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Wachstum lahmt, Risiken steigen

25.01.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 4 -
Finanzielle Repression: negative Zinsen

Die Idee, die Zentralbanken sollten ihre Leitzinsen in den Negativbereich schleusen, scheint immer mehr Anhänger zu finden. Die Notenbanken von Schweden und Dänemark und der Schweiz sowie - mit ihrem Einlagenzins - die Europäische Zentralbank - haben die Politik des Negativzinses auf den Weg gebracht. Auf die Problematik einer solchen Maßnahme hatten wir verschiedentlich hingewiesen.(4) Für Anleger bedeutet es zunächst, dass (früher oder später) die Banken auch Zinsen erheben werden für Bankguthaben, die Kunden bei ihnen halten. Bankguthaben werden zum Verlustgeschäft für die Kunden. Diese Verluste entsprechen den Er-trägen, die Banken einnehmen. Überspitzt formuliert: Die Kundenguthaben schrumpfen zu Gunsten des Eigenkapitals der Banken.

Ein Blick auf die Schweiz zeigt, dass dort selbst die langfristigen Zinsen mittlerweile im Negativbereich angekommen sind. Glück im Unglück: In der Schweiz sinken derzeit die Preise (die laufende Inflation beträgt etwa minus 1 Prozent), und das entschädigt für den Entwertungseffekt des Negativzinses.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen


Im Falle der Schweiz können Anleger dem Negativzins entkommen, indem sie ihre Franken-Bankguthaben in Bargeld (Münzen und Banknoten) tauschen. (Dann ist natürlich sicherzustellen, dass ein verlässlicher Verwahrort gefunden werden kann.) Wenn die Zentralbanken jedoch die Bargeldverwendung einschränken, wird es brenzlig. Dann ist dem Anleger eine entscheidende "Fluchtoption" versperrt. Zunächst aber würde ein Verschärfen der Negativzinspolitik vermutlich immer mehr Anleger in die Vermögensmärkte wie zum Beispiel die Immobilien- und Aktienmärkte drängen lassen und dort für Preisauftrieb sorgen.


Schwankungsanfälligkeit der Aktienmärkte steigt

Anhaltend niedrige Zinsen, beziehungsweise ein Umfeld negativer Zinsen treiben auf verschiedenen Wegen die Vermögenspreise beziehungsweise die Aktienkurse in die Höhe. Zum einen senken sie die Diskontierungsrate ab, mit der künftige Gewinne abgezinst werden. Das erhöht die Aktienkurse. Zusätzlich dazu verringern die niedrigen Zinsen die Kapitalkosten der Unternehmen und erhöhen dadurch ihre Gewinne. Und auch das schlägt sich in höheren Aktienkursen nieder. In entscheidendem Maße aber werden die Aktienmärkte natürlich von den Gewinnaussichten angetrieben - beziehungsweise von den weltweiten Wachstumsaussichten. Hier könnte es in der Tat Enttäuschungen geben.

Dem wäre entgegenzuhalten, dass anhaltend niedrige Zinsen für höhere Bewer-tungsniveaus der Aktien sprechen. Ein Blick auf die Zahlenhistorie zeigt, dass niedrige Zinsen einhergegangen sind mit höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGVs), während hohe Zinsen mit niedrigen KGVs verbunden waren. Angesichts der nach wie vor extrem niedrigen US-Leit- und Kapitalmarktzinsen erscheint das derzeitige KGV nicht überhöht zu sein; sie haben kein Niveau angenommen, das eine ausgeprägte Abwärtskorrektur zwangsläufig macht. Insbesondere in Zeiten der extrem expansiven Geldpolitik könnten Anleger noch verstärkt Aktien nachfragen zu Lasten von Anleihen und auch auf diese Weise die Aktienmarktbewertungen relativ hoch halten.

Die Schwankungsanfälligkeit der Aktienmärkte hat jüngst zugenommen. Für den Trendverlauf der Aktienmärkte spielt jedoch insbesondere die Kredit- und Geldmengenversorgung eine sehr bedeutende Rolle. Steigende Kredit- und Geldmengen sorgen dafür, dass alle Preise - einschließlich der Aktienkurse - im Zeitablauf ansteigen. Solange die Kredit- und Geldmengen weiter anschwellen, werden die Kursrückschläge auf den Aktienmärkten nur vorübergehender Natur sein, wird ein "Bust" sehr wahrscheinlich ausbleiben. In den Vereinigten Staaten von Amerika - die das weltweite Aktienmarktgeschehen maßgeblich (mit-)bestimmen - zeigen sich bislang noch keine Ermüdungstendenzen bei der Kreditausweitung.

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Quelle: Thomson Financial


Der US-Dollar erstarkt

Der US-Dollar, die nach wie vor unangefochtene Nummer eins unter den ungedeckten Papierwährungen, ist wieder gefragt. Der Außenwert des US-Dollar steigt übrigens schon seit etwa Mitte 2011 wieder gegenüber allen seinen Handelspartnerwährungen. Der US-Dollar geht gewissermaßen gestärkt aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise hervor. Die US-Wirtschaft hat schneller Fuß gefasst als die meisten anderen Volkswirtschaften. Zudem haben die Investoren mit Blick auf das weltweite Verschuldungsproblem ganz offensichtlich mehr Vertrauen in den US-Dollar im Vergleich zum Euro, japanischem Yen oder chinesischem Renminbi.

Die Rückbesinnung auf den US-Dollar hat bereits eine Reihe von aufstrebenden Volkswirtschaften unter Druck gesetzt. Anleger ziehen ihr Kapital ab, und das sorgt für steigende Finanzierungskosten für die dortigen Banken und Unternehmen. Der Boom in diesen Ländern, der vor allem finanziert wurde durch billiges Auslandskapital, ist vorerst vorbei. Viele aufstrebende Volkswirtschaften müssen fortan mit geringerem Wachstum vorlieb nehmen als noch vor kurzem prognostiziert wurde. Für die Weltwirtschaft ist das überaus bedeutsam, denn es waren ja vor allem die aufstrebenden Volkswirtschaften, die in den letzten Jahren signifikant positive Wachstumsbeiträge beigesteuert haben.



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