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Offenmarktausschuss bereitet Zinserhöhung vor

19.05.2016  |  Folker Hellmeyer
US-Stagflation in Sichtweite!

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1210 (07.41 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1206 im asiatischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 110.18. In der Folge notiert EUR-JPY bei 123.55. EUR-CHF oszilliert bei 1.1080.

Das Protokoll des Offenmarktausschusses lieferte starke Signale in Richtung einer weiteren Zinserhöhung im Juni oder Juli des laufenden Jahres. Man erkennt seitens der Federal Reserve an, dass es weniger Störfeuer von außen gäbe. Diese Erkenntnis ist überfällig. Weder liefert die Eurozone noch China auch nur in zarten Ansätzen Grundlagen, die Verantwortung der eigenen Schwäche auf Dritte abzuwälzen.

2015 waren die USA die konjunkturelle Enttäuschung bezüglich der Prognoseverfehlungen. Schon da war der Verweis des Offenmarktausschusses auf die Schwäche Dritter nicht stichhaltig. Man redete die aktuelle Lage der US-Wirtschaft stark und will noch eine weitere Bestätigung für den "stabilen Aufschwung" sehen.

Fakt ist, dass das erste Quartal 2016 alle Konjunkturerwartungen massiv enttäuschte und aktuell dazu führt, dass die Gesamtjahresprognosen 2016 revidiert werden müssen. Diese Entwicklung passt auch nicht in Ansätzen zu dem Begriff "stabiler Aufschwung".

Siebzig Prozent des US-BIP sind mit dem privaten Konsum korreliert. Die Unternehmensnachrichten aus diesem Sektor sprechen eine eigene Sprache. Gestern lieferten die Daten von Target eine herbe Ernüchterung, es kommt zu Konkursen von ganzen Ketten, Wal-Mart schließt Filialen.

Wir wird der Konsum ermöglicht? Die Kreditvergabestandards (FICO-Scores), die eine Grundlage der US-Krise 2008/2010 lieferten und nach 2008 deutlich verschärft wurden, sind wieder auf dem Niveau von 2007 oder sogar darunter (Automobilkredite). Nicht maßgeblich wiederkehrende Einkommen, sondern entscheidend Kredite ermöglichen den jetzigen Pfad des Konsums. In dieser Konstellation Stabilität erkennen zu wollen, ist nicht nur irritierend, sondern ambitioniert.

Zwölf Prozent der US-Wirtschaftsleistung werden im Sektor Produktion generiert. Die Auftragseingänge bewegen sich auf dem Niveau des Jahres 2011!

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© Moody’s Economy.com


Die Auftragseingänge sind die Produktion von morgen. In diesem Sektor nicht von Rezession zu sprechen, fällt schwer. Mit dem thematisierten stabilen Aufschwung hat das nichts zu tun. Mehr noch sind die Lager voll.

Das Verhältnis Lagerbestand zu Absatz bewegt sich mit 1,4 Monatsumsätzen auf Niveaus, die wir aus Rezessionen kennen.

Die Arbeitsmarktdaten sind qualitativ nicht überzeugend. Setzt man die Qualitätsmerkmale der Messung der 80er Jahre an, wie es John Williams von Shadow Government Statistics macht, läge die Quote bei mehr als 20% und nicht bei kreativen 5%.

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Mehr noch sagt die Quantität volkswirtschaftlich nicht viel aus. Es kommt auf die Qualität und die dahinter stehende Lohnsumme, die volkswirtschaftliche Aktivität bedingt, an. Wenn man 10 Jobs mit 2.000 USD Monatseinkommen verliert (Lohnsumme 20.000 USD) und 20 Jobs mit 400 USD Monatseinkommen generiert (Lohnsumme 8.000 USD) ist ein volkswirtschaftlicher Expansionsschub kaum aus dieser Arbeitsmarktentwicklung ableitbar. Genau das ist in wesentliches Problem am US-Arbeitsmarkt.

Ergo, aus dieser Konstellation den Begriff Stabilität abzuleiten, ist ambitioniert.

Das Thema Preisinflation wird prominenter in den USA. Im April zogen die Verbraucherpreise um 0,4% im Monatsvergleich an. Im Jahresvergleich nahm die Quote von 0,9% auf 1,1% zu. Die entscheidende Größe ist die Kernrate. Die stellte sich jetzt auf 2,1%. Bezüglich der aus der Volkswirtschaft selbstgenerierten Preisinflation (Kernrate) in Höhe von 2,1% und der absehbaren Veränderung an den Rohstoffmärkten (Seidenstraße & Co.) und wegfallender Basiseffekte wird sich der Inflationsdruck erhöhen.

Die jetzt in den Blick genommene Zinserhöhung per Juni oder Juli ist voraussichtlich viel stärker eine Reflexion auf den potentiellen Inflationshintergrund, als eine Reflexion auf angebliche Stabilität des Aufschwungs. Anders ausgedrückt steht das Thema Stagflation in den USA auf der Agenda! Nach unserer Recherche war Stagflation nicht beliebt und definitiv kein Grund, eine Währung in realer oder spekulativer Manier zu erwerben.

Übrigens, sollte der USD nachhaltiger steigen, wird sich das Konjunkturbild in den USA durch rückläufige Exporte weiter abschwächen … "Food for a lot of thought!"

Die Veröffentlichung der finalen Berechnung der Verbraucherpreise der Eurozone lieferte keine neuen Erkenntnisse. Das Ergebnis der vorläufigen Berechnung wurde im Jahresvergleich bei -0,2% bestätigt. Die für das endogene Inflationsbild entscheidende Kerninflationsrate verharrte bei 0,7%.

Die wegfallenden Basiseffekte aus der Rohstoffbaisse implizieren auch hier eine anstehende Trendwende der Gesamtrate in den kommenden Monaten zunächst zum Niveau der Kernrate und dann im weiteren Verlauf darüber hinaus, da sich spätestens im vierten Quartal inflationstreibende Dynamik aus den Basiseffekten ergibt.

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© Moody’s Economy.com


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.0800 - 1.1350 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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