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Die Welt leidet unter Fiat-Geld

09.07.2018  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Und solange es produktive Fortschritte gibt, werden auch die negativen Folgen des Fiat-Geldes abgemildert, weil sich vor allem die Schuldentragfähigkeit der Volkswirtschaften verbessert. Auf diese Weise kann ein Boom länger dauern, als man vielleicht zunächst denken könnte.

Es ist sogar denkbar, dass der Boom lange anhält, beziehungsweise dass es nur hier und da kleine Busts gibt, der große Bust ausbleibt, weil es der Volkswirtschaft gelingt, ihre produktive Basis trotz des Fiat-Geldes weiter zu verbessern. Das schließt natürlich nicht den Extremfall aus, dass das Fiat-Geld die produktive Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft so stark schädigt, dass sie schlussendlich unter ihrer Schuldenlast kollabiert.

Ist die Schuldenlast irgendwann zu groß geworden, werden Regierte und Regierende versuchen, ihr zu entkommen: durch Schuldenschnitte und/oder durch die Entwertung des Geldes, also durch eine Politik der hohen Inflation.

Doch auch dadurch muss das Fiat-Geld nicht untergehen. Es kann selbst Hyperinflation überleben - man blicke nur einmal nach Lateinamerika. Der Untergang der deutschen Papiermark im November 1923 war so gesehen ein Sonderfall: Die Hyperinflation war hier so stark, dass die Mark aufhörte, als Geld zu dienen. Nein, das Fiat-Geld schafft sich nicht notwendigerweise selbst ab. In diesem Sinne schrieb auch der US-amerikanische Ökonom Murray N. Rothbard 1962: "[I]f fiat money could not continue indefinitely, I would not have to come here to plead for its abolition." Übersetzt: "Wenn das Fiat-Geld nicht unbegrenzt fortgeführt werden könnte, wäre ich hier nicht erschienen, um für seine Abschaffung zu plädieren."

Doch bevor wir auf die Frage nach der Möglichkeit, sich vom Fiat-Geld abzukehren, zu sprechen kommen, möchte ich auf die europäische Einheitswährung, den Euro, eingehen. Denn der Euro ist eine besonders problematische Fiat-Währung.


Folgen des Fiat-Euro

Wie Sie alle wissen, wurde der Euro 1999 durch den Zusammenschluss, durch ein Verschmelzen, von nationalen Fiat-Währungen geschaffen: Aus vielen einzelnen Fiat-Währungen wurde eine große Fiat-Währung gemacht. Dass dem Fiat-Euro damit natürlich alle Defekte anhaften, unter denen jede Fiat-Währung leidet, ist unmittelbar einsichtig. Ich will nun einige Folgen des Fiat-Euro illustrieren.

Seit seiner Einführung hat der Euro (soweit er unverzinslich gehalten wurde) fast 30 Prozent seiner Kaufkraft verloren (gemessen an den Konsumentenpreisen). Es ist also eine Illusion, ein falsches Versprechen, der Euro könne den Bürgern zur Wertaufbewahrung dienen. Legt man die Häuserpreise zugrunde, beträgt die Kaufkraft-Entwertung des Euro 44 Prozent.

Der öffentliche Schuldenstand im Euroraum betrug 1999 70,6 Prozent des BIPs im Euroraum, heute sind es knapp 87 Prozent - und liegt damit deutlich über der ursprünglich anvisierten Höchstgrenze des Maastricht-Vertrages von 60-Prozent. Der Euro hat die Verschuldung also weiter ansteigen lassen. In der Zeit von 1999 bis Anfang 2018 hat die reale Wirtschaftsleistung um 30,5 Prozent zugelegt, die Geldmenge ist hingegen um 168 Prozent gestiegen (also fünfeinhalb Mal so stark!).

