Schulden und Zentralbanken (Teil 2)
15.07.2018 | Robert Rethfeld
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Der Rat der Europäischen Zentralbank verkündete am 14. Juni, das EZB- Anleihenkaufprogramm im Dezember 2018 beenden zu wollen. Eine Bilanzschrumpfung wie in den USA soll aber nicht stattfinden.Während die Fed ihre Bilanz reduziert (=Netto-verkäufe), befindet sich die EZB noch in der Expansionsphase (=Nettokäufe). Letzteres gilt auch für die Bank of Japan. Die japanische Zentralbank hat bisher kein Ende ihres Kaufprogramms angekündigt.
Die Bank of Japan hält knapp 50 Prozent der japanischen Staatsverschuldung, Tendenz steigend. Im Jahr 2011 lag der Anteil bei 9 Prozent. Man muss kein Prophet sein, um bei einem unverminderten Tempo der Aufkäufe davon ausgehen zu können, dass die Staatsverschuldung Japans eingefroren wird. Forderungen von Gläubigern wird es bald nicht mehr geben. Schulden sind dann de facto keine Schulden mehr. Denn es gäbe niemanden mehr, der sie einfordern könnte. Schulden werden lediglich eine Bilanzposition der Bank of Japan sein. Bitte gewöhnen Sie sich an diesen Gedanken.
Diese Lösung dürfte einen Vorbildcharakter für die EZB haben, die in der nächsten Krise die Anleihekäufe wieder aufnehmen dürfte. Die Selbstbeschränkung auf 33 Prozent der im Umlauf befindlichen europäischen Staatsanleihen dürfte spätestens in einer nächsten größeren Rezession Makulatur sein. Gerichtsurteile fallen bisher zugunsten der EZB aus. Die Politik wird - vor der Wahl stehend, entweder 30 Mio. Euroraum-Arbeitslose zuzulassen oder der EZB eine Anhebung des Staatsanleiheanteils über die 33%-Beschränkung zu gewähren - letzteres wählen. Stets hat die EZB für die Politik die Kohlen aus dem Feuer geholt. Daran dürfte sich in Zukunft nichts ändern.
Ein Wort zum Thema Target2 Saldo. Per Ende Juni stiegen die Bundesbank-Forderungen an die EZB auf 976 Mrd. Euro. Die Bundesbank machte in Ihrem Monatsbericht vom März 2016 (Seite 56 ff.) darauf aufmerksam, dass ein Zusammenhang zwischen dem Anleihekaufprogramm der EZB und der Entwicklung der Targetsalden existiert.
Charttechnisch lässt sich dieser Sichtweise etwas abgewinnen. Seit der Auflage des Kaufprogramms im März 2015 sind die Bundesbank-Forderungen stetig gestiegen.
Das Target2-System ist ein offenes Verrechnungssystem. Es nehmen nicht nur Zentral-banken und Banken des Euroraums daran teil, sondern auch Banken mit Sitz außerhalb des Euroraums, z.B. in London. „Wenn eine solche internationale Geschäftsbank über die Bundesbank an Target2 teilnimmt, ergeben sich Zuflüsse auf bei der Bundesbank geführte Konten, wenn andere Zentralbanken bei diesen Banken Wertpapiere kaufen“, so die Bundesbank in ihrem damaligen Monatsbericht.
Beispiel: Nehmen wir an, Goldman Sachs London ist über die Bundesbank an das Target2-System angeschlossen. Kauft die italienische Zentralbank im Rahmen des QE-Programms italienische Staatsanleihen von Goldman Sachs London, so erhöht sich die Target2-Forderung der Bundesbank an die EZB.
Ein FAZ-Blog von Gerald Braunberger zu diesem Thema erläutert weiteres.
https://blogs.faz.net/fazit/2018/07/03/das-anleihekaufprogramm-der-ezb-treibt-den-target-2-saldo-10130/
Erwähnenswert erscheint, dass Bundesbank Target2-Forderungen ausschließlich gegenüber der EZB besitzt. Direkten Forderungen gegenüber der italienischen Zentralbank existieren nicht. Eine Wertberichtigung, so Braunberger, "setzt den Untergang der EZB voraus".
Die EZB würde nur dann von der Politik abgewickelt werden, wenn deren Geschäftsgrundlage entfallen würde. Sprich: Euro und Euroraum verschwinden. Letzteres wäre ein Willensakt der Politik. Mir ist unklar, wie ein solcher Willensakt in absehbarer Zeit zustande kommen soll.
Die Problematik der Target2-Salden sei eine Erfindung von Prof. Hans-Werner Sinn, so behauptete ein italienischer Ökonom bereits vor Jahren. Je mehr man sich mit dem Thema Target2 beschäftigt, desto mehr Facetten erschließen sich. Der ultimative Test der Bundesbank-These erfolgt mit der Einstellung des Anleihekaufprogramms zum Jahresende. Würden sich die Target-Salden verringern, stünde es eins zu null für die Bundesbank, und das Thema Target2 würde abkühlen.
49% der japanischen Staatsanleihen befinden sich in den Händen der Bank of Japan, 20% der europäischen Staatsanleihen liegen bei der EZB, und 13% der US-Staatsanleihen sind Teil der Fed-Bilanz.