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Der italienische Krisenauslöser

08.06.2018  |  John Mauldin
Zugunglücke und deren Finanzanalogien sind ein weltweites Phänomen. Europa bleibt, wie ich vor einigen Jahren geschrieben habe, ein drohendes Unheil - wie uns Italien letzte Woche erneut vor Augen führte. Eventuell waren Sie in der Lage, die daraus resultierenden Auswirkungen zu sehen, als der US-amerikanische Handel am Dienstag wieder aufgenommen wurde. Ein größerer Zusammenbruch mag nicht unmittelbar bevorstehen, ist jedoch sicherlich möglich und wird weltweite Auswirkungen mit sich bringen, falls/wenn er eintritt. Also ist nun eine gute Zeit, noch einmal zusammenzufassen, was bereits passiert ist und was noch kommen könnte.

Dieser Artikel ist Kapital 4 meiner Reihe. Hier finden Sie die vorherigen Teile:

Kurz zusammengefasst, besteht meine These darin, dass wir im nächsten Jahrzehnt zunehmend schädlichere Schuldenkrisen überstehen müssen, die letztlich zu einem koordinierten weltweiten Zahlungsausfall führen werden - "Der große Neustart", wie ich es nenne. Es gibt Grenzen, inwieweit die Welt Verschuldung bewältigen kann und ich denke, dass wir diese bereits überschritten haben. Und das, bevor überhaupt eine weltweite Rezession eingetreten ist. Die einzige Frage ist heute, wie wir den Zusammenbruch handhaben werden.

In einem früheren Artikel habe ich in diesem Zusammenhang schon einmal den ehemaligen leitenden Volkswirtschaftler der BIZ, William White, zitiert. Hier noch einmal seine Schlüsselaussage:

"... der Auslöser einer Krise könnte alles Mögliche sein, wenn das System als Ganzes instabil ist. Zudem muss die Tragweite des auslösenden Ereignisses keineswegs im Verhältnis zu den systemweiten Folgen stehen. Die Lektion hierbei ist, dass die Gesetzgeber sich weniger darauf fokussieren sollten, potentielle Auslöser zu identifizieren, als Zeichen einer potentiellen Instabilität zu identifizieren."

Bill meint, dass das Finanzsystem so zerbrechlich ist, dass so gut wie alles eine Krise auslösen könnte. Es ist besser nach Zeichen potentieller Instabilität Ausschau zu halten ... und in Italien ist die Instabilität nicht nur eine Möglichkeit. Irgendwann wird sie zur Gewissheit.


Chaotische Politik

Seit den Wahlen am 4. März - die ein Parlament ohne Partei- oder Koalitionsmehrheit hervorbrachten - besitzt Italien keine Regierung. Die Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord haben endlich eine Vereinbarung geschlossen; zur Überraschung fast aller Beobachter, da diese beiden Parteien - obwohl sie allgemein gesprochen Populisten sind - einige große Unterschiede aufweisen. Nichtsdestotrotz konnten sie einen gemeinsamen Nenner finden, um Präsident Sergio Mattarella ein Kabinett vorzuschlagen.

Italienische Präsidenten werden typischerweise als Scheinrepräsentanten gesehen. Letztlich sollen sie sich nicht wirklich in den politischen Prozess einmischen. Dennoch lehnte Mattarella den vorgeschlagenen Finanzminister der Koalition, den 81-jährigen Volkswirtschaftler Paolo Savona, unerwartet ab, da sich Savona zuvor ablehnend gegenüber der Mitgliedschaft Italiens in der Eurozone geäußert hatte. Das erzürnte die Fünf-Sterne-Bewegung und Lega Nord, die damit ihre Pläne zur Regierungsbildung niederlegten und Mattarella mit Amtsenthebung drohten.

Derartige Verbitterung ist nicht neu in Italien. Die Politik dort ist - gelinde gesagt - chaotisch. Savonas mögliche Einsetzung ließ Warnglocken erschallen, da dies andeutete, dass die neue Regierung versuchen könnte, einen Austritt Italiens aus der Eurozone zu bewirken. Keine der beiden Koalitionsparteien sprach diese mögliche Option in ihrer jeweiligen Wahlkampagne an. Die Hauptversprechen bestanden darin, die Steuern zu senken und eine Art Basiseinkommen für ärmere und arbeitslose Italiener einzuführen.

Tatsächlich zeigen die Umfragen deutlich, dass die Italiener noch immer in der Eurozone bleiben möchten. Nicht so sehr wie die Deutschen oder die Franzosen, aber klar deren Mehrheit. Zu Beginn des Euroexperiments im Jahr 1999 unterstützten 81% der Italiener den Euro, und nun tun dies nur noch 59%. (Einige Umfragen zeigen auch 66%.) Wie hoch auch immer die tatsächliche Zahl sein mag, wir können hier klar einen Trend beobachten.

Auf der anderen Seite gab es damals nur eine kleine Mehrheit der Deutschen, die den Euro zu Beginn unterstützte, heute sind es 80%. Frankreich erfuhr eine kleinere Steigerung von 67% auf 71%. Und das sagt uns so ziemlich alles darüber, welchen Ländern der Euro geholfen hat. Und im Laufe dieses Artikels werden uns diese Zahlen die Richtung zeigen, in die sich Europa in Zukunft entwickeln wird.

Der langsam sinkende Anteil der Eurobefürworter in Italien spiegelt die Tatsache wieder, dass die Deutschen und die Franzosen im Vergleich zu den Italienern besser dar stehen als vor 17 Jahren. Deutschland sowie die Niederlande, Finnland und Österreich haben gegenüber dem Rest Europas und der Eurozone einen gigantischen Handelsüberschuss in Höhe von 1 Billion Dollar. Und das sorgt dafür, dass die Arbeiter in vorrangig mediterranen Ländern weniger produktiv sind als die Arbeiter der nördlichen Länder, was letztlich Löhne nach unten drückt.

Also glaubt die populistische Geschäftspartei aus Norditalien (Lega Nord), dass italienische Unternehmen aufgrund des Euros den Kürzeren ziehen. Die populistische Partei aus Süditalien (Fünf-Sterne-Bewegung), die ein Gebiet repräsentiert, in dem Gehälter gedrückt werden und die Arbeitslosigkeit hoch ist, hat gegenüber dem Euro ebenfalls ernsthafte Bedenken.

Mein Freund Louis Gave bemerkte, dass Mattarellas Entscheidung "kein Verbrechen, sondern schlimmer - ein Fehler" war. Sogar Mattarella hat das nun zugegeben. Um das Gesicht zu wahren, schlugen die politischen Populistenparteien einen neuen Finanzminister vor, Giovanni Tria, der einige, nun, sagen wir interessante Meinungen zur Wirtschaft hat. Aber zumindest ist er für den Euro und erlaubt es damit Mattarella, seinen Fehler zu korrigieren.


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