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Was sie über Mega-Crash-Prognosen wissen sollten

17.08.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Das Eintreten von Krisen lässt sich (mit wissenschaftlichen Mitteln) nicht verlässlich prognostizieren. Bei seinen Investitionsentscheidungen sollte man sich nicht von Krisenprognosen leiten lassen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise kommt! Im Jahr 2020 schlägt sie zu! Dann kommt die Rezession, und alle Unternehmen gehen Pleite! Dass Verkünder solcher Krisenprognosen große Aufmerksamkeit erzielen, ist verständlich. Denn sie sprechen damit so gut wie alle und jeden an: Den Sparer, der sein Geld auf dem Bankkonto liegen hat; den Unternehmer, der über seine Investitionspläne nachsinnt; den Investor, der überlegt, wem er sein Geld leiht. Sie und viele andere mehr wären von einer Finanz- und Wirtschaftskrise unmittelbar betroffen.

Was ist von solchen Krisenprognosen zu halten? Um ei-ne Antwort zu finden, sollte man sich zu allererst mit der Möglichkeit auseinandersetzen, ob volkswirtschaftliche Geschehnisse - also menschliches Handeln - überhaupt mit wissenschaftlichen Mitteln prognostiziert werden können. Was weiß man darüber? Wir wissen zunächst einmal zweifelsfrei, dass menschliches Handeln unter Unsicherheit stattfindet. (Was nicht heißt, dass alles un-sicher ist: Denn wenn etwas unsicher ist, muss es logischerweise auch etwas geben, was sicher ist!)


Unsicherheit

Unsicher ist zum Beispiel, wie Menschen künftig handeln: Welche Wertvorstellungen sie annehmen, welche Ziele sie formulieren, wie sie auf bestimmte Geschehnisse reagieren. Nicht selten ist auch unsicher, unter welchen konkreten Bedingungen sie handeln werden. Beispielsweise kennt man nicht schon heute alle Märkte, Produkte und Moden, die es künftig geben wird; man weiß beispielsweise nicht, wie die Aktienmarktinvestoren auf Zinsveränderungen reagieren werden. Wie also geht man mit Handeln unter Unsicherheit um?

Man kann versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen, aus beobachtetem menschlichem Verhalten. Doch leider: Im Bereich des menschlichen Handelns gibt es keine Verhaltenskonstanten. In der Naturwissenschaft ist es möglich, Gesetzmäßigkeiten wie zum Beispiel "Wenn A um x% steigt, dann steigt B um y%" aufzuspüren. Das aber ist im Bereich des menschlichen Handelns nicht möglich. Menschen reagieren auf einen bestimmten Impuls nicht stets in der gleichen Art und Weise. Der Grund für diese Einsicht ist ein logischer.

Wir wissen nämlich zweifelsfrei, dass menschliches Handeln von Ideen (oder auch: Theorien oder Wissen) bestimmt ist, und dass diese Ideen die endgültigen Daten für das Handeln sind; sie sind das ultimativ Gegebene, das sich nicht mehr auf andere Daten (Faktoren) zurückführen lässt.(1) (Genau diese Einsicht begründet übrigens den methodologischen Dualismus: die Einsicht, dass die wissenschaftliche Methode zur Erkenntnisgewinnung in der Wirtschaftswissenschaft eine andere sein muss als die, die in der Naturwissenschaft angewendet wird.)

Und nicht zuletzt wissen wir, dass Menschen lernfähig sind.(2) Lernfähigkeit lässt sich nicht widerspruchsfrei verneinen: (1) Wer argumentiert, der Mensch sei nicht lernfähig, geht davon aus, dass andere den Inhalt seines Gesagten noch nicht wissen, dass sie also lernfähig sind (sonst würde er es nicht sagen). Er begeht damit einen performativen Widerspruch. (2) Wenn jemand sagt "Der Mensch kann lernen, nicht zu lernen", so setzt er voraus, dass er irgendwann einmal gelernt hat, dass man nicht lernen kann - und attestiert damit Lernfähigkeit. Er begeht also einen offenen Widerspruch.

Lernfähigkeit bedeutet, dass man nicht heute schon alle künftigen Ideen (Wissensbestände) kennen kann, die das künftige Handeln bestimmen; denn sonst wüsste man schon heute, wie künftig gehandelt wird. Zudem impliziert Lernfähigkeit, dass das Handeln nicht (im Sinne von Ursache-Wirkung) durch äußere Faktoren (physikalischer, chemischer oder biologischer Art) erklärt werden kann. Ansonsten könnte man schon heute wissen, wie künftig gehandelt wird, und das hieße, dass der Mensch nicht lernfähig ist - was logisch widersprüchlich wäre.

Damit sollte ersichtlich geworden sein, dass man mit vergangenen Beobachtungen menschlichen Handelns nicht in der Lage ist, künftige menschliche Handlungen auf sachlogisch überzeugende Weise vorherzusagen: Vom Handeln gestern gibt es keine logische Brücke zum Handeln morgen. Wie sind Prognosen für Finanz- und Wirtschaftskrisen vor diesem Hintergrund zu betrachten? Versuchen wir, eine Antwort auf diese drängende Frage zu finden.


Krisenprognosen

Es gibt gute Gründe, das weltweit vorzufindende ungedeckte Papiergeldsystem als instabil einzustufen. Das lässt sich mit der monetären Krisentheorie der Österreichischen Schule erklären: Die Ausgabe von neuem Geld durch Bankkredite, die nicht durch "echte Ersparnisse" gedeckt sind, sorgt für Wirtschaftsstörungen. Sie setzt zunächst einen "Boom" in Gang, der aber auf Sand gebaut ist. Früher oder später schlägt er in einen "Bust" um. Und je länger ein Boom angedauert hat, umso schmerzlicher wird auch der nachfolgende Bust ausfallen.

"Wir blicken so gern in die Zukunft, weil wir das Ungefähre, was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unsern Gunsten heranleiten möchten." - Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Bedingungen in der realen Welt, die Boom und Bust beeinflussen. So können im Boom produktive Produkt- und Prozessinnovationen entstehen, die die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft erhöhen und ihre Schuldentragfähigkeit verbessern. Auf diese Weise kann der Boom länger dau-ern, als die "reine Theorie" es erwarten ließe. Es kann auch sein, dass der Staat und seine Zentralbank die Marktkräfte aushebeln und so ganz verhindern, dass der Boom in einen Bust umschlagen kann.

Weil sich all das aber nicht exakt vorhersagen lässt (wie man es in den Naturwissenschaften gewohnt ist), ist der Anleger gut beraten, solchen Prognosen, die da sagen, es werde zu einem Crash, einer "Mega-Krise" zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt kommen (im Jahr 2020, 2021 oder 2022), kritisch gegenüberzustehen. Die in Aussicht gestellten Szenarien sind zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, sie sind aber in Bezug auf Erscheinungsform und zeitlichem Ablauf halt nicht mehr als Mutmaßungen.

Für den unbedarften Anleger, der seine Investitionsentscheidungen von Krisenprognosen abhängig macht, kann das unter Umständen äußerst kostspielig werden. Beispielsweise dann, wenn der Zeitpunkt des Systemzusammenbruchs zu früh an die Wand gemalt wird und den Anleger zum Beispiel dazu verleitet, voreilig aus dem Aktienmarkt auszusteigen. Er kann dann große Verluste in Form von entgangenen Renditen erleiden, die er selbst dann nicht mehr wettmachen kann, wenn die "Krise" irgendwann dann tatsächlich eintritt.



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