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Die dunkle Seite der Zinsmanipulation

18.09.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Dass die Zentralbanken für Verschuldungsaufbau sorgen - und einem Verschuldungsabbau entgegenarbeiten -, hat einen Grund: Versiegt der Kreditstrom, gerät die aufgetürmte Schuldenpyramide ins Wanken, stürzt wohlmöglich in sich zusammen und reißt die Volkswirtschaften mit sich in den Abgrund. Um das zu verhindern, haben sie die Zinsen so stark wie nie zuvor gesenkt - und müssen sie jetzt auch weiter niedrig halten. Das ist die unangenehme Wahrheit über die Funktionsweise des internationalen ungedeckten Geldsystems.

Für den globalen Konjunkturschub und natürlich auch für das Preisfeuerwerk an den Börsen und Immobilienmärkten sind die niedrigen Zinsen ein ganz wesentlicher Treiber. Die Volkswirtschaften hängen mehr denn je davon ab, dass die Zinsen niedrig bleiben beziehungsweise, dass sie weiter absinken, und dass nicht nur - Anleger aufgepasst - in nominaler, sondern auch in realer, das heißt inflationsbereinigter Rechnung: Der Realzins entspricht dem Nominalzins abzüglich der Geldentwertungsrate.

In den letzten zehn Jahren haben die Zentralbanken nicht nur dafür gesorgt, dass die nominalen Zinsen auf extrem niedrige Niveaus gefallen sind. Sie haben sich auch daran gemacht, die Realzinsen in vielen Marktsegmenten in den Negativbereich zu drücken. Beispielsweise liegt der durchschnittliche zweijährige Realzins in den Vereinigten Staaten von Amerika seit Mitte 2008 bis heute minus 0,7 Prozent pro Jahr. Die durchschnittliche 10-Jahresrendite im Euroraum liegt nach Abzug der Inflation derzeit bei minus 0,5 Prozent.

Der negative Realzins hilft den Verschuldeten: Er reduziert ihre Schuldenlast, sie müssen kaufkraftbereinigt weniger zurückzahlen, als sie sich geliehen haben. Die Leidtragenden sind selbstverständlich die Anleger, die ihr Geld - ob wissentlich oder unwissentlich - dem negativen Realzins aussetzen. Das negative Realzinsregime ist kein Zufall: Um die weltweite Schuldenpyramide vor dem Einsturz zu bewahren, sind mittlerweile nicht nur extrem niedrige Nominalzinsen, sondern auch negative Realzinsen notwendig.


In der Zinsfalle

Der Eindruck trügt nicht: Die Zentralbanken haben mit ihren Zinsmanipulationen eine verkehrte Welt geschaffen, um die wahren Folgen ihrer Politik vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen. Wie erklärt sich dann aber, dass die großen Zentralbanken wieder zur "Normalität" zurückzukehren wollen? Wie zu lesen ist, will ja die amerikanische Zentralbank (Fed) den Leitzins weiter anheben, und auch die Europäische Zentralbank (EZB) signalisiert eifrig, sie werde über kurz oder lang auf die geldpolitische Bremse treten.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es über kosmetische Zinsanhebungen nicht hinausgehen wird. Denn in letzter Konsequenz wird sich wohl niemand finden, der bereit ist, die Verantwortung für die ökonomischen und politischen Konsequenzen zu übernehmen, die ein "Normalisieren" der Zinsen - ein Anheben der Realzinsen - nach sich ziehen würde. Es sieht eher so aus, dass die Volkswirtschaften im Tiefzinsregime hängenbleiben - und dass die Hoffnung auf eine Rückkehr "auskömmlicher Zinsen" enttäuscht wird.

Unter diesen Bedingungen ist übrigens das Risiko eines bevorstehenden Systemzusammenbruchs ("Crash") - den vermutlich so mancher Anleger fürchtet - geringer einzustufen als das Risiko einer fortgesetzten Inflationierung des Geldsystems. Zumal die Möglichkeiten, das ungedeckte Geldsystem in Gang zu halten, bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind: Die Realzinsen lassen sich noch weiter absenken - denn die Kapazität der Zentralbanken, Schulden zu monetisieren, ist im wahrsten Sinne des Wortes unbegrenzt.


Vier Erfolgsprinzipien

Kann man in solch einer Situation in Aktien investieren? In einem Umfeld, in dem die Zentralbankpolitiken die Konjunkturen in die Irre führen, in dem die Preise auf den Finanzmärkten verzerrt und aufgebläht sind? Ja, man kann - und zwar durchaus auch mit gutem Gewissen, wenn man sich die erprobten Prinzipien, die langfristig wirklich erfolgreichen Aktieninvestoren beherzigen, zu Eigen macht. Vier dieser Prinzipien seien an dieser Stelle genannt:

(1) Investieren Sie nur in Unternehmen, deren Geschäfte Sie verstehen und deren Erfolg Sie mit hinreichender Genauigkeit abschätzen können. Dazu gehören Unternehmen, die einen belastbaren "Track Record" haben, die also bewiesen haben, dass sie mit dem Auf und Ab der Konjunkturen zurechtkommen; dass sie auch durch schwierige Phasen hindurch erfolgreich gewirtschaftet und auch ihr Kapital stets gut investiert haben.

(2) Halten Sie dabei Ausschau nach "großartigen Unternehmen" ("Great Businesses"): Das sind solche, die dauerhaft eine hohe Eigenkapitalrendite und einen hohen Gewinn pro Aktie erzielen - weil sie etwas können, was andere nicht beziehungsweise nicht ohne weiteres kopieren können. Die Mühe, großartige Unternehmen aufzuspüren, lohnt sich: Man kann sie kaufen und für lange Zeit halten.


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