Die Zinspolitik und das absurde Tauschgeschäft zwischen Gegenwart und Zukunft
19.06.2016 | Steve Saville
Wenn eine Zentralbank die Zinsen mit dem Ziel senkt, die gegenwärtigen Ausgaben zu erhöhen, dann verursacht sie dadurch einen Vermögenstransfer aus den Händen der Sparer und hinein in die Taschen von Spekulanten verschiedenster Couleur. Das ist unethisch, doch aus wirtschaftlicher Sicht besteht darin nicht einmal das Hauptproblem. Das Hauptproblem und der Grund dafür, dass monetäre Anreize nicht funktionieren, ist das als TANSTAAFL ("there ain't no such thing as a free lunch" - es gibt kein kostenloses Mittagessen) bekannte Prinzip, dass nichts umsonst ist. Auf einer sehr oberflächlichen Ebene (und das ist genau das Niveau, auf dem alle keynesianischen Ökonomen arbeiten) scheint die Senkung der Zinssätze allen ein kostenloses oder zumindest sehr günstiges Mittagsmahl zu bescheren, doch am Ende wird die Rechnung dafür sehr viel höher ausfallen, als wenn sie sofort bezahlt worden wäre.
Bernanke, Draghi, Yellen, Kuroda & Co. geben zu, dass ihre sogenannte "akkommodierende Geldpolitik" den Sparern in der Gegenwart schadet, behaupten aber gleichzeitig, dass der Nutzen für die Wirtschaft im Allgemeinen die Nachteile für die Sparer überwiegt. Offenbar verfügen die Zentralbanker - zumindest ihrer eigenen Ansicht nach - über eine gottgleiche Weisheit, die es ihnen gestattet und die sie dazu berechtigt zu bestimmen, wer ärmer und wer reicher werden soll. Alles natürlich mit dem Ziel, die Wirtschaft zu stützen. So hat die EZB zum Beispiel ihre Zinssenkung im Juni 2014 gerechtfertigt:
"Die Zinsentscheidung der EZB wird den Sparern am Ende zu Gute kommen, weil sie das Wachstum fördert und dadurch ein Wirtschaftsklima schafft, in dem die Zinssätze schrittweise wieder auf ein höheres Niveau angehoben werden können."
"Hauptaufgabe einer Zentralbank ist es, die Attraktivität des Sparens oder der Kreditaufnahme für private Haushalte und Unternehmen zu erhöhen oder zu verringern. Dies erfolgt jedoch nicht im Sinne einer Bestrafung oder Belohnung. Durch Zinssenkungen, die das Sparen unattraktiver, die Aufnahme von Darlehen jedoch günstiger machen, gibt die Zentralbank der Bevölkerung einen Anreiz, mehr Geld auszugeben oder zu investieren. Wenn sie die Zinsen dagegen erhöht, verschiebt sich der Anreiz zu Gunsten des Sparen, während sich die Ausgaben in ihrer Gesamtheit verringern. Das kann helfen, eine überhitzte Wirtschaft abzukühlen, die unter einer hohen Inflationsrate leidet. Dieses Vorgehen ist kein spezifisches Merkmal der EZB, sondern charakterisiert die Arbeitsweise aller Zentralbanken."
Das ist nun mittlerweile zwei Jahre her und obwohl der Erfolg völlig ausgeblieben ist, verfolgt die EZB noch immer den gleichen Kurs. Die Vorteile, von denen die Sparer "am Ende" angeblich profitieren werden, scheinen heute in noch weiterer Ferne zu liegen, als damals.
Nur der letzte Satz des obenstehenden Auszugs ist wahr - es stimmt, dass die anderen Zentralbanken auch nicht besser sind, als die EZB. Um den Rest zu glauben, muss man schon ein sehr dürftiges Verständnis der Wirtschaftstheorie haben.
Der Zeitfaktor ist das wichtigste Element, das die Zentralbanker bewusst oder versehentlich ausklammern, wenn sie solche Aussagen wie im obigen Zitat machen. Eine höhere Sparrate bedeutet keineswegs eine allgemeine Verringerung der Ausgaben. Sie bedeutet, dass in der Gegenwart zwar weniger Geld für Konsumgüter ausgegeben wird, in Zukunft dafür aber umso mehr. Analog dazu erhöhen sich die Gesamtausgaben für Konsumgüter nicht, wenn weniger gespart wird. Sie steigen nur in der Gegenwart, wobei sie im Gegenzug in der Zukunft wieder sinken.
Ist es nicht offensichtlich, dass dieses Tauschgeschäft zwischen den aktuellen und den zukünftigen Verbraucherausgaben am effizientesten ist und der Wirtschaft im Allgemeinen den größten Nutzen bringt, wenn es auf natürliche Weise zustande kommt, d. h. wenn man den Zinssätzen erlaubt, die tatsächlichen, aktuellen Präferenzen der Menschen widerzuspiegeln? Oder anders ausgedrückt: Wenn sich die Menschen in einer Situation befinden, in der sie es für sinnvoll erachten, ihre Sparrate zu erhöhen (und ihre Konsumausgaben einzuschränken), um ihre durch frühere, exzessive Ausgaben geschwächte Finanzlage wieder zu verbessern, ist es dann nicht offensichtlich, dass Politiker und Banker in diesem Fall nichts Schlimmeres tun können, als das Sparen zu erschweren und künstliche Anreize für noch mehr Kredite und Konsum zu schaffen?
