Die Welt leidet unter Fiat-Geld
09.07.2018 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Unübersehbar sind jedoch die berühmt-berüchtigten Target-2-Salden. Derzeit beläuft sich der deutsche Target-2-Saldo auf 956,2 Mrd. Euro - das sind fast 30 Prozent des deutschen BIPs - ein Betrag, der den deutschen Steuereinnahmen für 1,4 Jahre entspricht. Dieser Betrag steht im Feuer. Hinter dem Target-2-Saldo verbirgt sich eine unbesicherte, unverzinsliche Kreditgewährung der Deutschen Bundesbank an andere Euro-Zentralbanken. Der Target-2-Saldo repräsentiert nicht nur ein Kreditausfallrisiko, das die deutschen Steuerzahler zu tragen haben.Er reflektiert auch eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen in einem gewaltigen Ausmaß. Denn die chronisch unausgeglichenen Target-2-Salden bewirken das Folgende: Ländern, die noch verhältnismäßig gut dastehen, wird die Substanz entzogen, und sie wird an die Länder weitergereicht, die vergleichsweise schlecht dastehen. (Das schwört Erinnerungen zur früheren Sowjetunion herauf, die ebenfalls ihren wirtschaftlich in der Regel besser dastehenden Satelittenstaaten Tribute abverlangte und sie dadurch wirtschaftlich schwächte.)
Weltwährung
Bis hierin ist die Bilanz zum Euro nicht positiv ausgefallen. Der Grund dafür ist, dass der Euro Fiat-Geld ist. Die Entstehungsgeschichte des Fiat-Euro hält allerdings eine weitere, wichtige Lehre - vermutlich sollte man besser sagen: Warnung - bereit.
Wir haben bereits gehört, dass jeder Staat die Geldproduktion monopolisieren will, und dass der Staat ein Interesse daran hat, sein eigenes Fiat-Geld herauszugeben. Ein Staat hat kein Interesse an einem Währungswettbewerb: dass also die Bürger die Möglichkeit haben, sich ihr Geld frei auszuwählen. Denn dann sind die Möglichkeiten für den Staat, seine Ausgaben durch die Notenpresse zu finanzieren, begrenzt; er kann dann nicht durch schleichende Inflation die Einkommen seiner Bürger enteignen.
Inflationiert ein Staat seine Währung stärker als die anderen Staaten, muss er Kapitalflucht und damit Steuerausfälle befürchten, und auch eine für alle sichtbare Abwertung seiner Währung auf den Devisen-märkten, die ebenfalls die Nachfrage nach seiner Währung beeinträchtigt. Der Staat versucht daher, in seinem Gebiet den Währungswettbewerb auszuschalten. Politisch gleichgesinnte Staaten schließen sich sogar zu einem Feldzug gegen den Währungswettbewerb zusammen.
In Europa begann dieser Feldzug bereits in den 1970er Jahren, insbesondere ab 1979 mit dem Europäischen Währungssystem (EWS). Was lange währte, ist 1999 geglückt: 10 nationale Währungen wurden durch den Euro ersetzt. Damit war der Währungswettbewerb in Europa beendet. Zumal der Euro prinzipiell als Mausefallenwährung konzipiert
ist: Man kommt hinein, aber nicht mehr hinaus.
Für das, was sich "im kleinen" in Europa zugetragen hat, gibt es auf globaler Ebene eine Entsprechung. Die Agenda der “politischen Globalisten” strebt bekanntlich eine immer engere Kooperation der Einzelstaaten an mit dem Fernziel, eine einheitliche Weltregierung, einen Weltstaat, zu schaffen, einschließlich einer Welt-Fiat-Währung, die von einer Welt-Zentralbank herausgegeben wird.
Es bedarf nicht vieler Worte, um sich diese Dystopie auszumalen. Die Bürger hätten beim Geld keine Wahl- und Ausweichmöglichkeiten mehr - und der Weltstaat hätte einen sehr großen Spielraum, sein Geldproduktionsmonopol für eigene Zwecke einzusetzen.
Die monetären und wirtschaftlichen Verwerfungen, für die das Fiat-Geld sorgt, würden alle Volkswirtschaften der Welt heimsuchen, keine Volkswirtschaft könnte mehr einer monetären Fehlentwicklung entkommen. Auch die Abschaffung des Bargeldes ließe sich weltweit per Handstreich durchführen. Genauso wie ein Negativzins, durch den die Schulden der Banken entwertet werden können.
Derzeit scheint allerdings dem politischen Globalismus die Luft ausgegangen zu sein, er hat einen schweren Rückschlag erlitten: Die Vereinigten Staaten von Amerika unter Präsident Donald J. Trump haben dem politischen Globalismus den Rücken gekehrt. Doch diese Momentaufnahme sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass, solange es Staaten gibt (verstanden als territoriale Monopolisten mit der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte in ihrem Gebiet), auch Bestrebungen im Gange sind, dem Währungswettbewerb das Wasser abzugraben.
Ein Wettbewerb zwischen staatlichen Fiat-Währungen, wie es ihn derzeit gibt (zwischen US-Dollar, Euro, chinesischem Renminbi, Britischem Pfund etc.), ist daher nur eine Zwischenstufe - hin zu einer einheitlichen Weltwährung.
Lösungen
Sehr geehrter Damen, sehr geehrte Herren, ökonomische und ethische Überlegungen führen uns zur Schlussfolgerung: Das Fiat-Geld ist schlechtes Geld. Ein staatliches Fiat-Geld ist eine akute Bedrohung für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Man kann daher sagen: Die Welt leidet unter Fiat-Geld. Doch welche Alternative gibt es denn zum Fiat-Geld? Und wie kann das gelingen?
Friedrich August von Hayek (1899 - 1992) erinnert uns daran, dass das Geld in den Händen des Staates nicht gut aufgehoben ist, und er plädiert für einen freien Markt für Geld, also für ein "natürliches Geld": "Die Geschichte staatlichen Umgangs mit Geld ist, mit Ausnahme einiger kurzer glücklicher Perioden, eine Geschichte von unablässigem Lug und Trug. In dieser Hinsicht haben sich Regierungen als weit un-moralischer erwiesen, als es je eine privatrechtliche Körperschaft hätte sein können, die im Wettbewerb mit anderen eigene Arten von Geld auf den Markt bringt."
Gutes Geld, so Hayek, entsteht im freien Markt, und zwar durch die freie Nachfrage nach und das freie Angebot von Geld. Ein freier Markt für Geld funktioniert wie jeder andere Markt auch: genauso wie die Märkte für Sportschuhe, Urlaubsreisen, Bücher, Unterhaltungselektronik - durch die ja bekanntlich die Kundenwünsche bestmöglich bedient werden. In einem freien Markt für Geld bildet sich gutes Geld heraus: Die Geldnachfrager wählen nämlich das Gut als Geld, das ihren Anforderungen und Wünschen am besten erfüllt; schlechtes Geld fragen sie nicht nach.