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Brexit scheint unumgänglich und so klar?

29.06.2016  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1057 (07.56 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1035 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 102.22. In der Folge notiert EUR-JPY bei 113.05. EUR-CHF oszilliert bei 1.0850.

Das waren doch einmal klare Töne aus Brüssel, oder doch nicht? Weitgehend freundlich im Umgang und klar in der Diktion gegenüber London lautet das Fazit des EU-Gipfels. Das ist zunächst ein professioneller Umgang und damit Ziel führend. "Zum jetzigen Zeitpunkt" wird der Brexit als unumkehrbar klassifiziert. Man erwartet seitens der EU, dass das UK im September den Artikel 50 des Lissabonner Vertrags ziehen wird.

Hier heißt es, inne zu halten. Der Begriff "zum jetzigen Zeitpunkt" ist einerseits richtig, aber er eröffnet nahezu zwingend die Erkenntnis, dass hier Spielräume erkannt werden, ansonsten wäre die Diktion anders ausgefallen.

Nachdem Herr Osborne, seines Zeichens Finanzminister des UK, als Folge eines potentiellen Brexit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen ankündigte als auch auf anstehende Wohlstandsverluste aufmerksam machte, wird der Zuspruch zu dem Referendum immer stärker in Frage gestellt. Demos am Trafalgar Square mögen da erst den Anfang darstellen.

Die Forderung der EZB, tragende Strukturen des Finanzwesens dann in der Eurozone sehen zu wollen, unterstreicht die strukturellen Folgen für das UK und insbesondere das Herz der UK-Wirtschaft London. Der Erosionsprozess des UK zu potentiell "UK Limited" mit einem drohenden Austritt Schottlands verdeutlich die prekäre Situation, die dieses Referendum heraufbeschwor. Implizit steht damit die Fortsetzung des Wegs eines Empire von gestern in die zunehmende politische Bedeutungslosigkeit im Raum.

Auch die Streckung des Austrittsprozesses in den September darf als Ausdruck dafür verstanden werden, hier dem UK trotz aktuell anders lautender Verbalakrobatik ein Fenster zu öffnen, das die Mitgliedschaft des UK weiter ermöglichen kann. Klartext: Die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Wendung liegt bei 30% und wird derzeit von den Märkten unterschätzt.

Brexit hin oder her, die Widerstandsfähigkeit deutscher und europäischer Wirtschaftsdaten steht im diametralen Widerspruch zu der Stimmungslage der Medien & Co.. Per Berichtsmonat Juli legte der GfK-Konsumklimaindex für Deutschland unerwartet von zuvor 9,8 auf 10,1 Punkte zu (Prognose 9,8) und markierte damit den höchsten Stand seit August 2015 und oszilliert auf dem höchsten Niveau der letzten 10 Jahre.

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© Reuters


Die Daten aus den USA waren partiell recht erfrischend, wenn man ihnen vertrauen will. Das BIP des 1. Quartals 2016 wurde von 0,8% auf 1,1% in der annualisierten Fassung revidiert. Die Prognose lag bei 1,0%. Bezüglich unserer Skepsis hinsichtlich der Qualität verweisen wir auf die Revision der Auftragseingänge (Durable Goods) für die letzten fünf Jahre, die bei der nächsten "Benchmark Revision" des BIP kräftige Spuren hinterlassen wird und damit zu Ernüchterung im "Rückspiegel", der von den meisten Kollegen nicht genutzt wird, führen wird.

Das Verbrauchervertrauen nach Lesart des "Conference Board" wurde mit einem unerwarteten Anstieg von 92,4 auf 98,0 Punkte, auf das höchste Niveau seit Oktober 2015 (!!!) seinem Ruf für Volatilität ohne Bodenhaftung gerecht. Mehr gibt es hier nicht zu sagen, denn die Divergenz zu dem Pendant der Uni Michigan spricht für sich selbst.

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© Moody’s Analytics


Wasser gab es auch in den Wein, denn die Umfragen des Conference Board haben den Fed-Bezirk Richmond wohl ausgelassen. Der Index des Richmond Fed Manufacturing Survey brach von -1,0 auf -7,0 Punkte ein und markierte den tiefsten Stand seit 2013.

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© Moody’s Analytics


Der Index für den Dienstleistungssektor in Richmond brach übrigens von 11 auf 0 Punkte ein.

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© Moody’s Analytics


Gut, im Conference Board hat man wohl auch nicht in Texas die Verbraucherstimmung abgefragt. Hier sank der Index des Texas Service Outlook per Juni von zuvor -7,1 auf -7,7 Punkte ab. Solide Kontraktion bei leicht zunehmender Tendenz lautet das Urteil.

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© Moody’s Analytics


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsniveaus bei 1.1100-30 dreht den Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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