Das Goldpreismanagement in Zeiten der Finanzrepression (Teil 2/3)
31.08.2017 | Lars Schall
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Mitte 2002 wurde die vermeintliche Handschrift des Plunge Protection Teams gar in Australien registriert. "Progressive Review-Redakteur Sam Smith zitierte kürzlich einen Bericht von Richard Bromby im Australian Financial Review: 'Am Mittwoch [26. Juni] um 14 Uhr 32 New Yorker Zeit, ereignete sich etwas Außergewöhnliches an der Wall Street, Ecke Broad Street. Der Dow Jones Industrial Index der New Yorker Wertpapierbörse - der seit der Eröffnung des Handelstages wegen der Enthüllung des WorldCom-Betruges zu kämpfen hatte - ließ seine Probleme hinter sich. Von einem Tagestief bei 8,926.6 schoss der Dow himmelwärts auf ein Hoch von 9,160 um 15 Uhr 29. (...) Könnte dies das Werk des vieldiskutierten, aber nie gesehenen Plunge Protection Teams gewesen sein? Manche sind der Auffassung, dieses Team stelle eine mächtige und geheimnisvolle Hand dar, die bereit ist, immer dann in Aktion zu treten, wenn der Dow auf Grund zu laufen droht. (...) Die Londoner Zeitung Observer berichtete vergangenen Oktober, ihr lägen Informationen vor", wonach sich das Plunge Protection Team darauf vorbereite, "'Milliarden von Dollar' auszugeben, um eine Wiederholung von 1929 und 1987 zu verhindern." (17)
Marktteilnehmer und -kommentatoren, die die "unsichtbare Hand" des Plunge Protection Teams öffentlich thematisierten, wurden in der Mainstreampresse als nicht weiter ernstzunehmende "Verschwörungstheoretiker" abgeschrieben. (18) Fakt ist, dass der damalige Finanzminister der USA Hank Paulson (ehemals Goldman Sachs) in einem Interview vom August 2007 äußerte, dass das PPT wieder aktiv sei, um daran zu arbeiten, "dass wir die gleichen Fragen sehen, die gleichen Probleme, und an den gleichen Lösungen arbeiten." (19) An der Existenz der Working Group on Financial Markets gibt es wenig zu deuteln. "Interessant ist die Frage, ob es sich nach US-Recht um ein Kartell handelt. Schlussendlich stellen diese Verabredungen Vorteile der anwesenden Banken gegenüber dem Rest des US-Bankenmarkts dar." (20)
Ferner steht außer Frage, dass das PPT alarmiert wurde, als LTCM am Rande des Kollapses stand und die Banken an der Wall Street in Panik gerieten. Sogleich nachdem er davon erfahren hatte, was sich in New York zutrug, begann US-Finanzminister Robert Rubin (ehemals Goldman Sachs) Mitglieder des PPT zu kontaktieren. "Den Mitgliedern der Arbeitsgruppe wurde an diesem Wochenende mitgeteilt, dass die gesamte amerikanische Wirtschaft in der Schwebe hinge." (21)
Der operative Arm des Federal Reserve Systems in den Finanzmärkten, die Federal Reserve Bank of New York, "übernahm die Rolle als Super-Verhandlungsführer", um mit einer Reihe von Banken - darunter Goldman Sachs, Merrill Lynch, JPMorgan, Chase Manhattan und UBS - 3,6 Milliarden US-Dollar zu berappen, sodass LTCM gekauft und dessen Schulden zurückgezahlt werden konnten. (22) Die New Yorker Fed ist für sich, "trotz simultaner politischer Opposition", die einflussreichste Bank des Federal Reserve Systems, "sehr zur Freude der Wall Street - die ihre Aufmerksamkeit leichter auf die reichste Fed-Bank in ihrer Heimatstadt konzentrieren konnte." (23)
Ferner unterhält das gesamte Federal Reserve System seit jeher "eine viel engere Beziehung zu Privatbanken als zur Öffentlichkeit. Der Grund dafür liegt darin, dass die Mitgliedsbanken" - sowohl jene, die von den einzelnen Bundesstaaten, als auch jene, die vom Office of the Comptroller of the Currency (OCC) zugelassen wurden - "als Voraussetzung für ihre Mitgliedschaft im Federal Reserve-System Anteile der Federal Reserve Bank ihres Distrikts zeichnen müssen.
