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Große Krisen sind Folge der Zentralbankpolitiken

16.11.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
Zunächst führt das einen künstlichen Aufschwung («Boom») herbei, der früher oder später in einen Abschwung («Bust») umschlägt. Es entstehen also Spekulationsblasen, die nachfolgend platzen und krisenhafte Erschütterungen auslösen.

Die Zentralbankpolitiken sind zweifelsohne die Kernursache für die grossen Krisen - wie zum Beispiel die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, aber auch weiter zurückliegende Krisen wie etwa das Platzen des «New Economy Booms» 2000/2001 und der Grossen Rezession 1929.

Ausserdem steigt die Verschuldung der Privaten und der Staaten an und die Kaufkraft des Geldes schwindet. Der Staat, der mit seiner Zentralbank eine nahezu unerschöpfliche Finanzierungsquelle hat, wird immer grösser und mächtiger, wird zum tiefen Staat - zum «Deep State » - und zerstört immer mehr bürgerliche und unternehmerische Freiheiten.


Umwertung aller Werte

Das künstliche Absenken des Zinses ist alles andere als ein Kavaliersdelikt.

Die Folgen der Zinsmanipulation durch die Zentralbanken sind vielmehr überaus weitreichend.

Die Zinsmanipulation greift unmittelbar in das Werten und Handeln der Menschen ein und bringt es durcheinander; es führt die Menschen in die Irre, durchkreuzt ihre Konsum-, Spar- und Investitionsentscheidungen.

Die Zentralbanken manipulieren mit ihrer Politik die Zeitpräferenz der Menschen in die Höhe. Sie «machen» das

Hier und Heute für die Menschen noch wichtiger gegenüber dem Morgen.

Es kommt zu einer - wie es Friedrich Nietzsche (1844-1900) formulierte - «Umwertung aller Werte». Nicht nur die Wirtschaftsstruktur, sondern eben auch das Werte und Moralgerüst der Volkswirtschaft wird in Mitleidenschaft gezogen. Dazu einige Beispiele.

Das künstliche Herabdrücken des Marktzinses ermutigt zu einem Leben auf Pump. Die Tugend der Sparsamkeit gerät aus der Mode, «Dauerschuldnerei» wird «in» und moralisch akzeptabel.

Das Erreichen von Kurzfristzielen wird für die Menschen wichtiger als das Erreichen von längerfristigen Vorhaben. Beispielsweise nimmt die Leistungsbereitschaft ab, weil Freizeit zusehends höher wertgeschätzt wird als «Arbeitsleid».

Die empfundenen Kosten, die mit Familie und Kinderreichtum verbunden sind, werden zusehends gescheut.

Scheidungen zur «Lösung» von Eheproblemen werden attraktiver; denn die Kosten, um über partnerschaftliche Schwierigkeiten hinwegzukommen, steigen.

Die Qualität der Ausbildung leidet: Wenn das Hier und Jetzt noch wichtiger wird, dann wendet man weniger Zeit auf, um sich über den Tag hinaus, auf zeitintensiven Wegen zu bilden und reifen zu lassen.

Die Sitten verfallen: Manieren zu erlernen und Rücksicht zu nehmen sind aufwendige Tätigkeiten. Im zwischenmenschlichen Umgang zahlen sie sich häufig erst langfristig aus. Gutes Benehmen bleibt daher auf der Strecke, wenn die Zeitpräferenz der Menschen künstlich erhöht wird.

Auch die Ästhetik verkommt: Modische Eintagsfliegen haben es leichter, Käufer zu finden, das Brechen mit «bewährten Klassikern» wird erleichtert.

Beispielsweise stampft man Bauten, die so gut wie eben möglich dem Durchschnittsgeschmack gefallen sollen, so schnell wie eben möglich aus dem Boden, Schönheitsaspekte werden dabei zweitrangig.

Und nicht zuletzt sorgen der Überkonsum und die Fehlallokationen, die beide Folgen der Zinsmanipulation sind, für eine verstärkte Nutzung von Naturressourcen. Auf diese Weise werden Umweltprobleme geschürt: Es kommt zum Abbau und Verbrauch von Rohstoffen für den Überkonsum und die Fehlinvestitionen.


Die widersprüchliche Theorie des negativen gleichgewichtigen Zinses

In den letzten Jahren haben einige meinungsführende Ökonomen die Theorie vorgelegt, der «gleichgewichtige Zins» - beziehungsweise der Urzins - sei negativ geworden. Das verbinden sie mit einer normativen Forderung: Weil der gesellschaftliche Urzins negativ sei, müssten die Zentralbanken den Marktzins in den Negativbereich befördern, um Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen.

Einige Zentralbanken sind dem Ruf bereits gefolgt: die Europäische Zentralbank, die Schweizerische Nationalbank sowie auch die dänische und schwedische Zentralbank. Was ist davon zu halten?

Die Idee, der Urzins könnte null Prozent oder gar negativ erden, ist logisch widersprüchlich und daher falsch. Der Urzins kann sich zwar auf die Nulllinie zubewegen, er kann aber niemals null oder negativ werden.

Wenn man behauptet, der Urzins sei null, dann verneint man damit den logisch nicht widerlegbaren Satz, dass der Mensch handelt; und das ist zweifelsohne falsch. Ein negativer Urzins ist für den menschlichen Geist überhaupt nicht sinnvoll zu verstehen.

Wohlgemerkt: Die Zentralbank kann zwar den Marktzins auf oder auch unter die Nulllinie zwingen, indem sie zum Beispiel Anleihen zu einem Preis kauft, der höher ist als die Summe der Zinscoupons und der Tilgungszahlung der Anleihe.

Aber dadurch erzeugt sie notwendigerweise ein Ungleichgewicht, niemals ein Gleichgewicht, denn der Urzins, den die handelnden Menschen in sich tragen, kann aus logischen Gründen nicht null oder gar negativ werden.


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