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Die Währungsgeschichte der Deutschen. Ein Trauerspiel in fünf Akten

03.02.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Hinzu kommen jetzt die Reparationszahlungen, die dem Reich im Versailler-Vertrag erhoben und die 1921 auf 132 Mrd. Mark festgelegt werden. Im Grunde sind die Deutschen damit finanziell überfordert, ruiniert.

(Ich möchte an dieser Stelle einwerfen: Ohne ungedecktes Papiergeld hätte der Erste Weltkrieg ganz bestimmt nicht dieses schreckliche Ausmaß annehmen können, die Kosten wären einfach zu hoch und zu schmerzlich für die Bevölkerungen gewesen. Die Abkehr vom Goldgeld, für die die Staaten gesorgt haben, hat das verheerende industrielle Schlachten erst möglich gemacht.) Doch die monetäre Katastrophe der Deutschen wird sich erst fünf Jahre nach Kriegsende zutragen. Und das kommt so: Am 28. November 1918, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, dankt der deutsche Kaiser ab. Es ist ein erzwungener, ein gewaltsamer Sturz, durch den die Weimarer Republik aus der Taufe gehoben wird.

Die demokratischen Parteien und deren Elemente, die nun die Bühne betreten, buhlen um die Gunst der Wähler. Teure Versprechungen werden gemacht. Das findet Gehör, zumal die Zeiten hart sind: Millionen versehrter und traumatisierter Männer kehren aus den Schützengräben in die Heimat zurück. Die Kriegswirtschaft hat das Reich ausgeblutet. Die Siegermächte demontieren die Industrie; das Reich muss Gebiete im Osten abtreten; der deutsche Export wird gegängelt.

Die wechselnden Regierungen in der Weimarer Republik (von 1919 bis 1933 hat es 21 Reichsregierungen gegeben!) geben viel Geld aus, Geld, das sie nicht haben, und das die Bürger ihnen per Steuerzahlung auch nicht geben wollen. Finanziert werden die Staatsausgaben ab 1920, indem die Reichsbank ihre Druckerpresse rotieren lässt. Von Dezember 1919 bis Oktober 1922 steigt die Papiermark-Geldmenge von 68 auf 485 Mrd. Mark - ein Zuwachs von 613 Prozent in knapp drei Jahren (oder knapp 93% pro Jahr).

Es gelingt nicht, das öffentliche Defizit zu beenden. Die Lage dramatisiert sich, als Reichsaußenminister Walther Rathenau (1867 - 1922) am 24. Juni 1922 in Berlin ermordet wird. Schlagartig schwindet das internationale Vertrauen in die Weimarer Republik. Der Außenwert der Papiermark halbiert sich fast von Juni auf Juli 1922. Als jedoch Ende des Jahres Deutschland beschuldigt wird, mit seinen Reparationen im Rückstand zu sein, beginnt die Lage zu eskalieren.

Im Januar 1923 besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Reichskanzler Wilhelm Kuno ruft zum passiven Widerstand auf. Er verspricht, die Löhne der Arbeiter, Angestellten und Beamten mit neu gedrucktem Geld zu bezahlen. Die Reichsbank gibt immer mehr Banknoten aus, um die Finanzierungswünsche der Reichsregierung zu erfüllen. Bald gibt es kein Halten mehr. Die Geldmenge und als Folge die Güterpreise steigen mit immer größeren Raten an. Aus hoher Inflation wird galoppierende Inflation, dann Hyperinflation, die ihren Hochpunkt im Herbst 1923 erreicht.

Ein Albtraum für die breite Bevölkerung. Ersparnisse und Existenzen werden zerstört, die Gesellschaft wird wirtschaftlich und moralisch zerrüttet. Man fragt sich: Warum hat man es so weit kommen lassen? Wie konnte es zu dieser Hyperinflation, die von Deutschen für Deutsche angerichtet wurde, kommen? Die Antwort lautet: Durch die Politik der hohen Inflation ließ sich die Arbeitslosigkeit niedrig halten und so wurde die Weimarer Demokratie vor dem Offenbarungseid geschützt. Im Jahr 1919 betrug die Arbeitslosenquote durchschnittlich 3,7%, 1920 3,8%, 1921 2,8% und 1922 sogar nur 1,5%.

