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Über die Wirkungskraft ökonomischer Theorien

24.02.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Die naturwissenschaftliche Methode, in der Volkswirtschaftslehre eingesetzt, eröffnet nämlich ideologisch-politischen Interessen weitreichenden Einfluss. Beispielsweise indem man eine politisch genehme, wohlklingende Hypothese aufstellt.

Beispiel: "Wenn die Zentralbank die Zinsen senkt, dann steigen Beschäftigung und Einkommen."

Angesicht einer solch verheißungsvollen Prophezeiung ist die Zustimmung groß, das Experiment in der Praxis auszuprobieren. Was aber, wenn sich im "Härtetest der Realität" zeigt, dass der in Aussicht gestellte Erfolg ausbleibt? Was, wenn sich zum Beispiel zeigt, dass der gesenkte Zins nicht den erhofften Konjunkturschub gebracht hat?

Die Ökonomen finden eine Entschuldigung. Wie bei einem naturwissenschaftlichen Experiment üblich werden sie argumentieren: Die Zinssenkung ist nicht stark genug gewesen. Senkt man den Zins noch weiter ab, senkt man ihn in den Negativbereich, dann wird die Prosperität schon zunehmen!

Verehrte Zuhörer, Sie erkennen sicherlich bereits, was hier gespielt wird: Die naturwissenschaftliche Methode, angewandt in der Nationalökonomie, öffnet Beliebigkeit, Skeptizismus und Relativismus Tür und Tor. Alles scheint möglich, man muss nur mutig sein und es ausprobieren. Und wenn es nicht klappt, so liegt der Misserfolg nicht etwa an der Theorie, sondern daran, dass man nicht beherzt genug vorgegangen ist.

Die Einsicht, dass es so etwas wie ökonomische Gesetzmäßigkeiten gibt, an die wir Menschen uns halten müssen, um zum gewünschten Ziel zu gelangen, wird beiseite gewischt. Die naturwissenschaftliche Methode macht die Volkswirtschaftslehre zum Spielball politischer Interessen. So mancher Ökonom verliert seine Unbefangenheit. Denn wer mitspielt, wird vom Staat finanziert, darf auf Lehrstuhl, Forschungsprojekte und Prestige hoffen.

Sie werden sich fragen: Was ist die Alternative zum heute etablierten Vorgehen, um ökonomische Erkenntnisse zu gewinnen? Ludwig von Mises hat wichtige Beiträge geliefert, um diese Frage zu beantworten. Er hat gezeigt, dass die Volkswirtschaftslehre keine Erfahrungswissenschaft (wie die Naturwissenschaft), sondern dass sie eine aprioristische Handlungswissenschaft ist.

Wir wissen, dass der Mensch handelt. Dieser Satz lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen. Er gilt - um mit dem Preußischen Philosophen Immanuel Kant (1724 - 1804) zu sprechen - a priori. Man kann nicht widerspruchsfrei sagen "Der Mensch handelt nicht". Denn wer das sagt, der handelt - und widerspricht seiner Aussage. Aus der unbestreitbaren Erkenntnis, dass der Mensch handelt, lassen sich auf logisch-deduktivem Wege weitere wahre Aussagen ableiten.

Aufgrund handlungslogischer Überlegungen können wir zum Beispiel wissen, dass:
  • eine Vermehrung der Geldmenge die Volkswirtschaft nicht reicher macht;
  • dass der (Ur-)Zins nicht verschwinden kann, dass er nicht auf oder unter die Nulllinie fallen kann;
  • dass Steuern die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft senken;
  • dass das Handeln im freien Markt für alle Beteiligten, die daran freiwillig teilnehmen, vorteilhaft ist;
  • dass der Sozialismus (und alle seine Spielarten) scheitern müssen.

All das (und einiges andere mehr) können wir durch logisches Denken wissen. Wir brauchen dazu keine Experimente durchzuführen. Man braucht auch keine teuren Forschungsinstitute, um das zu wissen.

Damit an dieser Stelle kein Missverständnis entsteht: Wir können nicht (mit wissenschaftlichen Mitteln) wissen, wie Menschen morgen, in einem Monat oder einem Jahr handeln. Aber wir können wissen, welche (qualitativen) Folgen ökonomische Handlungen haben, ob die Mittel, die unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden, das gewünschte Ziel erreichen können oder nicht.

Die Volkswirtschaftslehre hat Bedeutung für jeden von uns. Ihre Erkenntnisse beeinflussen in starkem Maße, wie Menschen handeln, wie sie miteinander kooperieren, welche Politiken gemacht oder unterlassen werden. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, vor allem die Wissenschaftsmethode in der Volkswirtschaftslehre kritisch zu hinterfragen und gegen Alternativen abzuwägen. Nur so lassen sich letztlich falsche ökonomische Theorien entlarven und durch richtige Theorien ersetzen. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Aus Erfahrungen wird man nämlich nicht per se klug.

Es kommt darauf an, wie man die Erfahrung deutet. Und zur Deutung muss man eine Theorie verwenden. Denn so etwas wie theorielose Erfahrung gibt es nicht. Ist die Theorie richtig, kommt man zum richtigen Schluss. Ist sie falsch, zieht man falsche Schlüsse.

In der Volkswirtschaftslehre wird die Frage, ob eine Theorie richtig oder falsch ist, nicht durch Erfahrung entschieden, sondern erfahrungsunabhängig, durch logisches Denken. Daher ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, den Diskurs über die erkenntnistheoretische Fundierung der Volkswirtschaftslehre zu führen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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