Inflation und Geldpolitik - Das Märchen von den stabilen Preisen
24.07.2007 | Daniel Haase
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Die Regierung gewinnt am meistenJede Regierung profitiert auf vielfältigen Wegen von der Inflation: Ein inflationärer Scheinboom erhöht die Steuereinnahmen des Staates. Nichts anderes widerfährt dem deutschen Finanzminister derzeit. Dank des progressiven Steuertarifs (mit zunehmendem nominalen Einkommen steigt auch der prozentuale Steuersatz) erhöhen sich die Staatseinnahmen überproportional. Zinseinkünfte, die in Wahrheit kein Einkommen sind, sondern nur den Kaufkraftverlust des eigenen Geldvermögens teilweise ausgleichen, werden besteuert. Inflation ermöglicht es dem Staat also sogar trotz Verlusten zu besteuern. Das Gleiche gilt für die durch die Inflation aufgeblähten Unternehmensgewinne.
Auf der Ausgabenseite ermöglicht die inflationär wirkende Verschuldung dem Staat, dauerhaft über seine Verhältnisse zu leben und die Zeche dem dummen Sparer aufzubrummen. Gleichzeitig werden alle fixen Ausgaben wie Renten, Bafög, Arbeitslosenunterstützung, Kindergeld etc. real abgewertet. In so einem Umfeld fällt es Politikern leicht, hin und wieder sogar Leistungsverbesserungen in Aussicht zu stellen. Natürlich nur nominale, denn real werten sich die Sozialleistungen schon seit geraumer Zeit ab. Inflation bleibt bis auf weiteres der politisch am ehesten durchsetzbare Weg, das Problem zukünftiger Rentenzahlungen zu "lösen". Auf der Preisseite gebärdet sich die Regierung als der größte Preistreiber von allen. Überall dort, wo sie eingreift und den Wettbewerb stört bzw. ganz unterbindet, ist die Inflation besonders hoch und hartnäckig: Zigaretten, Kraftstoffe, Gesundheitswesen etc.
Der Staat gewinnt von allen am meisten durch eine inflationäre Geldpolitik. Kein Wunder, dass die Politik - zumindest die Minderheit der Politiker, die den Mechanismus durchschaut hat - kein Interesse hat, die Bevölkerung über die Zusammenhänge aufzuklären.
Aussichten
Im Smart Investor 10/2006 äußerte der als Dr. Doom bekannte schweizerische Investmentprofi Dr. Marc Faber, dass insbesondere Amerika eine gute Chance habe, einmal eine Hyperinflation zu erleben. Anfang 2007 gab er zu Protokoll, dass der US-Dollar, der seit Gründung der Fed im Jahre 1913 etwa 95% seines Wertes verloren habe, für die nächsten 95% nicht mehr so lange brauchen werde (siehe Heft Nr. 3/2007). Wie auch immer man zu diesen Aussagen stehen mag, eines ist klar: Die Notenbanken, die sich gerne als Hüter des Geldes darstellen, mögen vielleicht alles Erdenkliche tun, nicht aber die Kaufkraft "ihrer" Währung hüten. Wer sich mit ihrer Geschichte beschäftigt, muss zwangsläufig zu diesem Ergebnis kommen. Keine Böswilligkeit zu unterstellen, grenzt an Naivität. Natürlich gebärden sich moderne Notenbanker gern als von der Regierungspolitik unabhängig. Wenn sie das wirklich wären, ist die Frage gestattet, warum alle zu vergebenden Posten ausnahmslos durch die zuständige Regierung besetzt werden? Selbstverständlich haben Notenbanken wie auch andere Behörden gewisse Spielräume. Würden sie aber ernsthaft Regierungsinteressen zu Gunsten einer soliden Währungspolitik preisgeben, würden den handelnden Personen schnell und nachdrücklich die Grenzen ihrer angeblichen Unabhängigkeit aufgezeigt.
In einer Hyperinflation haben die Menschen das Glück, die Segnungen der Inflation im Zeitraffer zu erleben. So prägt es sich besser ein. Der deutsche Staat konnte sich übrigens mit dieser Inflation fast all seiner Inlandskriegsschulden entledigen. Im November 1923 beliefen sich diese noch auf den überschaubaren Gegenwert von 16 Reichspfennig in Gold (heute etwa 92 Cent) und konnten problemlos bedient werden. Die Deutschen haben im letzten Jahrhundert die Lektionen der Hyperinflation gleich zweimal (1919-23 sowie 1945) erhalten und waren für den Rest des Jahrtausends ausreichend kuriert. Unter all den Notenbanken der Nachkriegszeit gehörte die Bundesbank mit Abstand zu den moderatesten Inflationisten. Verständlich, dass so viele Deutsche ihrer früheren Bedeutung nachtrauern.