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Die Überraschung: Der Euro im Aufwind

05.08.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
EURUSD ist bereits relativ teuer - eine weitere Aufwertung würde in eine Überbewertungszone führen.

Seit seinem Tiefstand am 21. Dezember 2016 von 1,0390 Euro gegenüber dem US-Dollar hat die Einheitswährung um fast 15 Prozent auf knapp 1,19 zugelegt. Für viele eine Überraschung (den Autor eingeschlossen.) Mittlerweile rechnen viele Auguren mit einem weiteren Anstieg der Einheitswährung gegenüber dem US-Dollar. Von einem Wechselkurs in Höhe von 1,25 zuweilen auch von 1,30 ist die Rede. Hat der Euro zu einem dauerhaften Höhenflug angesetzt? Oder handelt es sich hier nur um einen kurzfristigen Ausreißer?

Zunächst einmal drängen sich einige Ad hoc Antworten auf diese Frage auf. Beispielsweise hat sich die Konjunkturlage im Euroraum in den letzten Quartalen in der Tat weiter verbessert. Zweifel an Kreditausfällen oder gar am Zusammenbruch des Euro-Projektes haben dadurch abgenommen. Und gleichzeitig scheinen die Investoren Vertrauen in den (wirtschafts-)politischen Kurs der Amerikaner verloren zu haben, zum Nachteil des Dollar-Außenwertes.

Doch wohin sich der Euro-US-Dollar-Wechselkurs letztlich bewegen wird, hängt von einer ganz entscheidenden Frage ab: Wo liegt der "faire Wert" des Euro-Außenwertes? Leider gibt es keine "Bewertungsformel", die immer und überall sagen kann, wo der "richtige" EURUSD-Wechselkurs liegt. Zudem bildet sich ein Wechselkurs auf Basis von Erwartungen, die sich jedoch nicht immer direkt beobachten und messen lassen.

Um dennoch der Frage nachzugehen, wo der EURUSD liegen sollte, wenn er der fundamentalen Datenlage folgt, seien zunächst einige Grafiken zu Rate gezogen. - Wie Abb. 1 zeigt, handelt EURUSD derzeit leicht unter seinem Durchschnittswert (seit Einführung), der bei etwa 1,20 US-Dollar pro Euro - der aktuelle Kurs von knapp 1,19 liegt damit recht nahe beim Durchschnittskurs.

Die Zinsdifferenz sollte ebenfalls den Wechselkurs (mit-)bestimmen: Die Währung, deren Zinsen steigen, sollte tendenziell aufwerten. Blickt man auf die kurzfristige Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum, wäre derzeit ein EURUSD von etwa 1,05 angemessen (Abb. 2). Allerdings ist hier zu beachten, dass die Kurzfristzinsen in besonderem Maße von den Zentralbanken kontrolliert werden. Daher erhält man vermutlich ein verzerrtes Bild: Es wird nicht ersichtlich, was die Marktakteure auf den Zinsmärkten längerfristig erwarten.

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Abbildung 1: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Gestrichelte Linie: Durchschnitt Januar 1975 bis Anfang August 2017
Abbildung 2: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (2) Für Staatsanleihen


Daher dürfte es aufschlussreicher sein, auf die Differenz zwischen den Langfristzinsen zu blicken. Abb. 3 zeigt, dass die Entwicklung der Langfristzinsen in den letzten Monaten in der Tat eine (leichte) EURUSD-Aufwertung rechtfertigt. Vermutlich scheint die jüngste Aufwertung von der Erwartung getragen zu sein, die Zinsdifferenz werde sich weiter zurückbilden, dass also die Zinsen im Euroraum stärker anziehen werden (oder weniger stark fallen) als in den USA; oder dass andere, zusätzliche Faktoren eine Rolle spielen.

Nun sind allerdings auch die Langfristzinsen in erheblichem Umfang geldpolitisch beeinflusst beziehungsweise verzerrt. Daher bietet sich ein Versuch an, den EURUSD-Wechselkurs anhand von zwei Faktoren zu erklären: der langfristigen US-Dollar-Euro-Zinsdifferenz und der relativen Aktienmarktentwicklung, also der Entwicklung des US-Aktienmarktes gegenüber der Entwicklung des Euroraum-Aktienmarktes. Die Überlegung dabei ist: Je stärker (schwächer) der US-Aktienmarkt sich entwickelt im Vergleich zum Euro-Aktienmarkt, desto stärker (schwächer) ist auch der US-Dollar gegenüber dem Euro.

Diesem Ansatz folgend, haben wir den EURUSD mittels einer Langfristschätzung, die die Zeit 1975 bis 2017 abdeckt, nachgezeichnet. Das Ergebnis ist in Abb. 4 dargestellt. Auf Basis der Langfristschätzung müsste der Wechselkurs derzeit nahe der Parität liegen, wobei die Schwankungsbreite zwischen 0,85 (untere Bandbreite) und 1,16 (obere Bandbreite) liegt.


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