Doch dann: Im Sommer 1923, als die Inflation zur Hyperinflation wird, kollabiert die Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit steigt von 3,5% im Juli auf 9,9% im September, auf 23,4% im November und auf 28,2% im Dezember. Deutschland ist jetzt am Rande des Bürgerkriegs. Auf den Straßen wird blutig gekämpft. Und es wird nicht nur um die Macht in Berlin gekämpft. Auch um Sezession wird gekämpft. Kurt Tucholsky (1890-1935) beschreibt die Situation im Rheinland in einem Beitrag von 1929 für "Die Weltbühne" wie
folgt:

Lawinenartig wuchs inzwischen die separatistische Bewegung, proportional der Inflation. (…) Zu Frankreich hinüber wollte keiner, bei Preußen bleiben wenige. Was sie wollten und wozu sie damals auch ein Recht hatten, war Befreiung aus der Hölle der Inflation und Schaffung einer eignen Währung, einer eignen autonomen Republik.

Doch Sezession wird in Berlin nicht geduldet. Die Demokraten gehen unerbittlich gegen die Austrittsbefürworter vor. Wieder zeigt der deutsche Staat sein aggressives Gesicht: Das Selbstbestimmungsrecht der Austrittswilligen wird gewaltsam unterdrückt. Am 14. August 1923 übernimmt Gustav Stresemann (1878-1929) als Reichskanzler die Regierungsgeschäfte. Er erkennt: Die Inflation muss gestoppt werden.

Doch der Präsident der Reichsbank, Rudolf Havenstein (1857-1923), weigert sich, die Vermehrung der Papiermark zu drosseln. Havenstein und sein Zentralbankrat halten an falschen Theorien fest. Sie machen Zahlungsbilanz und Reparationen verantwortlich für die Inflation; und sie meinen, man müsse die Geldmenge ausweiten, weil ja angesichts des astronomischen Anstiegs der Güterpreise das Geld knapp geworden sei. Absetzen kann man Havenstein nicht, er ist auf Lebenszeit ernannt, und die Reichsbank ist seit 1922 (auf Drängen der Alliierten) unabhängig. Am 17. Oktober leitet daher die Stresemann-Regierung eine Umgehungsstrategie ein.

Der Staat gründet die Rentenbank, die die Rentenmark ausgibt, eine Währung, die durch die Grundschuld des Deutschen Reiches gedeckt beziehungsweise mengenmäßig begrenzt ist. Dabei wird festgesetzt, dass 1 Rentenmark 1 Billion Papiermark (1 Billion = 10^12 oder eine “1” gefolgt von 12 Nullen) entspricht. Am 12. November 1923 ernennt Stresemann Hjalmar Schacht (1877-1970) zum Währungskommissar und beauftragt ihn, eine Währungsreform durchzuführen. Als erstes macht Schacht Schluss mit dem “Notgeld”, das Städte und Gemeinden und Unternehmen herausgeben.

Das Notgeld ist zwar kein gesetzliches Zahlungsmittel, dient aber als Geld im Alltag, und es wird von der Reichsbank in Reichsbanknoten eingetauscht. Ende 1923 erreicht der Notgeldumlauf schätzungsweise 400 bis 500 Trillionen RM - und ist damit so groß wie das ausstehende Volumen der Reichsbanknoten. Dann, am 15. November 1923, hört die Reichsbank endlich auf, die Staatsschulden zu monetisieren. Am 20. November 1923 - Havenstein stirbt an genau diesem Tag an Herzversagen - muss man auf dem Devisenmarkt 4,2 Billionen Papiermark für 1 US-Dollar bezahlen.

Diesen Kurs verkündet Schacht nun als offizielles Austauschverhältnis: Für 4,2 Billionen Papiermark bekommt man bei der Reichsbank 1 US-Dollar. Und damit - Abrakadabra! - entsprechen nun 4,2 Rentenmark 1 US-Dollar - so wie vor Kriegsbeginn der Kurs 4,2 Mark für 1 US-Dollar war. Doch die Abwertungserwartung der Papiermark in den Terminmärkten geht weiter. Die Papiermark fällt in der Spitze auf 12 Billionen pro 1 US-Dollar. Doch durch einen geschickten Zug bricht Schacht die Spekulation, und die Reichsbank kann den Außenwert der Papiermark bei 4,2 Billionen für 1 US Dollar halten.

Mit dem Ende der Notgeldausgabe, dem Stillstand der Reichsnoten-Druckerpressen und der Rentenmark ist die Hyperinflation vorbei. Doch schon bald gibt es wieder neues Geld: Am 30. August 1924 wird die Reichsmark eingeführt, und zwar mit einem Wechselkurs von 1:1 gegenüber der Rentenmark.

Die Reichsmark - wen wundert es: sie ist natürlich wieder Staatsgeld - wird die Deutschen auch wieder bitter enttäuschen. Vorhang auf für den 3. Akt.



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