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Die blockierte Zinswende

19.02.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Politisierter Zins

Die Zentralbanken kontrollieren den Zins. Mehr denn je. Der Zins ist längst kein Phänomen des freien Marktes mehr, sondern ein "Politikum". Die Zentralbanken bestimmen nicht nur den Kurzfristzins (im Prinzip auf die Nachkommastelle genau), sondern durch ihre Wertpapierkäufe beeinflussen sie mittlerweile auch direkt (und maßgeblich) die Langfristzinsen. Das ist eine wichtige Einsicht, die nahelegt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine echte Zinswende gering ist - verstanden in dem Sinne, dass der Zinsabwärtstrend dauerhaft nach oben durchbrochen wird. Vor allem zwei Gründe sprechen für diese Vermutung.

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Quelle: Thomson Financial. (1) 10-Jahresrendite der Staatsanleihen. Realzins ermittelt als Nominalzins abzüglich der Jahresveränderung der Konsumentenpreise. Bis Januar 2018


Grund 1: Steigende Zinsen gefährden den Aufschwung ("Boom") und sind daher politisch unliebsam. - Kommt es zu einem dauerhaften "Ausbruch" aus dem Zinsabwärtstrend nach oben, bringt das ein besonderes Problem mit sich. Schließlich befinden sich die Volkswirtschaften in einer Dauerschuldnerei: Fällige Kredite werden mit neuen Krediten refinanziert.

Solange der Zins fällt, verbilligt sich die Anschlussfinanzierung und eröffnet sogar den Spielraum, sich höher zu verschulden. Eine echte Zinswende setzt dem ein Ende. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Kreditboom platzt, die Konjunktur in die Knie geht und das Banken- und Finanzsystem in Bedrängnis gerät. Sobald eine neue Krise sich abzeichnet, ist daher absehbar, was passiert: Rufe werden laut, die Zentralbanken sollten auf ihre Niedrigoder gar Negativzinspolitik zurückschalten. Das bringt uns zum zweiten Grund.

Grund 2: Die Kapitalmarktzinsen sind im Griff der Geldpolitik, und ihr Anstieg kann verhindert werden. - Dem politischen Wunsch, die Zinsen niedrig zu halten, steht die geldpolitische Macht der Zentralbanken gegenüber, die Zinsen niedrig halten zu können.

Die Zentralbanken sind als Monopolproduzenten des Geldes in der Lage, durch Wertpapierkäufe (übrigens, wenn es erforderlich ist, auch in unbegrenztem Umfang) den Marktzins auf das gewünschte Niveau zu schleusen und dort festzuzurren, wenn es gewollt ist. Wenn also der politische Wunsch, den Zins niedrig zu halten, auf die geldpolitische Macht stößt, den Zins niedrig halten zu können, so ist es recht wahrscheinlich, dass der Zins niedrig bleibt und dass es zu keiner ungewollten echten Zinswende kommt.


Box 1: Zwei Wege zum niedrigen oder negativen Realzins

Die Zentralbanken wollen den kreditfinanzierten Boom in Gang halten. Das hat dazu geführt, dass sie die Zinsen im Zeitablauf auf immer niedrigere Niveaus gesenkt haben. Dabei geht es letztlich um das Absenken des Realzinses, also des Nominalzinses abzüglich der Inflation. Das lässt sich prinzipiell auf zwei Wegen erreichen. Bei konstanter Inflation (zum Beispiel einer Inflation von zwei Prozent pro Jahr) senkt die Zentralbank den Nominalzins auf beziehungsweise unter die Nulllinie (Abb. a).

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Die Zentralbank kann den Realzins aber auch in den Negativbereich senken, indem sie den Nominalzins konstant positiv hält, die Inflation jedoch erhöht (Abb. b). Warum sollte eine Zentralbank den Weg (b) und nicht Weg (a) beschreiten? Ein zu niedriger Nominalzins, geschweige denn ein negativer Nominalzins, gefährdet das Schuldgeldsystem. Daher erscheint der Weg, die Nominalzinsen auf einem niedrigen, aber immer noch "akzeptablen" Niveau "einzufrieren", der attraktivere zu sein.

Diese Überlegungen deuten an, dass die Aussicht für Anleger, mit Zinsanlagen eine positiven Realzins erzielen zu können, trüb sind, wenn es politisch beabsichtigt ist, den Realzins möglichst stark herabzudrücken, ihn im Extremfall sogar in den Negativbereich fallen zu lassen. In Ansätzen wurde diese Geldpolitik in den vergangenen Jahren bereits praktiziert, und eine grundsätzliche Abkehr von ihr ist nicht sehr wahrscheinlich: Mit der Fortführung des Schuldgeldsystems steigen vielmehr die (geld-)politischen Anreize und Notwendigkeiten, den Realzins künstlich niedrig zu halten, ihn für kurzlaufende Bankeinlagen und -schulden sogar auf oder unter die Nulllinie zu bringen.




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