Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Geldflut bringt Geldentwertung

22.05.2020  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Könnte es sein, dass zwar die Wirtschaft einbricht (Y fällt) und die Geldmenge (M) steigt, dass aber P zunimmt, vielleicht sogar stark steigt, so dass V nicht nachgibt? Das wäre der Fall, wenn die Menschen, die neues Geld erhalten, es in gewohnter Weise für Güterkäufe ausgeben, und die Güternachfrage auf ein verknapptes Güterangebot stößt. Genau das zeigt sich derzeit: Die Produktionsleistung ist nach dem politisch diktierten "Lockdown" stark abgesunken, mit Engpässen und Güterknappheit ist zu rechnen. Das begünstigt den Preisauftrieb, wenn neues Geld in Umlauf gebracht wird, um die ausbleibenden Einkommen der Menschen und Firmen zu finanzieren.


Könnten die Preise nicht doch fallen?

In der kurzen Frist ist allerdings nicht auszuschließen, dass trotz einer gewaltigen Geldmengenvermehrung Güterpreise nachgeben. Ein Grund könnten beispielswiese Geschäftsaufgaben sein, durch die Warenbestände zu Schleuderpreisen angeboten werden. Oder dass Arbeitnehmer zustimmen, fortan für geringere Löhne zu arbeiten - weil sich das Arbeitsplatzangebot verknappt hat. Oder dass Kreditnehmer aufgrund ihrer verschlechterten Finanzlage Vermögensbestände - Aktien und Häuser - verkaufen müssen, und dass das zu einem Preiseinbruch auf den Vermögensmärkten führt. Doch würde sich ein Preisverfall als dauerhaft erweisen, in einer Volkswirtschaft, in der die Geldmenge immer weiter steigt?

Ein solches Szenario unterstellt - und das ist sehr wichtig zu betonen -, dass die volkswirtschaftliche Geldnachfrage zunimmt, dass die Menschen also plötzlich mehr Geld halten möchten im Verhältnis zu ihren bisherigen Lebensumständen (Einkommen, Lebensalter, Vermögenstatus etc.). Wie gesagt, so etwas ist ex ante zwar nicht kategorisch auszuschließen - bekanntlich ändern ja Menschen ihr Verhalten zuweilen plötzlich und nicht selten rigoros. Doch zwei gewichtige Gründe sprechen dagegen, dass unter den aktuellen Gegebenheiten die Umlaufgeschwindigkeit dauerhaft absinkt.

Erstens: In einer Rezession, in der viele Menschen Einkommensverluste erleiden, ist es nicht einsichtig, warum die Geldbeträge, die ihnen der Staat beziehungsweise die Zentralbank zukommen lässt, um ausgefallene Löhne und Umsätze auszugleichen, gehortet und nicht für die Nachfrage nach (Grund-)Gütern eingesetzt werden sollten: Schließlich müssen die Menschen sich ernähren, sich kleiden, ihre Wohnung bezahlen, sich von hier nach dort bewegen, die Angestellten entlohnen etc.; und je mehr Geld sie auf ihre Konten gebucht bekommen, desto mehr können sie ihre gewohnte Nachfrage nach Gütern aufrecht erhalten.

Zweitens: Dass sich die Erwartung einer Preisdeflation in einem ungedeckten Geldsystem festsetzt, ist nicht wahrscheinlich. Zum einen ist ein Rückgang der Güterpreise auf breiter Front einschließlich der Löhne politisch nicht gewünscht. Es wird sich daher eine große Mehrheit in der Bevölkerung finden, die einen drohenden Verfall der Güterpreise und Löhne "bekämpft" sehen will. Zum anderen kann die Geldmenge quasi jederzeit und in jeder beliebigen Menge von der Zentralbank ausgeweitet werden - wenn es sein muss auch durch die Ausgabe des berühmt-berüchtigten "Helikoptergeldes".


Mit Helikoptergeld in die Planwirtschaft

Helikoptergeld bedeutet, dass die Zentralbank den Menschen neues Geld zukommen lässt - beispielsweise indem sie ihnen zusätzliche Geldbeträge auf ihre Konten bucht. Alle bekommen somit mehr Geld, können ihre Güternachfrage bestreiten beziehungsweise ausweiten. Die Zentralbank würde "im besten Fall" versuchen, so viel neues Helikoptergeld in Umlauf zu bringen, um die Konsumgüterpreise mit Raten zwischen null und 2 Prozent ansteigen zu lassen. Und allein schon dieses (Minimum-)Politikziel rechtfertigt natürlich jede als notwendig erachtete Geldmengenausweitung, wie auch immer sie zustande kommen mag.

Politiker und auch andere Empfänger des neuen "Geldmengen-Segens" wären vermutlich sogar begeistert, wenn sie das neue Geld bedingungslos bekommen - im Zuge wöchentlicher, monatlicher oder quartalsmäßiger Kontogutschriften. Das aber käme einer kategorialen Veränderung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems gleich: Die Geldversorgung der Menschen wäre fortan nicht mehr davon abhängig, dass sie etwas produzieren, was ihre Mitmenschen freiwillig nachzufragen wünschen, sondern sie hängt allein von der Willkür der Zentralbank bei der Geldzuteilung ab. Der Weg in die staatliche Lenkungswirtschaft wäre damit gewissermaßen zum Abschluss gebracht.

Die politische Verlockung, Helikoptergeld auszugeben, ist groß, wenn fallende Güterpreise abgewehrt werden sollen - und das ist unumgänglich, wenn ein drohender Zusammenbruch des ungedeckten Papiergeldsystems abgewendet werden soll. Die Vermehrung der Geldmenge durch Helikoptergeldausgabe wird geradezu unwiderstehlich, wenn allerorten die Schuldenquoten sehr hoch sind und die Möglichkeiten zusehends schwinden, immer mehr Geld durch Kreditvergabe in Umlauf zu bringen. In arge finanzielle Bedrängnis gebracht, wird die offene Inflationspolitik für die Staaten probat (und die mit der Ausgabe von Helikoptergeld besonders einfach durchführbar wird). Ludwig von Mises (1881-1973) schrieb dazu im Januar 1923:

"Wir sahen, daß eine Regierung sich immer dann genötigt sieht, zu inflationistischen Maßnahmen zu greifen, wenn sie den Weg der Anleihebegebung nicht zu betreten vermag und den der Besteuerung nicht zu betreten wagt, weil sie fürchten muß, die Zustimmung zu dem von ihr befolgten System zu verlieren, wenn sich seine finanziellen und allgemein wirtschaftlichen Folgen allzu schnell klar enthüllen. So wird die Inflation zu dem wichtigsten psychologischen Hilfsmittel einer Wirtschaftspolitik, die ihre Folgen zu verschleiern sucht.

Man kann sie in diesem Sinne als ein Werkzeug antidemokratischer Politik bezeichnen, da sie durch Irreführung der öffentlichen Meinung einem Regierungssystem, das bei offener Darlegung der Dinge keine Aussicht auf die Billigung durch das Volk hätte, den Fortbestand ermöglicht."



Das Geld verliert seine Kaufkraft

Mit wissenschaftlicher Gewissheit lässt sich zwar nicht prognostizieren, wann und wie stark die Konsumgüter und/oder Vermögenspreise steigen werden als Folge der überaus starken und sicherlich noch nicht abgeschlossenen Geldmengenausweitungen weltweit; diese Erkenntnisbeiträge kann die Ökonomik leider nicht beisteuern. Doch zwei Dinge sind gewiss:


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"