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Schulden und Zentralbanken (Teil 2)

15.07.2018  |  Robert Rethfeld
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Die Frage kam auf, welche Gefahren hinter einer weiteren Expansion der Kaufprogramme bis hin zur vollständigen Übernahme aller Staatsschulden lauern. Der Prozess dorthin wäre aufgrund des beständigen Kaufinteresses durch die Zentralbanken von niedrigen Renditen gekennzeichnet, bis am Ende keine Anleihen mehr auf dem Markt erhältlich sind. Ein Bild wie schon jetzt in Japan (10jährige Rendite bei null Prozent) wäre die Folge, beziehungsweise Staaten und Zentralbanken machen den Zinssatz unter sich aus.

Nehmen wir an, der Zinssatz läge dauerhaft bei -0,5 Prozent, dann würde der Staat eine Dauerfinanzierung in Höhe eines Zinssatzes von 0,5 Prozent von der Zentralbank erhal-ten.

Ein solches System klingt zu schön, um wahr zu sein. Wir sollten allerdings nicht die Au-gen davor verschließen, dass Japan bereits seit einigen Jahren genauso funktioniert. Dort herrscht Vollbeschäftigung, die Inflationsrate ist niedrig und das BIP stieg in den vergangenen Jahren. Ausländische Gläubiger von japanischen Staatsanleihen existieren kaum. Spezielle Auswirkungen auf den Wechselkurs Dollar/Yen sind nicht zu erkennen.

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Insofern könnte man, so man Japan als den Vorreiter betrachtet, von einem positiven Einfluss ausgehen. Die Zentralbanken wurden gegründet, um für einen stabilen inneren Geldwert zu sorgen. Die Exzesse bei Deflation und Inflation sollten abgemildert werden.

Der Federal Reserve könnte man zugutehalten, dass sie, die 1929 noch gezögert hatte, in den Jahrzehnten danach für eine geringere Rezessionsdichte gesorgt hat.

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Auch sind die Inflationsraten seit dem Ende des zweiten Weltkriegs - mit Ausnahme der 1970er Jahre - moderat geblieben.

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Die Gefahren für die Zentralbanken liegen in einem Vertrauensverlust durch die Bevöl-kerung oder in einem Willen der Politik, beispielsweise die EZB auflösen zu wollen.

Letzteres erscheint nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Wer möchte die Bilanzen aus-einanderdröseln, wer möchte Target 2 verteilen und die Forderungen eintreiben? Die EZB bildet de facto eine starke Klammer für den Euroraum, aus der es kaum ein Entrinnen gibt. Zudem profitiert die Politik von der EZB. Arbeit, die die Politik nicht leisten kann oder will, wird von der EZB verrichtet.

Ein Vertrauensverlust der Bevölkerung würde schwerer wiegen. Die Zentralbanken haben gezeigt, dass sie in der Lage sind, deflationäre Entwicklungen zu bekämpfen. Natürlich hat der Konjunkturzyklus dabei geholfen. Aber sie sind in der Lage, Liquidität bereit zu stellen, und zwar in jedem gewünschten Ausmaß.

Die andere Seite - Inflation - bleibt die Achillesferse des heutigen Systems. Denn Liqui-dität in den Markt zu pumpen ist einfacher, als diese wieder zu entziehen. Wenn die Preise steigen und der Bürger spürt, dass er es mit inflationiertem und daher immer wertloser werdenden Geld zu tun hat, wird er versuchen, auf andere Zahlungsmöglich-keiten auszuweichen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Euro, Yen und Dollar allesamt dem „neuen System“ anhängen. Der Bürger wird sich etwas Teilbares, Wert-haltiges und Vertrauenswürdiges aussuchen. Das könnten Kryptowährungen sein: Denn Vertrauen ist relativ.

Wir diskutieren jedoch hypothetisch. Denn de facto findet weder im Euroraum, in Japan oder im US-Dollarraum eine größere Inflationierung statt, auch wenn die Statistiker von Shadowstats das Gegenteil behaupten. Die Gefahr besteht also nicht auf der Deflations-, sondern auf der Inflationsseite. Allerdings wirken die Bevölkerungsentwicklung in den Industrieländern und sowie neue Technologien deflationär.

Welche Faktoren können also eine Inflationsrate von sagen wir 5% oder mehr auslösen, von zweistelligen Inflationsraten gar nicht zu sprechen? Die Zollschranken müssten deutlich hochgefahren werden. Man sollte aber nicht vergessen, dass der Euroraum selbst ein großer, mit den USA vergleichbarer Binnenmarkt ist. Die Erdbeeren aus Spanien werden stets die Chance haben, zollfrei nach Deutschland gefahren zu werden. Allein der Intra-Euroraum-Handel sollte dafür sorgen, dass die Preise nicht allzu stark anziehen. Nochmals: Für eine Inflationsrate von 5% oder mehr bräuchte es erhebliche Knappheiten und damit eine Deglobalisierung besonderen Ausmaßes, die die deflato-rische Wirkung des Binnenmarktes in den Schatten stellt.

Fazit: Das heutige Zentralbanken-Konzept kann noch eine ganze Weile funktionieren. Es fühlt sich nicht richtig an, aber das ändert nichts an der aktuellen Marktgängigkeit. Insti-tutionen wie die Fed, die Bank of Japan oder die EZB wird die Politik nicht aufgeben. Die Zentralbanken sind eine viel zu wertvolle Hilfe für die nicht immer handlungsfreudigen Politiker. Inflation ist die Achillesferse des Zentralbankensystems. Damit diese aber ihre zerstörerische Wucht enfaltet, braucht es politische Brüche und eine Deglobalisierung größeren Ausmaßes.


© Robert Rethfeld
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