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Goldrausch der Kryptowährungen

10.07.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
"Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und dann gewinnst du." Dieses Zitat wird Mahatma Gandhi (1869 - 1948), dem indischen Rechtsanwalt und Anführer der gewaltfreien Unabhängigkeitsbewegung in Indien, zugeschrieben. Gandhis Worte sind gewissermaßen wie gemacht, um die Reaktionen zu charakterisieren, die angesichts des Aufkommens der "Kryptowährungen" zu beobachten waren.

Anfänglich übersehen und belächelt in ihrem Anspruch, zum neuen Geld - zum allgemein akzeptierten Zahlungsmittel - aufzusteigen, hat mittlerweile nicht nur das öffentliche Interesse an den Kryptowährungen deutlich zugenommen. Auch die Staaten haben sich mittlerweile aufgemacht, um mittels Regulierungs- und Besteuerungsvorschriften die Attraktivität der Kryptowährungen gegenüber dem staatsmonopolistischen "Fiat-Geld" abzuschwächen. Einige wähnen dennoch die Kryptowährungen sogar auf der Gewinnerstraße.

Bei Kryptowährungen handelt es sich um - kurz gesprochen - verschlüsselte (kryptographisch abgesicherte) und dezentral gespeicherte Datenprotokolle. Sie lassen sich als Zahlungsmittel einsetzen. Die Besonderheit: Kryptowährungen werden ohne Einflussnahme einer Zentralinstanz (in Form einer staatlichen Zentralbank) produziert und zwischen Zahlungssender und -empfänger übermittelt, und das kostengünstig und anonym. Es gibt bereits eine ganze Reihe von ihnen. Die bekannteste Kryptowährung ist der Bitcoin, gefolgt von Ethereum, Ripple, NEM, Litecoin, Dash, Monero und anderen mehr.

Für Anleger und Investoren stellt sich eine Reihe von Fragen: Was verbirgt sich hinter dem Aufkommen der Kryptowährungen? Handelt es sich um eine ernstzunehmende Entwicklung oder nur eine kurzlebige Modeerscheinung? Kann man Kryptowährungen überhaupt trauen? Welche Konsequenzen können Kryptowährungen für das aktuelle Geldsystem haben? Und können sie Gold ersetzen? Wenn wir uns im Folgenden mit diesen (und anderen Fragen) auseinandersetzen, erscheint es ratsam, sich zunächst einige ganz grundsätzliche Erkenntnisse zum Geld in Erinnerung zu rufen.


Über das Geld

Was ist Geld? Geld ist kein Produktionsgut und auch kein Konsumgut. Es ist vielmehr ein Gut eigener Art: Geld ist das Tauschgut. Es ist dasjenige Gut, das die größte Marktakzeptanz besitzt - es lässt sich am einfachsten gegen andere Güter eintauschen, und wird daher auch als das allgemein akzeptierte Tauschgut beziehungsweise Zahlungsmittel bezeichnet.

Damit ein Gut die Geldfunktion(en) übernehmen kann - hierzu zählen die Tausch-, Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsfunktion -, muss es bestimmte (physische) Eigenschaften aufweisen. Zum Beispiel muss das Gut, das als Geld verwendet werden soll, knapp, homogen (also von gleicher Art und Güte), haltbar, teilbar, prägbar und transportabel sein und es muss allgemein wertgeschätzt sein.

Blickt man in die Währungsgeschichte, so zeigt sich, dass schon viele Güter miteinander um die Geldfunktion konkurriert haben. Dazu gehören beispielsweise Vieh, Steine oder Gewürze. Wann immer die Menschen jedoch freiwillig über ihr Geld bestimmen konnten, haben sie sich meist für Edelmetalle entschieden: Gold, Silber und Kupfer. Allen voran jedoch das Gold. Es ist gewissermaßen "perfektes Geld". Es erfüllt alle (physischen) Anforderungen des "guten Geldes".

Vor allem kann die Goldmenge aufgrund politischer Willkür nicht ausgeweitet und ihre Kaufkraft nicht willkürlich herabgesetzt werden. Das ist sozusagen eine der herausragenden Eigenschaften des gelben Metalls. Wenn das aber so ist, werden Sie fragen, warum ist dann das heutige Geld nicht mehr Goldgeld beziehungsweise durch Gold gedeckt? Warum sind dann unsere heutigen Währungen ungedecktes Geld, Geld, das sich nicht mehr in ein Sachgut eintauschen lässt?

Anfang der 1970er Jahre wurde das Goldgeld aus politischen, nicht aber aus ökonomischen Beweggründen durch ungedecktes Geld - durch "Fiat"-Geld - ersetzt. Genauer: Am 15. August 1971 beendete die US-Administration unter Präsident Richard Nixon (1913 - 1994) die Goldeinlösepflicht des US-Dollar. Dadurch wurden de facto auch alle anderen Währungen vom Gold abgetrennt. Seither ist das weltweite Währungssystem ein Fiat-Geldsystem. Die großen Währungen der Welt - ob US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi, japanischer Yen oder Schweizer Franken - sind sogenanntes Fiat-Geld (vom lateinischen fiat «so sei es»).

Fiat-Geld zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus.

(1) Fiat-Geld ist staatliches Monopolgeld. Es wird von staatlichen Zentralbanken produziert, die das Geldangebotsmonopol innehaben.

(2) Fiat-Geld ist intrinsisch wertlos, es hat die Form von mit Tinte bedruckten Papierzetteln und Einträgen auf Computerfestplatten (Bits and Bytes).

(3) Fiat-Geld wird (im Regelfall) durch Bankkreditvergabe produziert, die nicht durch «echte Ersparnis» gedeckt sind; Fiat-Geld wird «ex nihilo» geschaffen. Bevor wir uns die Folgen des Fiat-Geldsystems vor Augen führen, sei noch etwas über die Bedeutung des Geldes für die Wirtschaftsrechnung gesagt.


Geld und Wirtschaftsrechnung

Die Funktionen des Geldes - Tauschmittel-, Rechen- und Wertaufbewahrungsfunktion - sind hinlänglich bekannt. Dabei wird jedoch eines häufig übersehen: Dass nämlich Geld ein unverzichtbares Mittel ist, um eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durchführen zu können. Was ist damit gemeint? Eine moderne, arbeitsteilige Volkswirtschaft zeichnet sich durch komplizierte und zeitlich gestreckte Produktionsprozesse aus, in der eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Produktionsfaktoren zum Einsatz kommen.

Um kalkulieren und entscheiden zu können, ob die Mittel überhaupt ausreichen, um die gewünschten Produkte zu produzieren, und festzustellen, auf welche Weise sie produziert werden sollen, ist ohne das Verwenden von Geld nicht möglich. Man braucht eine Rentabilitätsrechnung, die sich jedoch nur unter Verwendung von Geld durchführen lässt. Genauer: Man braucht zur Wirtschaftsrechnung ein Geld, dessen Tauschwert sich nicht willkürlich und in kurzer Zeit nicht allzu stark verändert.

Das heutige Fiat-Geld ist so gesehen aus mindestens zwei Gründen problematisch. Erstens: Die staatlichen Zentralbanken (in enger Kooperation mit den privaten Geschäftsbanken) verändern die Fiat-Geldmenge nach politischem Kalkül und verschlechtern dadurch die Fähigkeit des Geldes, seine Funktion in der Wirtschaftsrechnung leisten zu können: Die Vermehrung der Geldmenge verändert künstlich die relativen Preise, verzerrt sie, und das trägt zu Fehlkalkulationen und Fehlentscheidungen bei.



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