Die US-Fed will die Zinsen weiter anheben. Oder?
21.07.2018 | Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Spielraum für die US-Zentralbank, ihren Leitzins weiter anzuziehen, wird geringer.
In seinem Bericht vor dem US-Kongreß am 17. Juli 2018 deutet Jerome H. Powell, Vorsitzender des Rates der US-Zentralbank (Fed), an, die Geldbehörde werde ihren Leitzins (der sich derzeit in einer Bandbreite von 1,75 - 2,0 Prozent befindet) weiter anziehen. Die wirtschaftliche Lage, vor allem auch der Arbeitsmarkt, habe sich, so Powell, im laufenden Jahr weiter verbessert.
Am selben Tag fiel der Goldpreis merklich um etwa 1 Prozentpunkt auf 1.228 USD/oz: Die Aussicht auf steigende US-Zinsen ließ offensichtlich die Nachfrage nach dem gelben Metall zurückgehen. Ebenso gab EURUSD deutlich nach, während die Aktienkurse in die Höhe kletterten. Doch was hatte der Fed-Vorsitzende eigentlich genau gesagt?
Die Fed hat ihre Risikoeinschätzung offen skizziert: Wartet sie zu lange mit weiteren Zinserhöhungen, können die Inflation und die Finanzmarktpreise zu stark ansteigen. Erhöht die US-Zentralbank die Zinsen jedoch zu schnell und zu stark, kann die Inflation zu gering ausfallen und die Wirtschaft leiden. Mit anderen Worten: Die Fed will sich weiter vorsichtig vortasten mit Zinserhöhungen und sie würde diese Politik vermutlich sehr wahrscheinlich aussetzen oder gar rückgängig machen, wenn die Datenlage dazu anrät.
Diese Haltung der weltweit bedeutendsten Zentralbank kann nicht überraschen. Die Geldpolitiker wollen den "Boom", den sie mit niedrigen Zinsen angestoßen haben, in Gang halten. Mit allen Mitteln. Warum dann die Erhöhung der Zinsen? Zwar ist durchaus denkbar, dass die US-Wirtschaft einen "leicht" höheren Zins vertragen kann. Jedoch wird ein steigender Zins irgendwann die konjunkturellen Kräfte erlahmen lassen und Erschütterungen im Finanzsystem verursachen.
Das passende Bild dazu ist das Folgende: Sie fliegen in einem Flugzeug in 10.000 Meter Höhe mit 840 km/h dahin. Ihr Sitznachbar sagt daraufhin: "Ich verstehe gar nicht, warum man die Motoren nicht abschaltet, wir fliegen doch schon längst auf der gewünschten Höhe und mit der gewünschten Geschwindigkeit." Ihnen ist natürlich die Absurdität der Aussage klar: das Flugzeug fliegt, weil die Motoren laufen, und es wird nicht mehr fliegen, wenn die Motoren abgestellt werden.
So gesehen ist auch die Konjunkturlage nicht unabhängig vom niedrigen Zins. Die niedrigen Zinsen der letzten Jahre haben die Volkswirtschaften auf verschiedenen Wegen angetrieben. Sie haben die Kredite verbilligt und neue Investitionen in Gang gesetzt. Niedrige Zinsen haben die Preise auf den Aktien- und Häusermärkten in die Höhe getrieben. Das wiederum hat das Vermögen der Konsumenten und Unternehmen erhöht und sie zu zusätzlichen Ausgaben ermuntert. Und weil der US-Zins weltweite Wirkung entfaltet, haben sich die genannten Effekte auch in anderen Währungsräumen zugetragen.
Steigt der US-Zins (zu stark), werden die konjunkturtreibenden Effekte gewissermaßen rückabgewickelt. Bei welcher Zinshöhe die geldpolitische Bremswirkung zum Problem wird, lässt sich jedoch nicht genau sagen. Derzeit ist es so, dass der kurzfristige US-Zins nach Abzug der Inflation (das ist der Realzins) nach wie vor im negativen Bereich verharrt (Abb. 1). Die Zinsanhebungen seit Dezember 2015 haben daher "nur" dazu geführt, den negativen Realzins etwas zu verringern.
Im Zuge der Zinserhöhungen hat sich die Steilheit der US-Zinskurve abgeflacht: Der Abstand zwischen der 10- und 2-jährigen Anleiherendite ist gesunken (Abb. 2). Mittlerweile beträgt er nur noch 0,26 Prozentpunkte. In der Vergangenheit war eine solche Abflachung der Zinskurve ein Warnsignal: Sie hat häufig eine herannahenden Wirtschaftsabschwächung signalisiert. Dafür gibt es einen besonderen Grund.
Wenn der Abstand zwischen Lang- und Kurzfristzins schwindet, wird es weniger attraktiv für Banken, Kredite zu vergeben. Denn sie verdienen dann weniger durch die "Fristentransformation", also die Vergabe von langlaufenden Krediten, die die Banken durch kurzlaufende Mittel finanzieren. Eine Abflachung der Zinskurve wirkt folglich wie der "Tritt auf die Kreditbremse".
Versiegt der Kreditzustrom, kann auch der Konjunkturaufschwung nur allzu leicht ins Straucheln geraten.
