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EZB-Rat im Fokus - ein Blick auf die US-Einkommensstruktur …

22.10.2015  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1333 (07.54 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1330 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 119.71. In der Folge notiert EUR-JPY bei 135.65 EUR-CHF oszilliert bei 1.0873.

Der "südliche Charme", den die EZB versprüht, verführt die Finanzmärkte im Vorwege nahezu zu einer Siesta. Unter Produktivitätsgesichtspunkten sind Siestas nicht notwendig zielführend.

In diversen Medien wird umfangreich diskutiert, wie die EZB ihren "südlichen Charme" verstärken könnte. Dabei geht es dann um weitere Wertpapierarten, die aufgekauft werden könnten. Es geht um eine quantitative Ausweitung des Programms auf Monatsbasis oder im Gesamtvolumen. Es geht um die Frage, ob das Programm demnächst unbefristet gestaltet werden könnte. Der Phantasie scheinen Tor und Tür geöffnet zu sein.

Es ist an der Zeit, das Thema Absurdität in der westlichen Zentralbankpolitik aufzumachen:

Es ist absurd, dass die EZB bei QE-Politik verbal auf der Überholspur fährt, obwohl die Struktur- und Konjunkturdaten der Eurozone in der Tendenz nicht nur die EZB latent seit 18 Monaten positiv überraschen, während die EZB durchgehend von Abwärtsrisiken fabulierte. Dazu passt auch der Artikel in der Welt vom 21.10.2015 mit dem Titel "Italien mausert sich zu Europas neuem Erfolgsmodell" von Frank Stocker. Es stellt sich die Frage, wo die Untergangspropheten der Eurozone, denen jahrelang massive Medienpräsenz eingeräumt wurde, derzeit bleiben …

Es ist absurd, dass die Federal Reserve trotz sich dynamisch abschwächender US-Konjunktur- und vor allem US-Strukturdaten weiterhin die Zinswende vorbereitet, während sie ihre eigenen Prognosen im Jahresverlauf latent eindampfen musste.

Hier sind wohl die Rollen bezüglich der Rahmendaten zwischen EZB und Federal Reserve vertauscht worden:

Die EZB täte gut daran, den Exit aus QE vorzubereiten, während die Federal Reserve bezüglich ihres Auftrags für hohes Wachstum zu sorgen (sinnvoll für eine Zentralbank?), weise wäre, einzugestehen, dass man das Gesamtbild der US-Wirtschaft offensichtlich falsch prognostiziert hat und die selbsttragenden Kräfte der US-Wirtschaft nach wie vor unausgeprägt sind.


Der latente Verweis der "Freunde in den USA" auf die Schwäche Chinas ist absurd:

Die IWF Prognose lag per 10/2014 für 2015 bei einem BIP-Wachstum Chinas in Höhe von 7,1%. Nach drei Quartalen stehen wir bei 6,97%. Das ist eine marginale Verfehlung!

Die Wirtschaft der Volksrepublik wird nach den Worten von Präsident Xi Jinping keine harte Landung erleiden. Xi stellte Wachstumsraten von circa 7% in Aussicht. Zugleich bekräftigte Xi auf seinem Staatsbesuch in Großbritannien das Bekenntnis zu Reformen.

Die Wachstumsprognose des IWF lag per 10/2014 für die USA bei 3,1%. Die Federal Reserve unterstellt jetzt nur noch 2,0% BIP-Wachstum per 2015. Das Risiko weiterer Negativanpassungen ist nicht unerheblich. Hier geht es um erhebliche Prognoseverfehlungen. Wer rechnen kann, ist im Vorteil, aber wer kann heute in meiner Branche noch richtig rechnen?


Fazit:

Die Markterwartungen bezüglich eines verstärkten "südlichen Charmes" seitens der EZB sind stark ausgeprägt. Sollte Herr Draghi diese Erwartungen nicht voll erfüllen, könnte es zu positiven Bewegungen des Euros gegenüber den Hauptwährungen kommen.


Strukturdaten USA: Einkommensstruktur:

Diese Daten sind druckfrisch und stammen von der US Social Security Administration. Link: https://www.ssa.gov/cgi-bin/netcomp.cgi?year=2014

Demnach verdienen:

• 38% aller US-Arbeiter weniger als 20.000 USD pro Jahr (= brutto 1.475 EUR pro Monat)
• 51% aller US-Arbeiter weniger als 30.000 USD pro Jahr (= brutto 2.212 EUR pro Monat)
• 62% aller US-Arbeiter weniger als 40.000 USD pro Jahr (= brutto 2.950 EUR pro Monat)
• 71% aller US-Arbeiter weniger als 50.000 USD pro Jahr (= brutto 3.687 EUR pro Monat)

Gleichzeitig hat sich die Konsumverschuldung seit 2008 (Lehman) um 28% erhöht, während die mittleren Einkommen nominal um circa 4% zulegten. Das Thema Verarmung der Mittelschicht und überbordende Verschuldung der US-Mittelschicht in einer Wirtschaft, die zu 70% am Konsum hängt, steht zentral im Raum. Diese Strukturdaten werfen Fragen auf! Werden diese Fragen in Zentralbanken, in Analysezentren und den Medien gestellt?

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.0980 - 1.1010 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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