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2016: Überraschungen & Szenarien

26.01.2016  |  John Mauldin
- Seite 4 -
"Überraschung Nr. 6: Stagflation

Ich denke, Stagflation könnte neben der bisherigen Inflation, die vor allem das verfügbare Kapital der Mittelklasse schmälerte, im Jahr 2016 zu einem echten Problem werden. Es könnte zum Anstieg der Lohnkosten kommen und mit Ausnahme der Energiepreise könnten die Rohstoffpreise, besonders im Agrarsektor, das Inflationsziel der Federal Reserve trotz des enttäuschenden Wirtschaftswachstums der USA übertreffen.

Obwohl es sein kann, dass sich das Wachstum im dritten und vierten Quartal 2016 verlangsamt oder einer Rezession ähnelt, wird es nicht zu einer inversen Zinsstrukturkurve kommen. Die Ölpreise und eine Dürre könnten jedoch dazu führen, dass die Preisinflation bei den Agrarrohstoffen weit über den von der Fed anvisierten Wert steigt."


Unsere traditionellen Methoden zur Berechnung der Inflation erweisen sich als immer ungeeigneter, den Alltag widerzuspiegeln. Sie übertreiben die Ersparnisse durch sinkende Energiekosten und untertreiben die steigenden Gesundheitskosten. Die Fed hat die Zinsen erhöht, weil sie denkt, die Inflationsrate würde sich dem erklärten Zielbereich annähern, doch bei den Einkommen ist die Wachstumsrate noch immer gering. Nichts davon ergibt Sinn.

Während einer Stagflation könnte das Einkommensniveau unverändert bleiben, während die Energiekosten sinken und die Lebensmittelpreise steigen. Im Endergebnis wäre das für die meisten Menschen eine negative Entwicklung, aber weder der Verbraucherpreisindex noch der PCE-Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben würden das widerspiegeln.


"Überraschung Nr. 9: Der beginnende Zerfall der Europäischen Union

Angela Merkels Politik der "offenen Tür" angesichts der Flüchtlingskrise schlägt fehl und hat ihren Rücktritt zur Folge. Unterdessen tritt Großbritannien unter dem Druck der Euro-Skeptiker aus der EU aus (Brexit).

In Schottland und anderswo gewinnen separatistische Bewegungen an Schwung und in Frankreich kann sich der Front National aufgrund der Angst vor weiterer Immigration die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten sichern. Die Unterstützung für Griechenland und andere Länder der europäischen Peripherie schwindet und löst eine weitere Krise an den Schwellenmärkten aus. Europa schließt die Grenzen und der Handel kommt zum Erliegen."


Dieses Szenario kann durchaus eintreten. Wir haben in dieser Woche ein kurzes Video mit George Friedman veröffentlicht. Er ist sehr besorgt um Deutschland und erläutert die Gründe dafür in dem Videobeitrag. Deutschland ist der Kern Europas. Ich habe gelernt, die Fähigkeit der EU, das Unvermeidliche hinauszuzögern, nicht zu unterschätzen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Staatenbund noch lange Bestand haben wird - zumindest nicht in seiner derzeitigen strukturellen Zusammensetzung.


Zervos: Spoos & Blues

David Zervos ist der Chefstratege von Jefferies & Company. Er erteilte vor einem Jahr einen guten Rat, als er empfahl, mehr Kapital in japanische und europäische Aktien zu investieren. Beide Märkte haben sich 2015 besser entwickelt, als die US-Aktien. Jetzt verliert er das Vertrauen in diese Investments, wie er in einem Update am 22. Dezember sagte.

"Zum Ende des Jahres 2015 habe ich viel von meinem Vertrauen in die Trades an den QE-gestützten japanischen und europäischen Märkten verloren. Mario [Draghi] scheint zu einer erstarkenden Anti-QE-Truppe unter deutscher Führung überzulaufen und Haruhiko [Kuroda] scheint nicht in der Lage zu sein, die politisch aufgeladenen Asymmetrien bei der Verteilung der monetären Impulse zu überwinden, die die Folge des schwächeren Yens sind. Ich hoffe weiter darauf, dass beide ihr Programm fortsetzen werden, doch Hoffnung ist keine gute Grundlage für eine qualitativ hochwertige Trading-Strategie. Stattdessen wende ich mich wieder meiner alten Flamme zu - Janet!!"