In seinem Bericht vor dem US-Kongreß am 17. Juli 2018 deutet Jerome H. Powell, Vorsitzender des Rates der US-Zentralbank (Fed), an, die Geldbehörde werde ihren Leitzins (der sich derzeit in einer Bandbreite von 1,75 - 2,0 Prozent befindet) weiter anziehen. Die wirtschaftliche Lage, vor allem auch der Arbeitsmarkt, habe sich, so Powell, im laufenden Jahr weiter verbessert.
Am selben Tag fiel der Goldpreis merklich um etwa 1 Prozentpunkt auf 1.228 USD/oz: Die Aussicht auf steigende US-Zinsen ließ offensichtlich die Nachfrage nach dem gelben Metall zurückgehen. Ebenso gab EURUSD deutlich nach, während die Aktienkurse in die Höhe kletterten. Doch was hatte der Fed-Vorsitzende eigentlich genau gesagt?
Die Fed hat ihre Risikoeinschätzung offen skizziert: Wartet sie zu lange mit weiteren Zinserhöhungen, können die Inflation und die Finanzmarktpreise zu stark ansteigen. Erhöht die US-Zentralbank die Zinsen jedoch zu schnell und zu stark, kann die Inflation zu gering ausfallen und die Wirtschaft leiden. Mit anderen Worten: Die Fed will sich weiter vorsichtig vortasten mit Zinserhöhungen und sie würde diese Politik vermutlich sehr wahrscheinlich aussetzen oder gar rückgängig machen, wenn die Datenlage dazu anrät.
Diese Haltung der weltweit bedeutendsten Zentralbank kann nicht überraschen. Die Geldpolitiker wollen den "Boom", den sie mit niedrigen Zinsen angestoßen haben, in Gang halten. Mit allen Mitteln. Warum dann die Erhöhung der Zinsen? Zwar ist durchaus denkbar, dass die US-Wirtschaft einen "leicht" höheren Zins vertragen kann. Jedoch wird ein steigender Zins irgendwann die konjunkturellen Kräfte erlahmen lassen und Erschütterungen im Finanzsystem verursachen.
Das passende Bild dazu ist das Folgende: Sie fliegen in einem Flugzeug in 10.000 Meter Höhe mit 840 km/h dahin. Ihr Sitznachbar sagt daraufhin: "Ich verstehe gar nicht, warum man die Motoren nicht abschaltet, wir fliegen doch schon längst auf der gewünschten Höhe und mit der gewünschten Geschwindigkeit." Ihnen ist natürlich die Absurdität der Aussage klar: das Flugzeug fliegt, weil die Motoren laufen, und es wird nicht mehr fliegen, wenn die Motoren abgestellt werden.
So gesehen ist auch die Konjunkturlage nicht unabhängig vom niedrigen Zins. Die niedrigen Zinsen der letzten Jahre haben die Volkswirtschaften auf verschiedenen Wegen angetrieben. Sie haben die Kredite verbilligt und neue Investitionen in Gang gesetzt. Niedrige Zinsen haben die Preise auf den Aktien- und Häusermärkten in die Höhe getrieben. Das wiederum hat das Vermögen der Konsumenten und Unternehmen erhöht und sie zu zusätzlichen Ausgaben ermuntert. Und weil der US-Zins weltweite Wirkung entfaltet, haben sich die genannten Effekte auch in anderen Währungsräumen zugetragen.
Steigt der US-Zins (zu stark), werden die konjunkturtreibenden Effekte gewissermaßen rückabgewickelt. Bei welcher Zinshöhe die geldpolitische Bremswirkung zum Problem wird, lässt sich jedoch nicht genau sagen. Derzeit ist es so, dass der kurzfristige US-Zins nach Abzug der Inflation (das ist der Realzins) nach wie vor im negativen Bereich verharrt (Abb. 1). Die Zinsanhebungen seit Dezember 2015 haben daher "nur" dazu geführt, den negativen Realzins etwas zu verringern.
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) 2-Jahreszins minus Jahresinflation der Konsumentenpreise
Im Zuge der Zinserhöhungen hat sich die Steilheit der US-Zinskurve abgeflacht: Der Abstand zwischen der 10- und 2-jährigen Anleiherendite ist gesunken (Abb. 2). Mittlerweile beträgt er nur noch 0,26 Prozentpunkte. In der Vergangenheit war eine solche Abflachung der Zinskurve ein Warnsignal: Sie hat häufig eine herannahenden Wirtschaftsabschwächung signalisiert. Dafür gibt es einen besonderen Grund.
Wenn der Abstand zwischen Lang- und Kurzfristzins schwindet, wird es weniger attraktiv für Banken, Kredite zu vergeben. Denn sie verdienen dann weniger durch die "Fristentransformation", also die Vergabe von langlaufenden Krediten, die die Banken durch kurzlaufende Mittel finanzieren. Eine Abflachung der Zinskurve wirkt folglich wie der "Tritt auf die Kreditbremse".
Versiegt der Kreditzustrom, kann auch der Konjunkturaufschwung nur allzu leicht ins Straucheln geraten.