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Die Währungsgeschichte der Deutschen. Ein Trauerspiel in fünf Akten

03.02.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 3 -
3. Akt

Die Reichsmark ist ungedecktes Geld, die Reichsbank löst sie in nichts ein. Anfänglich gelingt es der Reichsbank unter Schacht, die Ausweitung der Reichsmark-Geldmenge im Zaume und so die Güterpreisinflation niedrig zu halten. Doch schon bald ziehen zwei dunkle Wolken am Horizont auf.

Die erste dunkle Wolke: Die staatlichen Stellen im Reich - Kommunen und Städte - verschulden sich zusehends im Ausland, vorzugsweise in US-Dollar. Die Auslandskredite werden vor allem für konsumptive Zwecke eingesetzt. Und für ihre Rückzahlung werden keine Devisen verdient. (Devisen sind für das Reich knapp, weil der deutsche Export, durch den ja Auslandswährung verdient werden kann, durch die Kriegssiegermächte sabotiert wird.) Die zweite dunkle Wolke: In Europa haben sich 1922 die Staaten, maßgeblich auf Druck Großbritanniens, auf einen sogenannten “Gold-Devisen-Standard” geeinigt.

Das bedeutet: Die Bank von England löst das Britische Pfund in Gold oder US-Dollar ein, alle anderen Zentralbanken in Europa tauschen ihre Währungen in Britische Pfund ein. Dieses monetäre Kartenhaus kollabiert im Zuge der “Grossen Depression”, die, ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika, Ende 1929 die Welt erfasst. Die Weltwirtschaftskrise trifft die Deutschen besonders hart, nicht zuletzt auch wegen der hohen Auslandsverschuldung des Reiches. Die Produktion bricht ein, die Arbeitslosigkeit steigt auf mehr als 6,1 Millionen im Februar 1932 - also mehr als 31% der Erwerbstätigen haben keinen Job mehr.

Die wirtschaftliche Not der Bevölkerung ist groß. Was daraufhin politisch passiert, ist hinreichend bekannt. Die Deutschen haben nur noch die Wahl zwischen Kommunismus und Nationalsozialismus; eine liberale Option im Parlament gibt es nicht. Durch demokratische Reichstagswahlen wird die “Nationalsozialistische Arbeiterpartei” zur stärksten Kraft. Am 30. Januar 1933 wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt, und nachfolgend errichtet er die Diktatur des Nationalsozialismus. Mit Arbeitsdiensten und Rüstungsausgaben gelingt es den Nationalsozialisten, die Arbeitslosigkeit bis 1937 auf unter 1 Million abzusenken.

Die Beschäftigungspolitik der Nationalsozialisten wird anfänglich nicht so sehr durch eine Geldmengenausweitung finanziert. Von Ende 1932 bis 1938 steigt der Bargeldumlauf von 5,6 auf 10,4 Mrd. RM - das entspricht einem jahresdurchschnittlichen Zuwachs von 11 Prozent. Die Nationalsozialisten setzen auf die “Mefo-Wechsel”. Es handelt sich dabei um Wechselkredite, die auf die im Juli 1933 gegründete Metallurgische Forschungsanstalt gezogen werden, und die bei der Reichsbank diskontiert werden können.

Mit der Ausgabe der Mefo-Wechsel gelingt es - weil sie von den Investoren bereitwillig gehalten und nicht bei der Reichsbank eingelöst werden -, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und damit die Gesamtnachfrage zu erhöhen. Die Nationalsozialisten greifen aber vor allem auch auf Bankkredite und Anleihen zurück. Durch sie werden die Ersparnisse aufgesogen und in die Rüstung gelenkt.

Während des Zweiten Weltkriegs plündern die Nationalsozialisten zudem systematisch die besetzten Gebiete aus; eindrücklich hat das der Historiker Götz Aly in seinem Buch “Hitlers Volksstaat” (2005) aufgearbeitet. Auf diese Weise wird die Belastung der deutschen Bevölkerung mit Inflation und Steuern relativ gering gehalten; und das hält den Widerstand gegen das Regime und den Krieg klein.

