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Euro-Fall(e)

11.07.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Die Folgen

Sparer versuchen den Folgen der Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken zu entkommen. Sie fragen risikoreichere Schuldpapiere nach wie zum Beispiel Unternehmensanleihen. Aber auch Aktien und Immobilien stehen auf der Einkaufsliste. Die zunehmende Nachfrage nach diesen Gütern treibt deren Preise in die Höhe. In einem Nullzinsenumfeld steigen beispielsweise die Nachfrage nach Aktien und deren Kurse solange, bis die erwartete Rendite, die mit Aktien zu erzielen ist, ebenfalls auf null fällt.

In einem Umfeld negativer Zinsen wäre zu erwarten, dass Anleger in das Bargeld flüchten. Wenn ihnen das aber verwehrt wird - beispielsweise durch ein Bargeldverbot -, ist für sie das Investieren in beispielsweise Aktien oder Immobilien eine Option, und zwar solange die erwartete Rendite dort noch höher ist als der Negativzins. Mit anderen Worten: In einem Negativzinsumfeld kann sogar die erwartete Rendite auf Aktien und Immobilien negativ werden.

Wenn aber eine Situation erreicht ist, in der es keine Aussichten mehr bestehen, eine positive Rendite erzielen zu können, ist die Marktwirtschaft - oder das, was von ihr dann noch übrig ist - im wahrsten Sinne des Wortes am Ende. Ohne die Möglichkeit, eine positive Rendite verdienen zu können, kommt das arbeitsteilige, produktive Wirtschaftsgeschehen zum Erliegen. Sparen und Investieren hören auf - weil der natürliche Zins niemals auf null oder darunter fallen kann.

Es stellt sich Kapitalverzehr ein. Buchstäblich alles, was noch in den Regalen liegt, wird dann verbraucht, und es wird nicht mehr neu produziert. Ersatz- und Neuinvestitionen finden nicht mehr statt. Die Volkswirtschaft fällt in eine primitive Subsistenzwirtschaft zurück. Was auf den ersten Blick als "konjunkturstützende" Wirkung der Null- beziehungsweise Negativzinsen erscheinen mag, schädigt in letzter Konsequenz den Wohlstand.


Am Ende steht die Inflation

Hat eine Null- beziehungsweise Negativzinspolitik die Vermögenspreise erst einmal so stark in die Höhe getrieben, dass fortan mit Preisrückgängen - mit Deflation - zu rechnen ist, wird die "Re-Inflationspolitik" im Grunde unausweichlich. Ein Rückgang der Preise würde nämlich das ungedeckte Papiergeldsystem in eine Schieflage bringen. Es käme zu Zahlungsausfällen von Konsumenten, Unternehmen, Banken und Staaten.

In der Not der Stunde ist absehbar, was geschehen wird: Das Ausweiten der Geldmenge zur Bezahlung offener Rechnungen wird von Regierenden und Regierten als die Politik des vergleichbar kleinsten Übels angesehen: Das Inflationieren erscheint als der leichteste Ausweg aus momentanen Schwierigkeiten, der Weg des geringsten Widerstandes. Es ist daher nicht überraschend, dass die EZB schon laut über "Hubschrauber-Geld" - also über zinsfreie Geldgeschenke für alle - nachgedacht hat.

Solange die Zentralbanken an ihrer Null- und Negativzinspolitik festhalten - und danach sieht es aus -, können Anleger hoffen, Gewinne vor allem in den Aktien-, Immobilien- und Edelmetallmärkten erzielen und dem Kaufkraftverlust des Geldes entgehen zu können. Das Inflationieren der Preise wird in dem Maße an Breite gewinnen, in dem die Zentralbanken die elektronische Notenpresse immer schneller laufen lassen. Und darauf läuft die Null- beziehungsweise Negativzinspolitik wohl auch hinaus.

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Quelle: Robert Shiller, Thomson Financial; eigene Berechnung. *1 dividiert durch den 10-Jahreszins der US-Staatsanleihen in Prozent (von Hundert).


Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von zum Beispiel 20 im Anleihemarkt besagt, dass es 20 Jahre dauert, bis der Anleger den Geldbetrag, den er verliehen hat, durch die laufenden Zinseinnahmen wieder zurückbekommt. Je höher also das KGV ist, desto größer ist also auch das Risiko, dass der Anleger trägt. Derzeit liegt das KGV der 10-jährigen US-Staatsanleihen bei über 70!


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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