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Sorglosigkeit auf den Finanzmärkten

25.06.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Sicherheitsnetz

Es gibt einen Faktor, der den Optimismus der Finanzmarktakteure zu stützen scheint: das "Sicherheitsnetz", das die Zentralbanken unter die Konjunkturen und Finanzmärkte gespannt haben. In den letzten Jahren haben die Geldbehörden den Investoren unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie im Fall der Fälle die Wirtschaft und das Geld- und Kreditsystem auffangen werden. Aus Sicht der Märkte ist daher das "Absturzrisiko" stark reduziert, das Risiko von systemgefährdenden Zahlungsausfällen mehr oder weniger gebannt.

Denn Zentralbanken sind die Monopolproduzenten des Geldes. Sie können jederzeit die politisch gewünschte Geldmenge bereitstellen und sie an strauchelnde Schuldner weiterreichen - in Form von Direktkrediten und/oder in Form von Anleihekäufen. Vor allem aber können sie auch die Marktzinsen auf das politisch gewünschte Niveau herunterdrücken, nicht nur die Kurzfristzinsen, sondern auch die Langfristzinsen. Zentralbanken können alle Zinsen steuern, zu denen sich Staaten, Banken, Unternehmen und Konsumenten verschulden.

Damit wird einsichtig, warum es die Investoren nicht verunsichert, wenn die Fed die Zinsen erhöht (und andere Zentralbanken dem Beispiel folgen könnten). Die Investoren gehen davon aus, dass die Zinserhöhungen rasch gestoppt oder sogar rückgängig gemacht werden, sobald es im Wirtschafts- und Finanzsystem zu knirschen beginnt. Das ist eine Einschätzung, die nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit unterstellt, dass die Fed (in Kooperation mit anderen Zentralbanken) in der Lage ist, eine erneute Krise wirksam abwehren zu können.

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Quelle: Thomson Financial
(1) Steigt (fällt) die Linie, so bedeutet das, dass der "Stress" im Finanzmarkt zunimmt (abnimmt)
(2) Ungewichteter Durchschnitt der Notenbankzinsen


Doch haben die Zentralbanken diese"Allmacht"? Die Antwort lautet: Es hängt vom "Typ der Krise" ab. Die Krise 2008/2009 war im Kern eine "Kreditkrise": Anleger hatten die Sorge, die Schuldner könnten ihren Schuldendienst nicht mehr leisten. Eine solche Kreditkrise konnten die Zentralbanken auflösen, indem sie die Zinsen gesenkt und als "Kreditgeber in der Not" aufgetreten sind. Eine neue Krise muss aber keine Kreditkrise sein, sie kann auch die Gestalt einer "Währungskrise" daherkommen.


Risiko Währungskrise

In einer Währungskrise greift die Sorge um sich, dass die Kaufkraft des Geldes leiden wird. Der Grund: Die Zentralbank bekämpft drohende Zahlungsausfälle mit der Ausgabe von neuem Geld. Das verursacht Zweifel bei den Geldhaltern, ob es der Zentralbank ernst ist mit dem Erhalt des Geldwertes: Anleger befürchten, dass der Verhinderung von Zahlungsausfällen und der Stützung der Konjunktur ein höheres Gewicht beigemessen wird als dem Erhalt des Geldwertes.

Eine Währungskrise führt in eine heikle Situation. Besonders dann, wenn Volkswirtschaften hoch verschuldet sind. Denn um eine Währungskrise zu entschärfen, muss die Zentralbank den geldpolitischen Kurs straffen. Sie muss die Zinsen erhöhen und die Kredit- und Geldmengenzunahme eindämmen. Das aber bringt das Schuldgeldsystem und die Wirtschaft, die sich im Zuge der Schuldenwirtschaft aufgebaut hat, in Bedrängnis. Es kommt zur "Stabilisierungsrezession", die im Extremfall das Wirtschafts- und Finanzsystem existentiell bedrohen kann.

Droht eine Währungskrise, stehen die Zentralbanken in der Tat vor der Frage: Währung retten oder Konjunktur und Finanzmärkte stützen? Wenn die Währungsgeschichte einen Hinweis zur Beantwortung dieser Frage bietet, dann diesen: Die Politik des Inflationierens, des Geldmengenausweitens zur Verhinderung von Zahlungsausfällen, ist die Politik des vergleichbar kleinsten Übels. Denn die Inflationspolitik sorgt zumindest in der kurzen Frist für positive Effekte - wie die Verhinderung von Produktionsrückgang und hoher Arbeitslosigkeit.

In der mittleren Frist jedoch treten die negativen Folgen der Inflationspolitik zutage: Inflation schadet den Volkswirtschaften, sorgt für große Verteilungsungerechtigkeiten, für eine Verarmung gerade der unteren und mittleren Einkommensverdiener. Und letztlich kann eine Inflationspolitik nicht dauerhaft fortgeführt werden. Sie würde irgendwann in den Ruin der Währung führen. Und wird die Inflationspolitik gestoppt, nachdem sie eine gewisse Zeit verfolgt wurde, gibt es eine umso heftigere Erschütterung der Wirtschaft und der Finanzmärkte, der man eigentlich durch die Inflationspolitik entkommen wollte.


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