gerückt.

Das Dilemma der US-Wirtschaft lässt sich unter anderem am Lagerzyklus festmachen. Zwar sanken die Lagerbestände im Großhandel per Juli um 0,1%, aber die Absätze sanken um sportliche 0,4%. Das Niveau der Absätze bewegt sich auf dem Level ende 2013, während die Lagbestände aktuell historische Höchstwert erzielen.

Chart Lagerbestände Großhandel:

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Chart Absatz Großhandel:

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In der Folge bewegt sich das Verhältnis ziwschen Lagerbestand zu Absatz mit 1,30 Monatsumsätzen auf einem kritischen Niveau.

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"Food for a lot of thought!"

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.1000 - 1.1400 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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