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Konturen der US-Zinswende verschwimmen - Neue EU-Töne gegenüber Russland

09.10.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1287 (07.37 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1212 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 120.00. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.45 EUR-CHF oszilliert bei 1.0905.

Das Thema US-Zinswende bleibt uns erhalten, aber die vom Markt so klar und unmissverständlich gesehenen und erwarteten Umrisse des Einstiegs in die Zinswende verschwimmen zusehends.

Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve sieht auf dem Weg zu Zinswende Probleme. Man erwartet immer noch mehrheitlich, dass die Bedingungen für den Start in die Zinswende bis zum Jahresende gegeben sein dürften, doch die geringe Preisinflation bereite Sorge. Der Preisverfall im Sektor Energie/Rohstoffe und die den Export belastenden Folgen der Aufwertung des USD werden bezüglich der Inflation als kritisch bewertet.

An dieser Stelle widersprechen wir nicht.

Es erstaunt aber durchaus, dass die Fakten zur strukturellen Schwäche der US-Wirtschaft nicht thematisiert werden:

  • Frage der Nachhaltigkeit der Konsumnachfrage bezüglich Verschuldungsgrad
  • Lageraufbau bei Absatzschwäche
  • Niedrige Arbeitslosenrate, aber kollabierte Partizipationsrate
  • Lohnsummenproblematik bei dem Beschäftigungsaufbau
  • Schwache Kapazitätsauslastung
  • Zusammenhang der US-Konjunkturabschwächung mit Beendigung des QE-Programms

Die Fokussierung auf das Inflationsthema lenkt von dem "Elefanten im Porzellanladen" umfänglich ab.

Die Verbalakrobatik impliziert eine weniger entschlossene Gangart auf dem Weg zur nach wie vor möglichen Zinswende.

Diese Tatsache erfährt auch Unterstützung durch die Einlassung des Präsidenten der Federal Reserve Minneapolis, Herrn Naranya Kocherlakota, der das Thema negativer Zinsen in den USA gestern aufwarf. Mehr noch stellte er einen Zusammenhang zwischen dem schwächeren Arbeitsplatzaufbau und dem Ende der quantitativen Maßnahmen dar.


Zu den Meldungen:

  • KOCHERLAKOTA SAYS FED SHOULD CONSIDER NEGATIVE RATES
  • KOCHERLAKOTA: TAPERING ASSET PURCHASES LED TO SLOWER JOB GAINS
  • KOCHERLAKOTA SAYS JOBS SLOWDOWN 'NOT SURPRISING' GIVEN POLICY
  • KOCHERLAKOTA: TAPERING ASSET PURCHASES LED TO SLOWER JOB GAINS

Der Blick auf Umfragwerte zu der immer noch prognostizierten Zinswende vor und nach der Veröffentlichung des Protokolls des Offenmarktausschusses:

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© Zerohedge


Fazit:

Sukzessive erfolgt der Ausstieg aus dem Einstieg in die Zinswende. Damit konnte eine Hausse und Stabilität des USD (Thema Lenkung der Kapitalströme) mit dem Schüren einer Erwartungshaltung bei umfänglicher und weitgehend unkritischer Begleitung losgelöst von strukturellem Fundament in den letzten 18 Monaten etabliert werden. Einerseits "Chapeau", andererseits "Food for a lot of thought!"

In der EU sind Ansätze zu erkennen, das politische Verhältnis mit Russland neu zu gestalten. Fraglos spielt dabei der Druck aus der Flüchtlingskrise eine nicht unerhebliche Rolle. Aber im Hintergrund nahm die Unterstützung des alten Politikstils in der EU in einigen Ländern drastisch ab. Mehr noch sind die wirtschaftlichen Folgen zunehmend für den weiteren Konjunkturverlauf vieler Länder mindestens als kontraproduktiv zu klassifizieren.

Diese Neuausrichtung der EU fing für die Öffentlichkeit erkennbar mit Einlassungen unseres Wirtchaftsministers Gabriel an, es setzte sich fort in dem Gipfelgespräch in Paris mit Herrn Putin und einer veränderten Haltung Hollandes zu der Syrienpolitik Russlands. Die jüngsten diesbezüglichen Äußerungen erreichen uns von EU-Kommissionspräsident Juncker.

"Wir müssen uns um ein brauchbares Verhältnis zu Russland bemühen. Das ist nicht sexy, aber das muss sein. Wir können so nicht weitermachen. Man müsse nicht in vollkommenes Einvernehmen gelangen, aber wieder eine vernünftige Gesprächsbasis etablieren.“ Juncker kritisierte, dass US-Präsident Obama Russland als "Regionalmacht" abqualifiziert habe. "Man muss Russland anständig behandeln", erklärte der Luxemburger. "Wir können uns unser Verhältnis zu Russland nicht von Washington diktieren lassen. Das geht nicht."

Diese Erkenntnis ist zu begrüßen, auch wenn sie recht spät kommt …

Es ist nicht auszuschließen, dass seitens Moskaus in den letzten Wochen nachrichtentechnisch relevante Daten/Zusammenhänge geliefert wurden, die diese Neuausrichtung sachlich untermauern und damit befeuern.

Gestern stand lediglich die Veröffentlichung der US-Arbeitslosenerstanträge per Berichtswoche per 3. Oktober an. Es gab keine neuen Erkenntnisse. Wir bewegen uns mit 263.000 nach zuvor 276.000 Anträgen in bekannten Fahrwassern.

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0980 - 1.1010 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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