Die Höhe dieser Pflichtzeichnung entspricht 6 Prozent des Kapitals und Überschusses der Bank. Davon müssen 3 Prozent unmittelbar, die restlichen 3 Prozent auf Abruf durch das Board of Governors der Federal Reserve eingezahlt werden. Das bedeutet, dass die größeren Banken mehr Anteile an der Fed halten. Außerdem erhalten Mitgliedsbanken eine 6-prozentige Dividende auf ihre Anteile - nicht gerade schäbig in Zeiten von Aktienmarktturbulenzen, in denen das keine Bank ihren Privataktionären bietet." (24)
Um mit der Dynamik der negativen Marktpsychologie fertig zu werden und "eine Entkrampfung an den Kreditmärkten herbeizuführen", ließ der Fed-Vorsitzende Greenspan die Geldpolitik kräftig lockern. (25) Die entscheidende Rettungskonferenz vom 23. September 1998 leitete unterdes der damalige Präsident der Federal Reserve Bank of New York, William J. McDonough. An ihr nahmen "die Vorsitzenden der Traveler’s Group, von Goldman Sachs, Merrill Lynch, Chase Manhattan, Banker‘s Trust, Smith Barney, Bear Stearns, Lehman Brothers, Morgan Stanley, JP Morgan, von der Deutschen und der Dresdner Bank teil. Mit anderen Worten war die internationale Bankenaristokratie umfänglich versammelt. Unter Alan Greenspans Führung griff der USOffenmarktausschuss dann auch noch zum Breitbandantibiotikum Zinssenkung.
Hinsichtlich der Definition des Auftrags des PPT war dieses Team zwingend in irgendeiner Form an der Intervention beteiligt. Inwieweit aktive Kursbeeinflussung eine Rolle spielte, lässt sich heute nur vermuten. Fakt ist, dass per September 1998 Tiefstkurse des Dow Jones bei 7.400 Punkten markiert wurden und es dann in den beiden folgenden Monaten Oktober und November 1998 zu Befestigungen des Dow Jones bis auf 9.380 Punkte kam. Ein Anstieg um knapp 27% in zwei Monaten ist fraglos unüblich und nährt Vermutungen einer aktiven Teilnahme des PPT am Marktgeschehen.“ (26)
Der feine Unterschied zwischen der Rettungspolitik der Fed im Zeichen der Finanzkrise, die sich ab 2007/08 auf die USA niederschlug, und ihrem Agieren im Jahre 1998: "die Regierung orchestrierte eine private Rettung von LTCM und setzte keine öffentlichen Mittel ein, um einen Risikofonds zu retten. Außerdem war das Volumen der LCTM-Rettung nichts im Vergleich zur Rettungsmission im Rahmen der zweiten großen Bankenkrise: tatsächlich entsprach es nur etwa der Höhe der 2008 an die Führungskräfte von Merrill Lynch ausgezahlten Boni.
Dennoch zeigte die LTCM-Rettung, dass die Fed willens war zu intervenieren, um einen Weg zu finden" genau jene Banker herauszuhauen, die "schlechte Geschäftspartner gewählt hatten. Dieser Präzedenzfall wurde 2008 und 2009 bis zum Maximum ausgereizt." (27)
Konkrete "Hinweise auf Goldaktivitäten" der Arbeitsgruppe für Finanzmärkte liegen bislang nicht vor; sie "mag dennoch koordinierend tätig geworden sein." (28) Von gewisser Bedeutung ist sie allemal, "denn sie sollte Lösungen favorisieren, die Marktteilnehmer privatwirtschaftlich durchführen, eine Vorgehensweise, die man während des Börsencrashs 1987 praktizierte, die aber nie offiziell bestätigt wurde. Es ist ja genau diese Kooperation, wie sie 1987 stattfand, die als Vorbild bei den Goldinterventionen diente." Woraus sich ein "spezielles Problem" ergibt: "Wenn Marktinterventionen privatwirtschaftlich durchgeführt werden, dann müssen die privaten Häuser auf Dauer auch Gewinne erzielen. Wenn sie aber Gewinne erzielen, (…) dann ist die Versuchung einfach ziemlich hoch, diese Intervention mehr oder minder eigenständig zu betreiben und zu forcieren." (29)
Am Plunge Protection Team wäre nicht nur das US-Schatzamt, sondern auch die U.S. Federal Reserve Bank beteiligt. Weiters ist von Relevanz, dass in den Tresoren der Federal Reserve Bank of New York mehrere Tausend Tonnen an ausländischem Zentralbankgold lagern (und die Verleihungen, die von New York aus stattfanden, stiegen seit dem Jahre 1993 bis circa 2001 zweifelsohne beträchtlich an (30)).
Im Zuge meiner Recherchen zum Goldmarkt schrieb ich im August 2012 dem Pressebüro des US-Schatzamtes und der damaligen Pressesprecherin des Exchange Stabilization Fund, Kara Alaimo, eine Presseanfrage, in der ich um Antworten auf diese Fragen bat:
1.) Hat die US-Regierung in den letzten 20 Jahren versucht, den Preis von Gold zu beeinflussen, offen oder heimlich, direkt oder über Mittler? Wenn ja, wann, wie und zu welchem Zweck?
2.) Hat das Schatzamt oder eine andere Behörde der US-Regierung, darunter der Exchange Stabilization Fund, Gold-Swaps oder Gold-Swap-Vereinbarungen oder andere Goldtransaktionen in den letzten 20 Jahren eingesetzt?
3.) Sind die Aufzeichnungen der US-Regierung, die sich auf Gold beziehen, darunter die des Finanzministeriums und des Exchange Stabilization Fund, vollständig für die Öffentlichkeit zugänglich? Wenn nicht, warum?