Offensichtlich ist es nicht so offensichtlich, denn diejenigen, die für die Geldpolitik verantwortlich sind, tun auf der ganzen Welt weiterhin genau das Falsche.
© Steve Saville
www.speculative-investor.com
Dieser Artikel wurde am 7. Juni 2016 auf www.tsi-blog.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
Bernanke, Draghi, Yellen, Kuroda & Co. geben zu, dass ihre sogenannte "akkommodierende Geldpolitik" den Sparern in der Gegenwart schadet, behaupten aber gleichzeitig, dass der Nutzen für die Wirtschaft im Allgemeinen die Nachteile für die Sparer überwiegt. Offenbar verfügen die Zentralbanker - zumindest ihrer eigenen Ansicht nach - über eine gottgleiche Weisheit, die es ihnen gestattet und die sie dazu berechtigt zu bestimmen, wer ärmer und wer reicher werden soll. Alles natürlich mit dem Ziel, die Wirtschaft zu stützen. So hat die EZB zum Beispiel ihre Zinssenkung im Juni 2014 gerechtfertigt:
"Die Zinsentscheidung der EZB wird den Sparern am Ende zu Gute kommen, weil sie das Wachstum fördert und dadurch ein Wirtschaftsklima schafft, in dem die Zinssätze schrittweise wieder auf ein höheres Niveau angehoben werden können."
"Hauptaufgabe einer Zentralbank ist es, die Attraktivität des Sparens oder der Kreditaufnahme für private Haushalte und Unternehmen zu erhöhen oder zu verringern. Dies erfolgt jedoch nicht im Sinne einer Bestrafung oder Belohnung. Durch Zinssenkungen, die das Sparen unattraktiver, die Aufnahme von Darlehen jedoch günstiger machen, gibt die Zentralbank der Bevölkerung einen Anreiz, mehr Geld auszugeben oder zu investieren. Wenn sie die Zinsen dagegen erhöht, verschiebt sich der Anreiz zu Gunsten des Sparen, während sich die Ausgaben in ihrer Gesamtheit verringern. Das kann helfen, eine überhitzte Wirtschaft abzukühlen, die unter einer hohen Inflationsrate leidet. Dieses Vorgehen ist kein spezifisches Merkmal der EZB, sondern charakterisiert die Arbeitsweise aller Zentralbanken."
Das ist nun mittlerweile zwei Jahre her und obwohl der Erfolg völlig ausgeblieben ist, verfolgt die EZB noch immer den gleichen Kurs. Die Vorteile, von denen die Sparer "am Ende" angeblich profitieren werden, scheinen heute in noch weiterer Ferne zu liegen, als damals.
Nur der letzte Satz des obenstehenden Auszugs ist wahr - es stimmt, dass die anderen Zentralbanken auch nicht besser sind, als die EZB. Um den Rest zu glauben, muss man schon ein sehr dürftiges Verständnis der Wirtschaftstheorie haben.
Der Zeitfaktor ist das wichtigste Element, das die Zentralbanker bewusst oder versehentlich ausklammern, wenn sie solche Aussagen wie im obigen Zitat machen. Eine höhere Sparrate bedeutet keineswegs eine allgemeine Verringerung der Ausgaben. Sie bedeutet, dass in der Gegenwart zwar weniger Geld für Konsumgüter ausgegeben wird, in Zukunft dafür aber umso mehr. Analog dazu erhöhen sich die Gesamtausgaben für Konsumgüter nicht, wenn weniger gespart wird. Sie steigen nur in der Gegenwart, wobei sie im Gegenzug in der Zukunft wieder sinken.
Ist es nicht offensichtlich, dass dieses Tauschgeschäft zwischen den aktuellen und den zukünftigen Verbraucherausgaben am effizientesten ist und der Wirtschaft im Allgemeinen den größten Nutzen bringt, wenn es auf natürliche Weise zustande kommt, d. h. wenn man den Zinssätzen erlaubt, die tatsächlichen, aktuellen Präferenzen der Menschen widerzuspiegeln? Oder anders ausgedrückt: Wenn sich die Menschen in einer Situation befinden, in der sie es für sinnvoll erachten, ihre Sparrate zu erhöhen (und ihre Konsumausgaben einzuschränken), um ihre durch frühere, exzessive Ausgaben geschwächte Finanzlage wieder zu verbessern, ist es dann nicht offensichtlich, dass Politiker und Banker in diesem Fall nichts Schlimmeres tun können, als das Sparen zu erschweren und künstliche Anreize für noch mehr Kredite und Konsum zu schaffen?
Offensichtlich ist es nicht so offensichtlich, denn diejenigen, die für die Geldpolitik verantwortlich sind, tun auf der ganzen Welt weiterhin genau das Falsche.
© Steve Saville
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Dieser Artikel wurde am 7. Juni 2016 auf www.tsi-blog.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.