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Das Zeitalter von Boom und Bust ist nicht vorbei

16.02.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Zentralbanken haben die Korrekturkräfte der Märkte de facto lahmgelegt. Deshalb dauert der Boom länger als gewöhnlich. Das heißt aber nicht, dass es keinen Bust mehr geben kann oder geben wird.

Auf dem Weltwirtschaftsforum 2020 in Davos erregte Bob Prince, Co-Chief Investment Officer bei Bridgewater Associates, Aufmerksamkeit, als er in einem Interview sagte, dass der Boom- und Bust-Zyklus, wie wir ihn aus den letzten Jahrzehnten kennen, beendet sei. Zu dieser Aussage ermutigt wurde Prince möglicherweise durch die Tatsache, dass der aktuelle Aufschwung der Weltkonjunktur ("Boom") bereits seit etwa einem Jahrzehnt andauert; und dass ein Ende nicht in Sicht ist, wie derzeit die eingehenden makro- und mikroökonomischen Daten nahelegen.

Aber würde das nicht die zentrale Erkenntnis der österreichischen Konjunkturtheorie (ÖKT) widerlegen, die besagt, dass ein Boom, der durch künstlich gesenkte Marktzinsen, die durch einen Einschuss von neuem Geld, produziert "aus dem Nichts" durch Kreditvergabe, ausgelöst wird, letztlich in einem Zusammenbruch enden muss? Im Folgenden werde ich die Kernaussage der ÖKT hervorheben und die "besonderen Bedingungen" skizzieren, die bei der Anwendung der ÖKT auf reale Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund können wir uns dann auch ein Bild davon machen, wie die nächste Krise aussehen könnte.


Was die ÖKT sagt

Im Grunde ist die ÖKT eine "Krisentheorie". Sie erklärt die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen, wenn die Zentralbanken in enger Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken die Geldmenge in der Volkswirtschaft durch Kreditausweitung erhöhen - gemeint ist hier eine Zunahme der Bankkredite, die nicht durch reale Ersparnisse gedeckt sind ("Zirkulationskredit"). Eine Zunahme des Kreditangebots senkt zunächst den Marktzins künstlich ab - und zwar unter das Niveau, das sich einstellen würde, das sich einstellen würde, wenn das Kreditangebot nicht künstlich erhöht worden wäre.

Der künstlich abgesetzte Marktzins entmutigt nun das Sparen und befördert die Expansion von Konsumausgaben und Investitionen. Die Wirtschaft tritt dadurch in einen Boom ein. Wenn sich der Einschuss von neuem Kredit und neuem Geld jedoch auf die Preise und Löhne vollends ausgewirkt hat, wird den Wirtschaftsakteuren plötzlich klar, dass die wirtschaftliche Expansion eine einmalige Angelegenheit war.

Sie kehren daraufhin zu der Relation zwischen Ersparnis, Konsum und Investitionen zurück, die vor dem Boom bestanden hat. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass der Marktzins wieder auf das höhere ursprüngliche Niveau zurückkehrt. Und genau das ist der Prozess, der den Boom zum Scheitern bringt, in einen "Bust" umschlagen lässt.

Um zu verhindern, dass der Aufschwung in einem Bust endet, ergreifen die Zentralbanken Gegenmaßnahmen. Sie senken die Marktzinsen noch weiter ab. Denn wenn der Marktzins noch weiter sinkt, kann nicht nur die Produktions- und Beschäftigungsstruktur aufrechterhalten werden, sondern auch der Boom geht weiter. Mit anderen Worten: Die Entwicklung der Marktzinsen - die widerspiegeln, wie die Menschen ihr Einkommen für Ersparnisse, Konsum und Investitionen aufteilen - ist die entscheidende Variable im Boom- und-Bust Zyklus. Und genau deshalb haben die Zentralbanken zunehmend die Kontrolle über den Marktzins übernommen.


Kontrolle der Zinsen

Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 haben die Zentralbanken de facto die Kontrolle über die Marktzinsen vollständig übernommen. Sie beschränken sich nicht mehr nur auf die Festlegung der kurzfristigen Zinssätze, sondern sie haben sich daran gemacht, auch die Zinssätze für längere Laufzeiten zu kontrollieren. Vor allem haben die Zentralbanken begonnen, alle Zinssätze mehr oder weniger direkt zu beeinflussen, indem sie nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Hypothekenanleihen, Unternehmensanleihen und Bankanleihen kaufen.

Auf diese Weise beeinflussen sie direkt die Kurse der Anleihen und damit deren Renditen. Die Marktzinsen bilden sich folglich nicht mehr in einem "freien Markt".

Das Ergebnis: Die Marktzinsen sind durch die Politik der Zentralbanken künstlich niedrig gedrückt, und zudem werden die Marktzinsen davon abgehalten, wieder auf ein wirtschaftlich vernünftiges Niveau zurückkehren zu können. Zumindest scheinen die Finanzmarktakteure das zu denken: Sie wissen, dass der Boom zweifellos in einen Bust umschlagen wird, wenn die Marktzinsen steigen; und dass das die Zentralbanken um jeden Preis verhindern wollen; und dass die Zentralbanken daher auch künftig den Kreditmarkt in ihrem Sinne manipulieren werden.

Und angesichts der im Grunde unbegrenzten Macht der Zentralbanken bei der Festlegung der Anleihekurse und -renditen wird kein Investor (der bei klarem Verstand ist) gegen die Währungsbehörden wetten wollen. Tatsächlich haben nunmehr die Investoren einen großen Anreiz, die Anleihekurse in Richtung der Kurse zu handeln, von denen sie glauben, dass die Zentralbanken sie auf dem Markt etablieren wollen. Mit anderen Worten: Wenn der Markt glaubt, dass die Zentralbank keine höheren Zinsen will, werden sich diese Zinsen auf den Märkten in "wundersamer Weise" auch einstellen.



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