Die Bilanz des Euro-Bankenapparates wurde durch die EZB-Geldpolitik von 14,7 Billionen Euro auf 30,8 Billionen Euro aufgebläht - das entspricht etwa 268 Prozent des Euroraum-Bruttoinlandsproduktes. Die faulen Kredite der Euro-Banken werden aktuell auf knapp 760 Mrd. Euro geschätzt - und belaufen sich damit auf ungefähr 30 Prozent des bilanzierten Eigenkapitals der Euro-Banken.

Doch die unheilvollen Effekte des Fiat-Euro zeigen sich nicht nur in harten Zahlen. Sie treten auch in wachsenden Unstimmigkeiten, in Zwist und Zank zwischen den Euro-Teilnehmerländern zutage.

Viele Menschen bemerken, dass die Dinge sich für sie nicht so entwickeln, wie sie es ihnen vor der Euro-Einführung versprochen wurde; sie realisieren, dass sie abgehängt werden. Beispielsweise beklagt man in Italien sich lauthals über das strangulierende Diktat aus Brüssel, Paris und Berlin. In Deutschland fühlen sich hingegen viele als Melkkühe. Im kleinen Griechenland scheint man hingegen aufgehört zu haben mit dem Aufbegehren.

Eine Fiat-Währung für viele Nationen, die unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Traditionen haben, ist ganz besonders problematisch. Die Konflikte, die sie hervorbringt, entstehen nicht nur innerhalb der teilnehmenden Nationen, sondern auch zwischen ihnen. Den Fiat-Euro als friedenstiftend zu glorifizieren, ist eine ideologische Verbrämung, sie verkennt die geldtheoretischen und nationalökonomischen Erkenntnisse. Eine Fiat-Währung, die unterschiedlichen Nationen überstülpt wird, erweist sich vielmehr als ein Spaltpilz.


Zwangsumverteilung

Der Euro wäre - und das ist vermutlich nicht übertrieben zu sagen - längst gescheitert, hätte die EZB die Zinsen nicht auf beziehungsweise unter die Nulllinie gedrückt. Es ist eine Mischung aus Zinsnarkose und Kredit- und Geldmengenvermehrung, mit der die EZB Staaten und Banken im Euroraum über Wasser hält. Die supra-nationale EZB - fernab von jeder effektiven parlamentarischer Kontrolle - ist zur Machtzentrale im Euroraum aufgestiegen. Sie ist es, die über Wohl und Wehe von Staaten und Banken und damit auch über Produktions- und Beschäftigungsstruktur in den Volkswirtschaften maßgeblich mitentscheidet.

Sie hat zwar den "bescheidenen" Auftrag, den Euro stabil zu halten. De facto betreibt sie jedoch eine Umverteilungspolitik. Durch die künstliche Absenkung der Euro-Zinsen erschwert beziehungsweise verunmöglicht die EZB es den Sparern, für ihr Alter anzusparen. Und auch wenn die Sparer die Folgen noch nicht heute spüren, sie werden sie künftig noch schmerzlich zu spüren bekommen, wenn die Pensionen kleiner als erwartet ausfallen.

Begünstigt werden bei all dem Kreditnehmer: denn sie werden mit niedrigen Kreditkosten subventioniert. Die künstlich gesenkten Zinsen halten die wenig produktiven Unternehmen künstlich am Leben. Den besseren Anbietern wird es dadurch erschwert, Marktanteile hinzuzugewinnen. Die Auslesefunktion des Marktes wird gestört, und die künftige Wohlstandsmehrung leidet. Kurzum: Mit der Nullzinspolitik entwertet die EZB die Zukunft zu Gunsten der Gegenwart.

All diese erzwungenen Umverteilungen spielen sich national wie grenzüberschreitend ab. Wer dabei was bekommt, und wem was genommen wird, lässt sich aus Sicht vieler vermutlich gar nicht genau beziffern. Und wenn niemand so genau weiß, ob er zu den Geschädigten oder den Gewinnern des Umverteilungskarussells gehört, schwächt das natürlich auch den Widerstand in der Öffentlichkeit - und das erlaubt der EZB, ungeniert weiterzumachen.


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