Im Reichsgebiet installieren die Nationalsozialisten eine Befehls- und Lenkungswirtschaft. Löhne, Mieten, Zinsen, Gewinne und Güterpreise: alles wird von zentraler Stelle diktiert. Preiskontrollen verhindern, dass die Güter sich verteuern. Das Ergebnis ist zurückgestaute Preisinflation. Mit Verschärfung der Kriegswirtschaft nimmt dann aber auch die Geldmengenvermehrung drastisch zu. Die Reichsmark wird von den Nationalsozialisten rücksichtslos für die eigenen totalitären Zwecke eingesetzt - die Reichsbank wird Hitler unterstellt. Bis Kriegsende ist die RM-Bargeldmenge auf 73 Mrd. RM gestiegen - ein Anstieg um mehr als 660 Prozent seit Ausbruch des Krieges.

Als das Regime am 8. Mai 1945 kapituliert, sind die Deutschen wieder ruiniert. Millionen Tote; Städte und Produktionsanlagen liegen in Schutt und Asche; die Staatsschulden sind erdrückend; die Entwertung der Reichsmark tritt in stark steigenden Schwarzmarktpreisen zutage. Die Not der Bevölkerung ist groß. Flucht und Vertreibungen bringen in den ersten Nachkriegsjahren etwa 14 Millionen Menschen in das verbliebene, weithin zerstörte Deutschland. Es gibt Versorgungsengpässe. Hunderttausende sterben im Winter 1946/1947 an Hunger, Erschöpfung und Kälte. Nach Ende der Kriegshandlungen halten die Alliierten an den Preiskontrollen, die die Nationalsozialisten erlassen hatten, fest.

So fehlen die Anreize zur Produktionsausweitung. Die Schattenwirtschaft blüht. Die Reichsmark erweist sich als stark entwertet, und die Menschen weichen auf Ersatzwährungen aus - wie insbesondere Zigaretten. Die Reichsmark verliert ihre Kaufkraft vor allem auch deswegen, weil die USA und die Sowjetunion Militärmark im Reichsgebiet ausgeben.

Die Militärmark kann 1:1 in Reichsmark tauscht werden. Es ist zu vermuten, dass gerade die Russen, die von den Amerikanern 1944 die Reichsmark-Druckerplatten bekamen, die Reichsmarkmenge in gewaltigem Ausmaß erhöhten und so die Kaufkraft der Reichsmark zerstörten. Mit großer zeitlicher Verzögerung leiten die Alliierten eine Währungsreform ein, die mit der Reichsmark kurzen Prozess machen wird. Der 4. Akt beginnt.


4. Akt

Am 20. Juni 1948 ersetzt in der Besatzungszone der Westalliierten die D-Mark die Reichsmark. Vier Tage später wird in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Mark der Deutschen Notenbank, später Mark der DDR, eingeführt. Die Deutschen haben an der Währungsreform nur insoweit Anteil, als dass sie die Vorgaben der Alliierten in deutsche Gesetzessprache übertragen. Warum eigentlich der Währungswechsel?

Die Kaufkraft der Reichsmark ist stark abgesunken, und durch die Freigabe der Preise hätte es vermutlich einen großen (wenn auch nur vorübergehenden) Inflationsschub gegeben, der die Kaufkraft der Reichsmark noch weiter reduziert hätte. Auf alliierter Seite fürchtet man, es könnte politisch turbulent in Deutschland werden, wenn das Geld der Deutschen erneut inflationiert. Deshalb soll die Währungsreform sicherstellen, dass der Reichsmark-Geldüberhang nicht durch einen Preisauftrieb, sondern durch eine Herabsetzung der Geldbestände abgebaut wird.

Nun hätte man aber das gleiche auch erreicht, wenn die Reichsmark erhalten geblieben wäre. Der Schluss liegt daher nahe: Das Dritte Reich sollte das letzte Reich der Deutschen sein. Das “Reich” vor der Mark soll fallen, deshalb wird die “D-Mark” eingeführt - eine Wortprägung des US-Amerikaners Edward A. Tenenbaum (1921-1975), der dem Stab des Militärgoverneurs der amerikanischen Besatzungszone, General Lucius D. Clays (1898-1978), angehört.

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