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Das Bankenproblem des Euroraums

16.04.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Wirkung des Zinses

Fast könnte man meinen, derartige Probleme seien nun entschärft: Seit Ende 2008 lässt sich ein Ansteigen der Eigenkapitalquoten der Euro-Banken beobachten (Abb. 5). Lag die Eigenkapitalquote (definiert als Eigenkapital dividiert durch die Bilanzsumme) Ende 2007 bei 5,7 Prozent, betrug sie Anfang 2018 bereits 8,3 Prozent (Abb. 4). Diese Verbesserung mag zum einen darauf zurückzuführen sein, dass Banken (i) Gewinne einbehalten und (ii) sich erfolgreich neues Eigenkapital von außen beschafft haben.

Doch es spricht einiges dafür, dass (iii) vor allem die niedrigen Zinsen, für die die Europäische Zentralbank (EZB) und auch staatliche Bank-Garantieerklärungen gesorgt haben, sich positiv auf das Eigenkapital der Banken ausgewirkt haben. Ein fallender Marktzins erhöht die Barwerte von Wertpapieren und Krediten, die in den Bilanzen der Banken zu Marktwerten ausgewiesen werden. Ziehen die Marktwerte der Vermögenspositionen an, nimmt (bei unveränderten Verbindlichkeiten) das bilanzielle Eigenkapital der Banken zu.

Sinkende Zinsen verbessern zudem die allgemeine Kreditqualität. Säumige Schuldner können umgeschuldet werden, so dass sie ihre Kredite wieder bedienen können. Die Banken können zudem zuvor gebildete Rückstellungen für Kreditausfälle ausbuchen. Auch das polstert das Eigenkapital der Banken auf. Indem niedrige Zinsen Kreditausfälle verhindern, nimmt das Vertrauen in die Banken zu und senkt deren Refinanzierungskosten. Und auch das trägt dazu bei, das Bankeneigenkapital zu stärken.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. Abkürzung EK = bilanziell ausgewiesenes
Eigenkapital


Die niedrigen Zinsen haben aber nicht nur positive Seiten. Sie verbessern zwar den Eigenkapitalausweis in den Bankbilanzen, schwächen jedoch gleichzeitig die Ertragspotentiale der Banken:

(1) Auf hereingenommene Einlagen erleiden Banken Verluste, weil sie auf diese Einlagen einen EZB-Strafzins in Höhe von minus 0,4 Prozent zu zahlen haben.

(2) Da die Euro-Zinskurve flach ist (die Langfristzinsen also recht nahe bei den Kurzfristzinsen liegen) verdienen Banken kaum mehr etwas durch die Fristentransformation.

(3) Aufgrund des niedrigen Zinses nimmt die Risikoprämie ab, und auch das schmälert die Bankgewinne im Kreditgeschäft. Belastend dürfte für die Euro-Banken ein weiterer Faktor sein:

(4) Kredite, die im Umfeld extrem niedriger Zinsen vergeben werden (Neukredite wie auch fällige Altkredite, die refinanziert werden), decken vermutlich kaum mehr die Risikokosten.

Sollte sich diese Vermutung bestätigen, werden im nächsten Abschwung die Kreditausfallkosten umso schmerzhafter in Erscheinung treten: Kreditverluste nehmen zu, können nicht mehr aus dem laufenden Gewinn gedeckt werden, und die Eigenkapitaldecke des Bankenapparates wird in Mitleidenschaft gezogen.

Damit sind zwei gegenläufige Effekte des Zinses auf das Bankgeschäft identifiziert: Die extrem niedrigen Zinsen hübschen die Bankbilanzen auf, gleichzeitig schwächen sie die künftigen Gewinnmöglichkeiten der Geldhäuser (und letzteres zeigt sich in den Aktienkursen). Mit anderen Worten: Durch die Niedrigzinspolitik wird zwar der gegenwärtige Bilanzausweis der Banken verbessert, das aber geschieht auf Kosten der künftigen Ertrags- und Gewinnlage. Zu beachten ist weiterhin, dass die regulativen Kosten des Bankgeschäftes (für zum Beispiel Rechnungslegung, Compliance, Risikomanagement etc.) unablässig steigen. Sie trüben die Gewinnaussichten der Euro-Banken zusätzlich ein.


Bankenrettung

Bereits im März 2017 hat die EZB eine "Anleitung" für den Umgang mit faulen Krediten ("Non-Performing Loans" oder "NPL") veröffentlicht. Hintergrund ist der hohe Bestand an zweifelhaften Krediten in den Euro-Bankbilanzen - er wird auf 759 Mrd. Euro geschätzt (Q3 2017) und beträgt damit etwa 30 Prozent des zu diesem Zeitpunkt bilanziell ausgewiesenen Eigenkapitals. Die Bewältigung der "Altlast" ist zweifelsohne eine große Herausforderung für die Banken, ihre Anteilseigner und vor allem auch (ahnungslose) Steuerzahler, Sparer und Geldhalter.


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