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Über die Wirkungskraft ökonomischer Theorien

24.02.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Unter der wissenschaftlichen Methode ist das Vorgehen zu verstehen, um Erkenntnisse (wahres Wissen) über ein Erkenntnisobjekt zu gewinnen. Die (Hauptstrom-)Volkswirtschaftslehre hat sich eine wissenschaftliche Methode zu Eigen gemacht, die sie der Naturwissenschaft entliehen hat. Will man als Naturwissenschaftler Erkenntnisse gewinnen, stellt man eine Hypothese auf ("Wenn dann Aussage") und überprüft ihren Wahrheitsgehalt, indem man Experimente durchführt.

Eine solche Hypothese ist zum Beispiel die Folgende: Wenn Substanz X mit Substanz Y gemischt wird, dann stellt sich Reaktion Z ein. Durch wiederholtes Durchführen dieses Versuchs zeigt sich dann beispielsweise, dass X gemischt mit Y immer zur Reaktion Z führt - und man hat eine Gesetzmäßigkeit aufgespürt.

Solch ein Vorgehen ist in der Volkswirtschaftslehre nicht möglich. Warum? In der Naturwissenschaft lässt sich im Laborversuch mit gleichartigen Beobachtungspunkten (Karl Raimund Popper (1902 - 1994) spricht hier von Protokollsätzen) arbeiten. Unter immer gleichen Bedingungen wird ein Faktor verändert, während alle anderen Faktoren konstant gehalten werden. So erkennt man, welche Konsequenz der veränderte Faktor auf das Untersuchungsergebnis hat - und kommt der gesuchten Gesetzmäßigkeit näher.

Ein solches Vorgehen ist im Bereich des menschlichen Handelns nicht möglich. Menschliches Handeln vollzieht sich stets unter komplexen Bedingungen. Viele Faktoren sind im Spiel, und man kann den Einfluss eines Faktors nicht isolieren, wie es im naturwissenschaftlichen Laborversuch möglich ist. Zudem gibt es im Bereich des menschlichen Handelns keine konstanten Verhaltensparameter: Menschen reagieren auf einen bestimmten Impuls nicht in der gleichen Art und Weise.

Der Grund für diese Einsicht ist ein logischer: Menschen sind lernfähig. Und Lernfähigkeit lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen:

(1) Wer argumentiert, der Mensch sei nicht lernfähig, geht davon aus, dass andere den Inhalt seines Gesagten noch nicht wissen, dass sie also lernfähig sind (sonst würde er es ja nicht sagen). Er begeht damit einen performativen Widerspruch.

(2) Wenn jemand sagt "Der Mensch kann nicht lernen", so setzt er voraus, dass er irgendwann einmal gelernt hat, dass man nicht lernen kann - und attestiert damit Lernfähigkeit. Er begeht also einen offenen Widerspruch. Lernfähigkeit bedeutet nun aber, dass man mit bestimmten äußeren Faktoren (physikalischer, chemischer oder biologischer Natur) menschliche Handlungen nicht erklären kann (im Sinne einer Ursache-Wirkungsbeziehung) - denn ansonsten könnte man schon heute wissen, wie künftig gehandelt wird. Das aber liefe auf nichts anderes hinaus, als zu bestreiten, dass der Mensch lernfähig ist - und das wäre logisch widersprüchlich und damit falsch.

Kurzum: Im Bereich des menschlichen Handelns lassen sich mit der Methode der Naturwissenschaft keine Erkenntnisse (im Sinne von Gesetzmäßigkeiten) gewinnen. Die Volkswirtschaftslehre begibt sich vielmehr auf ein falsches Gleis, läuft Gefahr, zu falschen Schlüssen zu kommen, wenn sie sich der naturwissenschaftlichen Methode bedient.

Sie gelangt beispielsweise zum anmaßenden Ergebnis, die handelnden Menschen, die Volkswirtschaften insgesamt, ließen sich durch geldpolitische, regulative oder steuerliche Maßnahmen gezielt steuern.Und sie verliert letztlich auch die Würde und das Freiheitsideal des handelnden Individuums aus den Augen, redet in der Konsequenz einer zusehends erdrückenderen Staatsausdehnung das Wort.

Doch warum, so sollten wir uns an dieser Stelle fragen, findet die naturwissenschaftliche Methode in der Volkswirtschaftslehre Akzeptanz? Eine abschließende Erklärung muss ich zwar schuldig bleiben. Aber zwei Erklärungsmöglichkeiten möchte ich dennoch anbieten.

Es ist denkbar, dass sich eine falsche Methode eingeschlichen hat, die kritiklos über die Jahre hinweg weitergetragen wurde, und deren Defizite von der Mehrheit der Ökonomen noch nicht in ihrer ganzen Tragweite erkannt worden sind. So gesehen bestünde Hoffnung, dass der Methodenfehler irgendwann erkannt wird, es zu einer Methodenänderung kommt, und falsche Theorien und die Politiken, zu denen sie ermuntern, entlarvt werden.

Eine andere, weniger beruhigende Erklärung ist die Folgende: Der Staat (wie wir ihn heute kennen) dominiert den Lehr- und Bildungssektor. Denn um seine Macht zu erhalten, braucht der Staat die Zustimmung der breiten Öffentlichkeit. Und die kann er erlangen, indem er die intellektuellen Meinungsführer für sich einnimmt - also diejenigen, deren Meinung für die Mehrheit der Menschen richtungsweisend ist. Daher ist der Staat bemüht, vor allem auch Ökonomen zu rekrutieren - denn ihre Theorien haben besondere Breitenwirkung.

Der Staat war (und ist) dabei erfolgreich. Es ist heute geradezu üblich, dass wissenschaftlich arbeitende Ökonomen auf der Lohnliste des Staates stehen. In der Mehrzahl handelt es sich dabei um Ökonomen, die dem Staat gewogen sind, die im wahrsten Sinne des Wortes staatstragend wirken.

Ökonomen, die der naturwissenschaftlichen Methode folgen, fällt das besonders leicht.


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