Im Weiteren beschreibt David, wie beeindruckt er von Janet Yellens geschicktem Management der ersten Zinserhöhung und dem damit verbundenen Ende der Nullzinspolitik ist. Er ist der Ansicht, dass die Wiederbelebung der Konjunktur im Laufe des Jahres weiter an Schwung gewinnen wird. Um davon zu profitieren schlägt er Trades mit "Spoos & Blues" vor. Spoos sind dabei Terminkontrakte auf den Aktienindex S&P 500 und Blues sind die Staatsanleihen der USA. Eine der beiden Optionen wird sich seiner Meinung nach 2016 als gewinnbringend herausstellen. Er denkt nicht, dass eine Rezession in den USA möglich ist, solange die Zinsstrukturkurve normal bleibt und von einer inversen Kurve sind wir noch weit entfernt.


Jensen: Liquiditätskrise voraus

Neils Jensen vom Londoner Unternehmen Absolute Return Partners ist einer der umsichtigsten Analysten, die ich kenne. Er denkt wie ich eher langfristig und gibt seinen Prognosen nur selten einen konkreten Zeitrahmen. Jensen glaubt, dass ein "drittes Bein" der globalen Finanzkrise das beherrschende Thema im Jahr 2016 sein könnte.

Das erste Bein war natürlich die Krise am US-Immobilienmarkt und die damit verbundenen Kreditausfälle in den Jahren 2007 und 2008. Das zweite Bein war die europäische Schuldenkrise, die 2010 ausbrach und noch immer nicht gelöst ist, ganz besonders in Griechenland.

Was könnte das nächste Bein sein? Eine Möglichkeit, die er anspricht, ist eine Ausweitung der Krise an den Schwellenmärkten, wenn die Rohstoffpreise schwach bleiben oder weiter fallen. Wenn die Fed ihren Worten Taten folgen lässt und weitere Zinserhöhungen beschließt (was alles andere als sicher ist), wird der Dollar noch mehr an Stärke gewinnen. Für Kreditnehmer außerhalb der USA wird es dann schwerer, Schulden in US-Dollar zurückzuzahlen.

Für rohstoffexportierende Unternehmen und Länder ist das eine toxische Kombination, da aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise nicht nur ihre Einnahmen zurückgehen, sondern mit dem steigenden Dollar gleichzeitig auch ihre Zinskosten zunehmen. Die Gefahr, das bedeutende Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, ist sehr hoch.

Ich denke diese Angst erklärt wahrscheinlich auch die offenen Appelle der IWF-Vorsitzenden Christine Lagarde an die Federal Reserve, bei ihren Entscheidungen doch die Auswirkungen zu bedenken, die eine straffere Geldpolitik auf die Schwellenländer haben wird. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass die US-Notenbank das berücksichtigen wird. Ich würde argumentieren, dass Janet Yellen recht daran tut, Lagarde zu ignorieren. Auftrag der Fed ist es, Preisstabilität und maximale Beschäftigung in den USA zu garantieren, nicht andere Staaten zu retten. Nichtsdestotrotz könnte die Fed ohne Weiteres eine Krise an den Schwellenmärkten auslösen, die außer Kontrolle gerät und letztlich alle trifft.

Die andere Möglichkeit, die Jensen für ein "drittes Bein" der Finanzkrise in Betracht zieht, ist eine Liquiditätskrise an den Anleihemärkten. Neue Regulierungen haben zur Folge, dass Banken sich davor scheuen, andere Anleihen als Staatsanleihen in ihren Reserven zu halten. Das Problem daran ist, dass die Banken ihre eigenen Bestände schon seit Langem zum Market-Making verwenden. Sie sind (oder waren) der Grund dafür, dass man am Markt für hochverzinsliche Unternehmensanleihen leicht und ohne große Verzögerungen ein- und aussteigen konnte.

Die Liquidität nimmt ab, obwohl die Menge des in ETFs und offenen Investmentfonds anlegten Kapitals steigt. Diese Produkte werben jedoch mit täglicher Liquidität. Sehen Sie das Problem? Der Kollaps des Third Avenue Focused Credit Fund im vergangenen Monat könnte sich im Nachhinein als Generalprobe für eine ganze Reihe solcher Zusammenbrüche herausstellen.


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