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Die Illusion der Zentralbankunabhängigkeit und die Folge für den Goldpreis

30.05.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Über Überraschungsinflation, Regelbindung und die Rückkehr alter Probleme

Es gibt einen großen politischen Anreiz, die Zentralbanken einzuspannen: Denn mittels Überraschungsinflation lässt sich die Konjunkturlage kurzfristig verbessern, während die Kosten der Inflation erst mit einer Zeitverzögerung sichtbar werden. Die Gefahr, dass die Geldpolitik von der Regierung missbraucht wird ist besonders groß, wenn die Zentralbank schalten und walten kann wie sie will, wenn sie also keine feste Regel befolgen muss. Das wiederum führt zur Erwartung bei den Marktakteuren, dass die Inflation letztlich doch höher ausfallen wird als von der Zentralbank versprochen.

Um dieses Problem - in Fachkreisen spricht man vom Zeitinkonsistenzproblem - zu lösen, hat man in den 1980er Jahren den Zentralbanken feste Regeln vorgegeben, an die sie sich zu halten hatten. Die Regelbindung der Geldpolitik (insbesondere in Form der Vorgabe, die Inflation niedrig zu halten) hat sicherlich dazu beigetragen, das allgemeine Vertrauen in die Verlässlichkeit der Geldpolitik zu erhöhen.

Mittlerweile jedoch haben sich die Zentralbankräte weitestgehend von ihrem Regelkorsett befreit; beispielsweise richtet die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Jahr 2003 ihre Politik nicht mehr an der Geldmengenausweitung aus. Das ist nicht folgenlos geblieben. Angesichts der weltweit hohen Verschuldung und dem schwächlichen Wirtschaftswachstum wird jetzt verstärkt auf die Geldpolitiken zurückgegriffen, um die Schulden- und Wachstumsprobleme lösen zu wollen. Das dürfte natürlich letzten Endes auf eine Inflationspolitik hinauslaufen. Denn die Geldmengenvermehrung ist - aus Sicht der Regierenden wie auch der Regierten - bekanntlich die Politik des vergleichsweise kleinsten Übels.

So gesehen ist die Rückkehr der Inflation alles andere als unwahrscheinlich. Die Probleme, die aus den regellosen Zentralbankpolitiken erwachsen sind, mögen derzeit noch nicht allen offen ins Auge springen; schließlich ist ja auch - dank der gefallenen Rohstoffpreise - die laufende Inflation und auch die erwartete Inflation nach wie vor relativ niedrig. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Politik der Geldmengenvermehrung, bei der sich kein Ende abzeichnet, sich in steigende Preise übersetzt. Wenn man dann aber, aufgrund der hohen Schuldenlasten, die Zinsen nicht mehr anzuheben wagt, kommt es vermutlich recht schnell zu einem mitunter ernsten Vertrauensverlust in den Wert des Geldes.

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Quelle: Thomson Financial. Indexiert (Januar 1970 = 100)
*Aktienkurse adjustiert um die Industrieproduktion


Bis zu den frühen 1980er Jahren zeigte sich hohe Inflation in vielen Währungsräumen der Welt. Auch beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dann aber begann die Inflation im Trendverlauf zu fallen. Gleichzeitig stiegen jedoch die Vermögenspreise - wie insbesondere die Aktienkurse. Sie zeigten - auch nach Abzug der Produktivitätszuwächse - Steigerungsraten, die zuweilen merklich oberhalb der Konsumentenpreisinflation lagen. Das kann als ein Hinweis gewertet werden, dass eine niedrige Konsumentenpreisinflation nicht notwendigerweise bedeutet, dass die Kaufkraft des Geldes stärker geschwunden ist, als es der Blick auf die offiziellen Verbraucherpreisstatistiken nahelegt.

Zudem sollte an dieser Stelle nicht übersehen werden, dass Zentralbanken nicht etwa Inflation "bekämpfen", sondern dass sie sie grundsätzlich verursachen. Zentralbanken sorgen dafür, dass die Geldmenge im Zeitablauf ansteigt. Das allein schon verringert die Kaufkraft des Geldes (im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet wird). Diese Geldmengenvermehrung, für die die Zentralbanken sorgen, erfolgt zudem sprichwörtlich "aus dem Nichts". Das wiederum verursacht Wirtschaftsstörungen wie vor allem die sogenannten "Boom-und-Bust-Zyklen". Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass zum Beispiel die Schwankungen auf den Aktienmärkten ab etwa Mitte der 1990er Jahre deutlich angestiegen sind.

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Abbildung links: Quelle: Thomson Financial. *Erwartung der Inflation in 5 Jahren für die dann folgenden 5 Jahre in Prozent.
Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial. *5-Jahre Laufzeit der CDS


Der Blick auf die gehandelten Markterwartungen zeigt, dass die künftige Inflation im Euroraum derzeit bei knapp 1,5 Prozent und in den USA bei leicht oberhalb von 2,0 Prozent eingeschätzt wird. So gesehen sind die Inflationserwartungen nach wie vor "gezähmt". Gleichzeitig haben jüngst jedoch die Kreditausfallsorgen bei den Banken wieder zugenommen. Vermutlich hat die Zinsanhebung in den USA die Sorgen vor Zahlungsausfällen wieder verstärkt. Wenn die Zentralbanken jedoch weitermachen mit ihrer Politik, finanziell angeschlagene Staaten und Banken mit neu geschaffenem Geld zu versorgen, können zwar die Kreditausfallsorgen niedrig gehalten werden, aber die Inflationserwartungen dürften dann früher oder später ansteigen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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