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Europa auf der Überholspur, nur EZB "erkennt" es nicht!

11.04.2017  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.0585 (07.29 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0570 im europäischen Handel markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 110.66. In der Folge notiert EUR-JPY bei 117.15. EUR-CHF oszilliert bei 1.0680.

Wir freuen uns, dass der IWF aller Voraussicht nach in der Anpassung der Wachstumsprognosen im kommenden World Economic Outlook per April in unser positives Prognosefahrwasser einschwenkt und dabei werden nicht die USA die Grundlage dieser positiven Anpassung liefern!

Auch sind wir auf den Fiscal Monitor gespannt, da die Divergenz der öffentlichen Haushaltsentwicklung zwischen der Eurozone einerseits und den USA, UK und Japan andererseits äußerst augenfällig ausfallen sollte.

Da die Haushaltslagen Basis der Abstufungen durch Ratingagenturen in der Defizitkrise der Eurozone waren, sind wir im höchsten Maße gespannt, wie die Ratingagenturen auf die Verschlechterung der Haushaltslagen in den betreffenden Ländern reagieren werden. Sollten sie nicht reagieren, sind Fragen zu stellen. Unter anderem auch die Frage, in wie weit die Rolle der Ratingagenturen in der ordnungspolitischen Verankerung unseres Finanzsystems angemessen ist.

Frau Yellen, Chefin der US-Notenbank, bemühte sich gestern in dem Minenfeld alternativer Fakten. Sie definierte die Lage der US-Wirtschaft als ziemlich gut und sah darin die Voraussetzung einer Fortführung der moderaten Zinserhöhungen. Das letzte Mal, als die US-Wirtschaft mit 1,6% wuchs, sah sich der Vorgänger Yellens genötigt, die Geld- und Zinspolitik massiv zu lockern. Mehr noch sind die selbsttragenden Kräfte der US-Wirtschaft nicht gegeben. Um 2016 1,6% Wachstum zu erzielen, bedurfte es eines öffentlichen Haushaltsdefizits in Höhe von 5,6% der Wirtschaftsleistung (Daten der US-Treasury).

Wir sind irritiert, dass weder der Finanzmarkt noch Ratingagenturen als auch entscheidende Medien dieses Dilemma der USA thematisieren.

Es erinnert an 2007/2008, als die medienwirksamen Protagonisten allesamt sagten "The crisis is contained". Auch seinerzeit haben wir widersprochen (siehe „Endlich Klartext“). Wir weisen auf diese US-Defizite hin. Die normative Kraft des Faktischen erlaubt lediglich eine Debatte über den Zeitpunkt der Virulenz dieser Themen in der Diskontierung an den Finanzmärkten.

Wir bieten dazu den Chart der Federal Reserve Atlanta mit der Prognose des BIP per 1. Quartal 2017. Das BIP wird in der auf das Jahr hochgerechneten Form (annualisiert) dargestellt. Gestartet bei 2,3%, in der Spitze bei 3,4% und jetzt gelandet bei 0,6% - "Chapeau!" "Food for a lot of thought!"

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Ganz anders als die Fed, die in der schwächsten US-Konjunturphase seit 2011 Zinsen erhöhen will, verweigert sich die EZB in der besten Konjunkturphase seit 2010/2011 einer Anpassung der Zins-und Geldpolitik. Mehr noch basiert der Konjunkturzyklus der Eurozone maßgeblich auf wiederkehrenden Einkommen, der besten Qualität einer wirtschaftlichen Expansion im Gegensatz zu der Konjunkturzyklik in den USA und im UK, die maßgeblich von Kredit getrieben ist.

Diese Divergenz der Zinspolitiken ist nicht gesund! Sie liefert Grundlagen für kommende Verwerfungen. Negation der Realität hat niemals in der Historie Probleme bereinigt. Auch die USA, das UK und Japan kommen um das Thema schmerzhafter Strukturreformen (Aristoteles) nicht herum, es sei denn man ist bereit, das ultimative Mittel der Politik ins Spiel zu bringen (Krieg). Davon gehen wir derzeit nicht aus.

Die Eurozone bleibt im Rahmen der Möglichkeiten, die die wiederkehrenden Einkommen liefern, auf der Überholspur. Auch das gestern veröffentlichte Wirtschaftsdatum unterstreicht diese Realität.

Der Sentix-Index für die Eurozone legte per Berichtsmonat März stärker als erwartet von zuvor 17,35 auf 23,95 Punkte zu. Damit markierte der Index den höchsten Wert seit August 2007! Gut - das reicht der EZB eben immer noch nicht …

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© Reuters


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0450-1.0480 dreht den Bias zu Gunsten des USD.

Viel Erfolg!

P.S. Für Interessenten an historischen Hintergründen und Sachlichkeit: Link: http://www.zerohedge.com/news/2017-04-10/1983-cia-document-reveals-plan-destroy-syria-foreshadows-current-crisis


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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