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Die Zentralbanken als Taktgeber

22.08.2016  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1277 (07:45 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1271 im asiatischen Handel markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 100.90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 113.80. EUR-CHF oszilliert bei 1.0875.

Die Einlassungen aus Tokio seitens der Bank of Japan belegen einmal mehr eindrucksvoll die Machtposition, die die Zentralbanken an den Märkten einnehmen. Diese Machtposition ist ausgeprägt und sie ist mehr denn je Taktgeber an den Finanzmärkten. Dabei ist die Frage zu stellen, in wie weit die Mittel der Repression maßgeblich auch durch Regulatorik wirken?

Geht nicht mit dieser Repression ein Verlust der Glaubwürdigkeit einher? Basiert das westliche Finanzsystem nicht solitär auf Vertrauen (Fiat-Währungssystem) und wird dieses Vertrauen damit nicht schlussendlich erodiert?

Es mag zu früh sein, diesbezüglich eine systemische Frage als virulent zu titulieren, aber diese Politik der Zentralbanken erodiert bei aggressiver Fortsetzung die Glaubwürdigkeit des ganzen Systems.

Im Namen des Kapitalismus und der freien Gesellschaften und freien Märkte bewegt sich der Finanzmarkt in einem Umfeld politischer Preise.

Die aktuelle Situation ist historisch einmalig, da zunehmend nicht mehr die Diskontierung der zukünftigen Cash-Flows Grundlage der Investitionsentscheidungen ist, sondern vielmehr das voraussichtliche Interventionsverhalten der maßgeblichen Zentralbanken.

Fakt ist, dass damit das Spiel freier Märkte auf den Kopf gestellt wird. Nicht konjunkturbedingte oder politische Risikoaversion oder Risikofreude bestimmt damit das Bild an den Finanzmärkten, sondern mehr und mehr übernehmen Zentralbanken den Taktstock der Marktentwicklung. Das ist nicht ihr Job!

So etwas ist als kurzfristiges Krisenmanagement unter Umständen sachlich geboten, nicht jedoch als Dauerzustand.

1990 fiel der Kommunismus mit den Charakteristika politischer Preise. 26 Jahre später sind wir im Kernfeld des Kapitalismus, den Finanzmärkten, mit einer historisch einmaligen politischen Preisstruktur konfrontiert.

Hier gilt es auch einen Blick in die USA zu werfen. Historisch interessierte Marktteilnehmer mögen sich noch erinnern, wie man Europa bis zur Jahrtausendwerte, die Werte freier Märkte eintrichterte, uns schulmeisterte und unseren staatlichen Interventionismus als unprofessionell abkanzelte.

In den USA haben die Protagonisten sportlich das Hemdchen gewechselt - was sagt das über das akademische Fundament aus?

Was sagt es über die Verhaftung in einem Wertesystem aus, das übrigens immer noch nach außen forciert wird (Öffnung der Märkte dritter Länder bei zunehmender Nichtöffnung (z. B staatliche Ausschreibungen) im eigenen Land und Forcierung von asymmetrischen Freihandelsabkommen), obwohl es geschliffen wurde. Definiert man so die Glaubwürdigkeit eines Hegemons?

Diese Woche wird der Markt von dem Treffen in Jackson Hole bestimmt.

Im Vorwege wird man an den Märkten voraussichtlich die Selbstgeißelung der Paralyse wählen, weil es ja Unerwartetes seitens der Entscheider bei den wesentlichen Zentralbanken geben könnte. Insbesondere liegt das Augenmerk auf den Einlassungen von Janet Yellen, die bekanntlich an der Spitze der Federal Reserve steht.

Bezüglich des Trackrecords der Federal Reserve, beispielsweise mit der seit 2014 propagierten Zinswende, die wahrscheinlich mehr als 20-mal an den Devisenmärkten diskontiert wurde, liefert dieses Eliteteam eine Performance, die bezüglich der Trefferquote der Verbalakrobatik zu höchster Vorsicht mahnt.

Gleichwohl wird der Markt handzahm sein, weil sich wesentliche Determinanten der Märkte verändert haben.

In früheren Zeiten (80er und frühe 90er) hätte der Markt anders reagiert als heute. Die aktuelle Willfährigkeit der Märkte hat auch mit einem strukturellen Wandel zu tun. In den 80er und den frühen 90er Jahren gab es im internationalen Bankenmarkt ein echtes Polypol. Heute haben wir eine Bankenaristokratie, ein Oligopol, das eine massive Nähe zum Zentralbanksektor hat.

Von "too big to fail" sind wir mittlerweile zu "too big to jail" meandert. So nennt man offensichtlich erfolgreiche Struktur- und Reformpolitik seit Ausbruch der Krise 2008/2009.

Diese Allianz zwischen Oligopolisten und Zentralbanken, hinter der unter anderem durch zentrierte Handelssysteme eine massive Marktmacht steht (aber auch Partizipanten an den Future-Märkten), bietet und forciert den Hintergrund der aktuellen Marktentwicklungen.

Adam Smith, der die ordnende Wirkung von Märkten und die Sinn stiftende Funktion für Wirtschaft und Gesellschaft so treffend und unbestechlich beschrieb, bewegt sich aller Voraussicht nach unruhig in seinem Grabe.

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0950 - 1.0970 dreht den Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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